§72 Abs6 TGWO 1994 sieht unter anderem für die Wahl zum Gemeinderat einen Überprüfungsantrag an die Bezirkswahlbehörde vor, doch nur für Wählergruppen, deren Wahlvorschlag für die Wahl des Gemeinderates kundgemacht wurde. Wählergruppen, deren Wahlvorschlag (wie der der anfechtungswerbenden Wählergruppe) nicht kundgemacht wurde, steht daher nur die unmittelbare Anfechtung der Wahl beim VfGH binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens offen; das ist im vorliegenden Fall die (der Gemeindewahlbehörde nach Maßgabe des §72 Abs4 TGWO 1994 obliegende unverzügliche) Kundmachung des Ergebnisses der Wahl zum Gemeinderat. Aus dem vorgelegten Wahlakt ergibt sich, dass die Gemeindewahlbehörde das Ergebnis der Wahl des Gemeinderates am 27.02.2022 kundgemacht hat. Die am 21.03.2022 zur Post gegebene Anfechtung erweist sich daher als rechtzeitig. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist die Anfechtung der Wahl zum Gemeinderat der Gemeinde Mutters vom 27.02.2022 zulässig. Die anfechtungswerbende Wählergruppe hat nach der Aktenlage auch einen Wahlvorschlag für die Wahl des Bürgermeisters der Gemeinde Mutters vom 27.02.2022 eingebracht, weshalb sie zur Anfechtung dieser Wahl legitimiert ist. Auch die übrigen Prozessvoraussetzungen sind erfüllt.
Das von der anfechtungswerbenden Wählergruppe verwendete Sonderzeichen "-" kann ein zulässiges "Zeichen" iSd §35 Abs3 lita TGWO 1994 sein. Insofern scheidet es im vorliegenden Fall aus, dem Zeichen "-" im Wahlvorschlag für die Wahl des Gemeinderates die Bedeutung eines Entfalls der zwingend erforderlichen Kurzbezeichnung beizumessen und formal vom Fehlen einer Kurzbezeichnung auszugehen. Allerdings folgt im Sinn des Verständnisses der Kurzbezeichnung als Abkürzung schon aus dem Wortsinn des Begriffs "Kurzbezeichnung" (der Wählergruppe) sowie aus dem in §35 Abs3 lita TGWO 1994 aufgestellten Gebot des Verwendens von "Worten" in der Bezeichnung der Wählergruppe und von "Großbuchstaben" in der Kurzbezeichnung, dass die Kurzbezeichnung nach dieser Bestimmung jedenfalls auch aus (Anfangs-)Buchstaben von Worten oder zumindest Wortteilen der Bezeichnung der Wählergruppe zu bestehen hat. Eine Kurzbezeichnung wie jene der anfechtungswerbenden Wählergruppe, die ausschließlich aus einem Zeichen besteht, das kein Buchstabe ist - und noch nicht einmal in der Bezeichnung der Wählergruppe vorkommt -, ist daher nach §35 Abs3 lita TGWO 1994 unzulässig. Dies zeigt sich auch darin, dass die im vorliegenden Fall gewählte Kurzbezeichnung "-" keinerlei Unterscheidungsfunktion hat und ihr Aufscheinen auf dem Stimmzettel sogar zu Missverständnissen und damit letztlich zu einer Beeinträchtigung des Grundsatzes der Freiheit der Wahl führen kann. Die Gemeindewahlbehörde hat daher den Wahlvorschlag der anfechtungswerbenden Wählergruppe für die Wahl des Gemeinderates gemäß §44 Abs1 litb iVm §35 Abs3 lita TGWO 1994 und daran anknüpfend jenen für die Wahl des Bürgermeisters gemäß §44 Abs2 litc leg cit zu Recht zurückgewiesen.
Nach §42 Abs1 TGWO 1994 hat die Gemeindewahlbehörde die bei ihr rechtzeitig eingelangten Wahlvorschläge für die Wahl des Gemeinderates und für die Wahl des Bürgermeisters "unverzüglich" dahingehend zu überprüfen, ob sie den Vorgaben des §35 bzw des §40 leg cit entsprechen und ob die vorgeschlagenen Wahlwerber wählbar sind. Die "unverzügliche" Mitteilung über formale Mängel des Wahlvorschlages soll der betroffenen Wählergruppe noch die Möglichkeit zur zeitgerechten Behebung des festgestellten Mangels geben. Die anfechtungswerbende Wählergruppe hat ihre Wahlvorschläge am 25.01.2022, somit drei Tage vor dem letzten Tag der Frist gemäß §35 Abs2 TGWO 1994 eingebracht. Der Gemeindewahlbehörde wären daher nur längstens zwei volle Tage geblieben, die Wahlvorschläge der anfechtungswerbenden Wählergruppe zu prüfen und sie auf Grund des festgestellten Mangels zurückzuweisen, um die anfechtungswerbende Wählergruppe in die Lage zu versetzen, zumindest noch am letzten Tag der Frist neue, mängelfreie Wahlvorschläge einzubringen.
