JudikaturVfGH

G111/2015 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
25. September 2015

Abweisung des Antrags des Bundesfinanzgerichtes (Außenstelle Feldkirch), soweit er sich gegen die Wortfolge "aus privaten Grundstücksveräußerungen (§30) und" in §29 Z2 EStG 1988 sowie gegen §30 und §30a EStG 1988 idF BGBl I 22/2012 (1. StabilitätsG 2012) richtet.

Zurückweisung des Antrags, soweit er sich gegen §30b und §30c leg cit richtet.

Dem antragstellenden Gericht ist insofern zu folgen, dass eine bloße Aufhebung der begünstigenden Regelung des §30 Abs4 EStG 1988 für den dem Anlassverfahren zugrunde liegenden Sachverhalt "geradezu kontraproduktiv wäre". In diesem Fall entfiele die durch die Pauschalregelung bewirkte Deckelung der Einkünfte nicht steuerverfangener Grundstücke mit 14% des Veräußerungserlöses und wären nach Abs3 tatsächlich höhere Einkünfte zu versteuern, sofern die Anschaffungskosten weniger als 86% des Veräußerungserlöses betragen.

Vor diesem Hintergrund kann den Bedenken des antragstellenden Gerichtes somit nur durch Aufhebung der Anordnung der Steuerpflicht für private Grundstücksveräußerungen Rechnung getragen werden, um die ertragsteuerliche Erfassung solcher Veräußerungen nicht steuerverfangener privater Grundstücke auszuschließen.

Der VfGH vermag jedoch nicht zu erkennen, dass auf Grundlage des festgestellten Sachverhaltes §30b und §30c EStG 1988 denkmöglich eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes bilden. Kein untrennbarer Zusammenhang mit §29 Z2, §30 und §30a EStG 1988.

Mit der Einbeziehung der zum 31.03.2012 - infolge bereits abgelaufener Spekulationsfrist - nicht steuerverfangenen Grundstücke greift der Gesetzgeber nicht rückwirkend in bestehende Rechtspositionen ein. Maßgeblicher Besteuerungstatbestand ist nämlich die Veräußerung in Form des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäftes. Da die Regelung Veräußerungen nach dem 31.03.2012 und somit Veräußerungen ab Inkrafttreten (vgl §124b Z215 EStG 1988) erfasst, knüpft sie nicht an die bereits vor Inkrafttreten verwirklichten Veräußerungsvorgänge geänderte, für den Steuerpflichtigen nachteilige Rechtsfolgen. Sie regelt vielmehr aus der zeitlichen Perspektive der Erlassung des Gesetzes die Rechtsfolgen für Veräußerungen ab dem Inkrafttreten der Regelung.

Der VfGH kann nicht erkennen, dass vor der mit dem 1. StabilitätsG 2012 erfolgten Einführung der Besteuerung privater Grundstücksveräußerungen eine Rechtslage bestanden hätte, bei der der Gesetzgeber bestimmte Verhaltensweisen gefördert hätte, die durch das 1. StabilitätsG 2012 mit Blick auf die dem Privatvermögen zuzurechnenden Grundstücke, die zum 31.03.2012 nicht steuerverfangen waren, entwertet wären.

Der Umstand, dass bis zum Inkrafttreten des 1. StabilitätsG 2012 Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht im Rahmen der Besteuerung des Einkommens zu erfassen waren, vermag nicht zu bewirken, dass auf den unveränderten Fortbestand dieser Rechtslage ein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen bestünde, und zwar auch dann nicht, wenn im Einzelfall die für das Bestehen einer Steuerpflicht relevante Frist bereits abgelaufen gewesen sein sollte. Die Tatsache, dass der Steuerpflichtige nach Ablauf einer bestimmten Frist nach Erwerb eines Grundstückes gemäß der jeweils maßgebenden Rechtlage - so wie die Beschwerdeführerin vor dem Bundesfinanzgericht (Außenstelle Feldkirch) möglicherweise auch über Jahrzehnte - davon ausgegangen ist, dass die Veräußerung des Grundstückes infolge Ablaufs dieser Frist keiner Ertragsteuerpflicht unterliegen werde, begründet für sich allein keine schutzwürdige Position, die einer in der vorgenommenen Weise erfolgten gesetzlichen Änderung verfassungsrechtliche Schranken setzen würde.

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