E1948/2018 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hat wiederholt entschieden, dass eine drohende Reinfibulation in Somalia nach dortigen Geburten als ein berücksichtigungswürdiger Umstand in einer Gesamtbetrachtung der individuellen Situation einer Asylsuchenden anerkannt wird, wenn auch das BVwG zugleich betont, dass es sich dabei um eine Zusatzbegründung für eine Asylzuerkennung handelt. In dieser Rsp wird auch angemerkt, dass Reinfibulationen in Somalia insbesondere für alleinstehende Frauen asylrelevant sein können auf Grund der Notwendigkeit der Beschneidung, um in Somalia einen Ehemann finden zu können.
Nach Einschätzung von UNHCR kann auch eine bereits vorgenommene weibliche Genitalverstümmelung eine asylrelevante Verfolgung begründen, sei es wegen schwerer, oft lebenslang schädigender Konsequenzen physischer und psychischer Art des ursprünglichen Eingriffes oder der Gefahr einer Vornahme weiterer Genitalverstümmelungen (anderer Form), etwa anlässlich einer Eheschließung oder Geburt eines Kindes.
Eine bereits vorgenommene Genitalverstümmelung rechtfertigt danach aber keinesfalls ohne weitere Ermittlungen die Annahme, dass die individuelle Situation der Beschwerdeführerin von vornherein nicht asylrechtlich relevant wäre und keine Beschneidung drohe.
Hinzu kommt, dass das BVwG in einer die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte der Beschwerdeführerin verletzenden Weise eine Auseinandersetzung mit dem Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin unterlässt. Die Begründung erschöpft sich in der Wiedergabe und dem Verweis auf die verwaltungsbehördlichen Erhebungen, ohne dass sich das BVwG eigenständig mit der Frage der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der alleinstehenden, in Somalia von einer Zwangsverheiratung bedrohten Frauen, insbesondere von Angehörigen eines Minderheitenclans, auseinandersetzt.