Der Wahlbehörde kann kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie innerhalb einer so "kurzen Zeit die Prüfung nicht durchführen konnte" (VfSlg 2538/1953). Dabei hat der VfGH gerade nicht darauf abgestellt, ob diese Prüfung in der verbleibenden Zeit isoliert betrachtet möglich gewesen wäre, sondern darauf, dass die Wahlbehörde auch andere Wahlvorschläge zu prüfen hatte. Letzteres trifft auch im vorliegenden Fall zu: Neben den Wahlvorschlägen der anfechtungswerbenden Wählergruppe vom 25.01.2022 wurden noch Wahlvorschläge - jeweils für die Wahl des Gemeinderates und des Bürgermeisters - von drei weiteren Parteien am 27. und 28.01.2022 eingebracht. Eine zeitlich bevorzugte Prüfung von Wahlvorschlägen, die an nicht verbesserungsfähigen Mängeln leiden, scheidet schon insofern aus, als dies bereits die Prüfung des Wahlvorschlages voraussetzen würde. Eine allfällige Vorprüfung durch das Gemeindeamt bzw den Gemeindewahlleiter ist in §42 Abs1 TGWO 1994 nicht vorgesehen (der Gemeindewahlleiter hat nach dieser Bestimmung nur zum Zweck der Beurteilung der Wählbarkeit Strafregisterauszüge einzuholen). Über die Zulässigkeit der Wahlvorschläge entscheidet daher allein die Gemeindewahlbehörde. Daher ist es im vorliegenden Fall auch unerheblich, dass die anfechtungswerbende Wählergruppe am Tag nach der Einbringung ihrer Wahlvorschläge beim Gemeindeamt per E-Mail um Bestätigung der Einbringung und Rückmeldung ("falls etwas nicht korrekt ist oder fehlt") gebeten hat und das Gemeindeamt ihr eine Stunde später ebenfalls per E-Mail die Einbringung bestätigt, im Übrigen jedoch nur auf die Prüfung des Wahlvorschlages in der Sitzung der Gemeindewahlbehörde am 01.02.2022 verwiesen hat.
Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass die Beurteilung der Zulässigkeit einer Kurzbezeichnung eine intensive Prüfung durch die Wahlbehörde erfordert, insbesondere im Hinblick auf die Rechtsfolge einer Zurückweisung des Wahlvorschlages, die einen schwerwiegenden Eingriff in die Freiheit der Wahlwerbung darstellt und, sofern sie rechtswidrig erfolgt, bereits für sich genommen zu einer Aufhebung des Wahlverfahrens führen kann.
Vor diesem Hintergrund und angesichts des engen zeitlichen Rahmens, der für eine Entscheidung der Wahlbehörde noch vor Ablauf der Frist für die Einbringung der Wahlvorschläge verblieben wäre und der dadurch bedingt ist, dass die anfechtungswerbende Wählergruppe ihre Wahlvorschläge erst kurz vor Fristende eingebracht hat, kann der Gemeindewahlbehörde im vorliegenden Fall kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie ihre Entscheidung nicht bereits vor dem Ablauf dieser Frist getroffen hat. Die Entscheidung der Gemeindewahlbehörde ist damit "unverzüglich" iSd §42 Abs1 TGWO 1994 erfolgt.
