G393/2015 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Abweisung des Antrags des Verwaltungsgerichtes Wien auf Aufhebung der Wortfolge ", Aufträge zur Durchführung von Ersatzpflanzungen und nachträgliche Vorschreibung der Ersatzpflanzung" in §26 Z3 lita des Gesetzes über das Verwaltungsgericht Wien - VGWG, LGBl 83/2012 idF LGBl 45/2013.
Zulässigkeit des zweiten Eventualantrags; Präjudizialität in ausreichender Weise dargelegt; im Übrigen Zurückweisung des Antrags.
§26 Z3 lita VGWG knüpft nicht an konkrete Bestimmungen des Wr BaumschutzG an. Das antragstellende Gericht legt in nicht denkunmöglicher Weise dar, dass es bei der Beurteilung der dem Antrag zugrunde liegenden Beschwerde auch zu beurteilen haben wird, ob es sich um einen "Auftrag zur Durchführung von Ersatzpflanzungen" oder um "eine nachträgliche Vorschreibung der Ersatzpflanzung" im Sinne des Wr BaumschutzG handelt. Die Aufhebung nur einer der beiden - im Hauptantrag und im ersten Eventualantrag genannten - Wortfolgen in §26 Z3 lita VGWG hätte zur Folge, dass die Zuständigkeit des Rechtspflegers in Verfahren gemäß §7 Abs3 iVm §6 Wr BaumschutzG über die "nochmalige" Vorschreibung einer Ersatzpflanzung aus der jeweils bestehen bleibenden Wortfolge weiterhin erschließbar sein könnte.
Obgleich das antragstellende Gericht grundsätzliche Bedenken hinsichtlich der Eignung der von §26 Z3 lita VGWG umfassten Beschwerdeverfahren nach dem Wr BaumschutzG für eine Besorgung durch Rechtspfleger hegt, lassen sich mit hinreichender Deutlichkeit die gegen die angefochtene Wortfolge bestehenden Bedenken, nämlich die mangelnde Eignung der Übertragung von Beschwerdeverfahren über die Erteilung von Aufträgen zur Durchführung von Ersatzpflanzungen und die nachträgliche Vorschreibung der Ersatzpflanzung nach dem Wr BaumschutzG auf Rechtspfleger im Hinblick auf Art135a B-VG, entnehmen.
Vom Anwendungsbereich des Wr BaumschutzG umfasste Bäume dürfen gemäß §4 leg cit und den darin enthaltenen Voraussetzungen nur nach Erteilung einer behördlichen Bewilligung entfernt werden. Wird die Entfernung bewilligt, muss grundsätzlich eine Ersatzpflanzung durchgeführt werden (§6 leg cit). Die Durchführung der Ersatzpflanzung ist dem Magistrat anzuzeigen und nachzuweisen. Diese Pflicht zur Ersatzpflanzung gilt jedoch erst dann als erfüllt, wenn diese durch fünf Jahre hindurch keine Anzeichen von Schädigungen aufweist; anderenfalls ist eine nochmalige Ersatzpflanzung vorzuschreiben (§7 Abs3 iVm §6 leg cit). Eine nachträgliche Ersatzpflanzung ist dann vorzuschreiben, wenn ua der Grundeigentümer einen Baum entfernt oder die Erhaltungspflicht nach §2 leg cit verletzt hat (§14 leg cit). Das Ausmaß der Ersatzpflanzung und die Durchführung richtet sich nach den in §6 leg cit festgelegten Vorgaben. Obgleich diesen Verfahren verschiedene Fallkonstellationen zugrunde liegen können, laufen sie in einer regelmäßig vorgegebenen und vergleichbaren Weise ab; es liegt ihnen ein insgesamt sachlich eng begrenztes Rechtsgebiet zugrunde, in welchem sich weitestgehend vorhersehbare und in ihrem Umfang überschaubare Sach- und Rechtsfragen stellen (vgl VfGH 28.09.2015, G256/2015 ua). Dass derartige Anordnungen grundsätzlich in den Schutzbereich von Grundrechten eingreifen können, begründet entgegen der Ansicht des antragstellenden Gerichtes für sich keine Komplexität des Verfahrens, die die wesensmäßige Eignung zur Übertragung dieser Agenden an Rechtspfleger in Zweifel zieht. Auch die ausnahmsweise aufwändige Verfahrensführung in diesen Angelegenheiten vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern, da sie nicht das Wesen der Angelegenheit berührt.
Dass ausnahmsweise in einzelnen Verfahren komplexere Rechtsfragen - die insbesondere in Beschwerdeverfahren zu lösen sind - bzw Abweichungen von den grundsätzlich standardisierten Verfahren auftreten können, ändert nichts daran, dass die Angelegenheiten ihrem Wesen nach geeignet sind, auf Rechtspfleger übertragen zu werden (vgl VfSlg 19825/2013, VfGH 03.03.3015, G181/2014 ua, VfGH 28.09.2015, G256/2015 ua).
Anders als in Verwaltungsstrafverfahren stellen sich in den hier maßgeblichen Verfahren vorrangig Rechtsfragen, deren Sachverhaltsgrundlagen in der Regel auf Grund der Aktenlage beurteilt werden können, weshalb die Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch nicht immer zwingend geboten ist.
Kein Verstoß der bekämpften Bestimmung gegen Art135 Abs1 iVm Art135a Abs1 B-VG.