JudikaturVfGH

WI1/2015 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
18. Juni 2015

Stattgabe der Wahlanfechtung insoweit, als sie die Wahlsprengel 8, 14, 21 und 28 betrifft. Aufhebung des Verfahrens zur Wahl des Gemeinderates der Gemeinde Baden bei Wien am 25.01.2015 hins der Wahlsprengel 8, 14, 21 und 28 insoweit, als es der Veröffentlichung der Wahlvorschläge nachfolgt.

Zulässigkeit der Wahlanfechtung.

Der der Anfechtung gemäß Art141 Abs1 lita B-VG durch die Nö GRWO 1994 vorgelagerte administrative Rechtsweg wurde eingehalten. Die Landes-Hauptwahlbehörde hat der Beschwerde des zustellungsbevollmächtigten Vertreters der anfechtungswerbenden Partei gem §56 Nö GRWO 1994 mit Bescheid vom 10.03.2015, zugestellt am 11.03.2015, nicht stattgegeben. Die am 08.04.2015 beim VfGH eingebrachte Anfechtung erweist sich sohin als rechtzeitig.

Die Bestimmungen der §§40 ff Nö GRWO 1994 dienen dem Ziel, die Stimmabgabe zweifelsfrei zu dokumentieren und damit verbundene Unklarheiten möglichst zu beseitigen sowie eine nachvollziehbare Zuordnung der Stimmen zu den einzelnen Wahlparteien und die Überprüfbarkeit des Wahlverfahrens, insbesondere auch anlässlich einer Wahlanfechtung, sicherzustellen. Außergewöhnliche Vorkommnisse sind in der Niederschrift festzuhalten (§50 Abs1 litd Nö GRWO 1994).

Die Annahme sowohl in der Wahlanfechtung als auch in der Niederschrift der Sprengelwahlbehörde des Wahlsprengels 21 bzw der Gemeindewahlbehörde, dass die überzähligen Stimmzettel in den Wahlsprengeln 8 und 21 darauf zurückzuführen seien, dass in einem Wahlkuvert abgegebene Stimmzettel entgegen §49 Nö GRWO 1994 nicht untrennbar verbunden wurden, ist zwar - insbesondere angesichts der Zulässigkeit sowohl amtlicher als auch nichtamtlicher Stimmzettel (vgl §46 Nö GRWO 1994) - plausibel, letztlich aber nicht nachweisbar. Angesichts der Regelungen der Nö GRWO 1994, die es gerade ausschließen sollen, dass die Anzahl der Wähler, der Wahlkuverts und der Stimmzettel auseinanderfallen, ist bei dieser Sachlage jedoch offenkundig, dass es im Wahlverfahren betreffend die Wahlsprengel 8 und 21 zu Verletzungen der Bestimmungen der Nö GRWO 1994 über die Stimmabgabe und die Zuordnung der Stimmen gekommen ist.

Die Ursache für das Auseinanderfallen der jeweiligen Anzahl der Wähler, Stimmzettel und Wahlkuverts in den Wahlsprengeln 14 und 28 lässt sich für den VfGH zwar ebenso wenig nachvollziehen wie für die Sprengel- bzw die Gemeindewahlbehörde. Vor dem Hintergrund der Rechtslage besteht jedoch kein Zweifel daran, dass auch die in den Wahlsprengeln 14 und 28 festgestellten Unstimmigkeiten auf eine Verletzung der Bestimmungen der Nö GRWO 1994 über die Stimmabgabe und die Zuordnung der Stimmen zurückgeführt werden müssen. Die exakte Beurteilung, welche Bestimmung(en) der Nö GRWO 1994 nicht eingehalten wurde(n), kann somit dahinstehen.

Die Sprengelwahlbehörde des Wahlsprengels 27 hat in der Niederschrift (gem §50 Abs1 litd Nö GRWO 1994 vermerkt, dass ein Stimmzettel bzw Kuvert nicht in die Urne eingeworfen worden sei. Damit erklärt sich, dass die Zahl der Stimmzettel und der Wahlkuverts übereinstimmt, jedoch um eins kleiner ist als die Anzahl der ins Abstimmungsverzeichnis eingetragenen Wähler vermehrt um die Anzahl der gültigen Wahlkarten. Da jegliche Anhaltspunkte dafür fehlen, dass dieser Vermerk in der Niederschrift nicht den Tatsachen entspricht, und insbesondere keines der Mitglieder der Sprengelwahlbehörde die Unterschrift der Niederschrift verweigerte und auch in der Anfechtungsschrift nichts Gegenteiliges vorgebracht worden ist, besteht für den VfGH kein Anlass, diese Feststellung in der Niederschrift der Sprengelwahlbehörde in Zweifel zu ziehen. Ungereimtheiten bei der Zuordnung der Stimmzettel sind in diesem Wahlsprengel somit nicht aufgetreten.

Eine Korrektur der festgestellten Rechtswidrigkeit durch den Versuch einer "Rückabwicklung" scheidet nach Auffassung des VfGH aus.

Insbesondere vor dem Hintergrund des Wahlergebnisses, bei dem bereits die Reduktion der Parteisumme der Wählergruppe "Bürgermeister Kurt Staska - Volkspartei Baden (ÖVP)" um zwei Stimmen infolge einer allfälligen Ungültigkeit eine Änderung der Mandatsverteilung und die Reduktion um eine Stimme eine Losentscheidung hinsichtlich der Zuteilung des letzten Mandates (§53 Abs6 Nö GRWO 1994) zur Folge hätte, kann somit kein Zweifel daran bestehen, dass die aufgezeigte Rechtswidrigkeit in den Sprengeln 8, 14, 21 und 28 - jedenfalls in Zusammenschau dieser Sprengel - Einfluss auf das Wahlergebnis haben konnte.

Da sich nicht nachweisen lässt, ob die festgestellte Rechtswidrigkeit auf mittels Briefwahl oder vor der Wahlbehörde abgegebene Stimmen zurückzuführen ist, ist das Wahlverfahren in den Wahlsprengeln 8, 14, 21 und 28 zur Korrektur der festgestellten Rechtswidrigkeit insoweit aufzuheben, als es der Veröffentlichung der Wahlvorschläge nachfolgt, da frühestens ab diesem Zeitpunkt Wahlkarten ausgestellt werden konnten.

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