Keine Verfassungswidrigkeit des §42 Abs2 TGWO 1994 betreffend die - nicht verbesserungsfähige - gesetzwidrige Kurzbezeichnung eines Wahlvorschlags:
Die Behauptung der Gleichheitswidrigkeit in Bezug darauf, dass ein solcher Mangel bei der Nationalratswahl nach §42 Abs1 NRWO verbesserungsfähig sei, geht schon deshalb ins Leere, weil die Ausgestaltung der Nationalratswahl gemäß Art26 Abs7 B-VG in die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers fällt, während die Ausgestaltung der Gemeinderats- sowie Bürgermeisterwahlen gemäß Art115 Abs2 iVm Art117 Abs2 B-VG in die Zuständigkeit des jeweiligen Landesgesetzgebers fällt. In einer zwischen Bund und Land unterschiedlichen wahlrechtlichen Regelung kann daher von vornherein keine Gleichheitswidrigkeit liegen. Soweit in der Anfechtung in diesem Zusammenhang ein Verstoß gegen Art95 Abs2 und Art117 Abs2 B-VG behauptet wird, ist dem zu entgegnen, dass nach dem in diesen Bestimmungen enthaltenen Homogenitätsprinzip die Landtags- und Gemeinderatswahlordnungen zwar den in Art26 Abs1 B-VG enthaltenen Grundsätzen, nicht aber den für die Wahlen zum Nationalrat geltenden einfachgesetzlichen Bestimmungen entsprechen müssen (VfSlg 19820/2013). Die Regelung zur Verbesserung eines Wahlvorschlages betrifft nicht die in Art26 Abs1 B-VG festgelegten "Bedingungen der Wählbarkeit" - also das passive Wahlrecht - sondern die Art der wahlwerbenden Teilnahme am Wahlverfahren, und ist somit nicht am Homogenitätsprinzip zu messen.
Ebenso wenig kann daher ein Verstoß gegen das Homogenitätsprinzip des Art117 Abs2 B-VG erkannt werden, wenn §42 Abs2 TGWO 1994 eine Regelung zur Verbesserung von Wahlvorschlägen vorsieht, die von jener für die Landtagswahl gemäß §32 Abs3 TLWO 2017 abweicht. Im Übrigen stellen die vom selben Landesgesetzgeber erlassenen Wahlordnungen einerseits zur Wahl des Landtages und andererseits zur Wahl des Gemeinderates sowie des Bürgermeisters im Rahmen der bundesverfassungsrechtlichen Vorgaben jeweils eigene Regelungssysteme dar, sodass auch sie nicht untereinander am Maßstab des Gleichheitsgrundsatzes gemessen werden können. Für die Übereinstimmung des §42 Abs2 TGWO 1994 mit dem Gleichheitsgrundsatz ist daher allein maßgeblich, ob sich diese Bestimmung innerhalb des Systems der TGWO 1994 als sachlich erweist. Bei der Regelung des Wahlverfahrens - im vorliegenden Fall bei der Regelung der Mängelbehebung im Zusammenhang mit Wahlvorschlägen für die Wahl des Gemeinderates und des Bürgermeisters - kommt dem Gesetzgeber jedoch ein Gestaltungsspielraum zu; ob die Regelung zweckmäßig ist, hat der VfGH nicht zu beurteilen.
Der Mangel einer nicht dem Gesetz entsprechenden Kurzbezeichnung betrifft den Wahlvorschlag in seiner Gesamtheit und ist ausschließlich der Wählergruppe selbst zuzurechnen. Vor diesem Hintergrund ist dem Gesetzgeber nicht entgegenzutreten, wenn er diesen Mangel - im Gegensatz zum Fehlen der in §42 Abs2 TGWO 1994 genannten Angaben, die jeweils nur im Zusammenhang mit einzelnen Personen und insbesondere deren Unterschriften stehen - als so schwerwiegend betrachtet, dass er ohne Verbesserungsauftrag nach §42 Abs1 leg cit zur Zurückweisung des Wahlvorschlages gemäß §44 Abs1 litb bzw Abs2 litc leg cit führt. Dabei ist im Hinblick auf die Pflicht der Wahlbehörde zur "unverzüglichen" Entscheidung gemäß §42 Abs1 leg cit auch zu berücksichtigen, dass nach der Zurückweisung eines Wahlvorschlages die Einbringung eines neuen, den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Wahlvorschlages möglich ist, sofern die Frist nach §35 Abs2 leg cit noch nicht abgelaufen ist. Insofern erweist es sich auch als sachlich, dass der Gesetzgeber die Versäumung dieser Frist auf Grund eines ausschließlich der Wählergruppe selbst zuzurechnenden Fehlers wiederum zu Lasten dieser Wählergruppe gehen lässt und damit im Ergebnis den Wählergruppen im zeitlichen Nahebereich vor dem Ablauf der Frist für die Einbringung von Wahlvorschlägen eine erhöhte Sorgfaltspflicht aufbürdet.
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