G261/2023 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Leitsatz
Keine Verfassungswidrigkeit einer Bestimmung des SchulpflichtG 1985 betreffend das Verfahren über die Anzeige der Erfüllung der Schulpflicht durch den Besuch einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht oder durch häuslichen Unterricht; Beschleunigung des Verfahrens durch Verkürzung der Beschwerdefrist auf fünf Tage sowie die verkürzte Entscheidungsfrist von vier Wochen für das Bundesverwaltungsgericht; gesetzliche Verpflichtung der Schulbehörde zur unverzüglichen Entscheidung gewährleistet die Erfüllung der Schulpflicht durch den Besuch einer öffentlichen Schule im Fall der Untersagung der Teilnahme am häuslichen Unterricht oder am Unterricht einer Privatschule
Erforderlichkeit des §27 Abs2 SchulpflichtG 1985 idF BGBl I 35/2018 iSd Art136 Abs2 B‑VG:
Die in Prüfung gezogene Bestimmung wurde mit dem Zweck erlassen, die Verfahrensabläufe zu Gunsten der Rechtsklarheit zeitlich zu straffen. Mit der gesetzlichen Verkürzung der Beschwerdefrist will der Gesetzgeber das Verfahren gemäß §11 Abs3 Schulpflichtgesetz 1985 insgesamt beschleunigen. Die Verkürzung der Beschwerdefrist auf fünf Tage sowie die verkürzte Entscheidungsfrist von vier Wochen für das BVwG in §27 Abs2 Schulpflichtgesetz 1985 erfüllen die Voraussetzungen der Erforderlichkeit bzw der Unerlässlichkeit iSd Art136 Abs2 B‑VG dann, wenn das Verfahren insgesamt darauf ausgerichtet ist, diese Beschleunigung zu gewährleisten.
Es ist Intention des Gesetzgebers, dass die Schulbehörde einen Bescheid über die Untersagung eines Unterrichts iSd §11 Abs1 und 2 Schulpflichtgesetz 1985 so rechtzeitig erlässt, dass das vom Gesetzgeber definierte Ziel der Straffung der Verfahrensabläufe zu Gunsten der Rechtsklarheit erreicht werden kann. Das Regelungssystem soll dafür Sorge tragen, dass bei Untersagung des angezeigten Unterrichts der Besuch einer öffentlichen Schule oder einer mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Privatschule frühestmöglich gewährleistet ist.
Verkürzungen von Rechtsmittelfristen zum Zweck der Verfahrensbeschleunigung können nur dann als unerlässlich angesehen werden, wenn sie – gleichsam auf der "anderen Seite" – mit besonderen organisations- und verfahrensrechtlichen Maßnahmen einhergehen, die auch eine entsprechend rasche Entscheidung gewährleisten. Solche verfahrensrechtlichen Maßnahmen hat der Gesetzgeber zwar für das Verfahren vor dem BVwG vorgesehen, nicht allerdings für das Verfahren vor der Schulbehörde.
Kommt die Schulbehörde – nach eingebrachter Anzeige iSd §11 Abs3 SchulpflichtG 1985 und abgesehen von der unterjährigen Untersagung – zum Entschluss, dass ein Kind seine Schulpflicht iSd §5 Schulpflichtgesetz 1985 zu erfüllen hat, ist die Schulbehörde auf Grund des systematischen Zusammenhangs von §11 Abs3 und §27 Abs2 Schulpflichtgesetz 1985 verpflichtet, die Entscheidung unverzüglich und zeitlich so zu erlassen, dass – unter Beachtung der fünftägigen Beschwerdefrist, der Zustellzeit sowie der vierwöchigen Entscheidungsfrist für das BVwG – die Erziehungsberechtigten eines Kindes zum Zeitpunkt des Beginns des neuen Schuljahres Gewissheit darüber haben, ob die Teilnahme an häuslichem Unterricht bzw am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erlaubt ist. Dadurch wird der im Falle der Untersagung der Teilnahme an häuslichem Unterricht oder am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht notwendige Besuch an einer öffentlichen Schule oder einer mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Privatschule ab dem Beginn des Schuljahres vor dem Hintergrund der Schulpflicht gewährleistet.
Kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz:
Auf Grund der gleichsam für die Schulbehörde, das BVwG und den Rechtsunterworfenen geltenden verkürzten Verfahrensfristen, die insgesamt eine Beschleunigung des Verfahrens bewirken, kann keine Unsachlichkeit der Regelung erkannt werden.
(Anlassfall E867/2023, B v 12.03.2024, Ablehnung der Behandlung der Beschwerde; vgl G2151/2023, E v 12.03.2024, Abweisung eines Antrags des BVwG auf Aufhebung des §27 Abs2 SchulpflichtG 1985 idF BGBl I 37/2023).