JudikaturVfGH

G194/2014 ua, V97/2014 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
11. März 2015

Zurückweisung der Anträge der Bayerischen Landesbank (Bayern LB) auf Aufhebung (von Bestimmungen) der Verordnung der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) über die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen gemäß §7 Abs2 iVm §3 und §4 Abs1 HaaSanG (HaaSanV), BGBl II 195/2014, (von Bestimmungen) des BG über Sanierungsmaßnahmen für die HYPO ALPE ADRIA BANK INTERNATIONAL AG (HaaSanG), BGBl I 51/2014, und (von Bestimmungen) des BG zur Schaffung einer Abbaueinheit (GSA), BGBl I 51/2014.

Die Antragstellerin hat beim Handelsgericht Wien eine Klage auf Leistung (eventualiter auf Feststellung) aus Pkt 5.6. des Aktienkaufvertrages gegen den Bund eingebracht. Soweit sich Anträge im vorliegenden Verfahren gegen Bestimmungen richten, die in dem Verfahren vor dem Handelsgericht Wien präjudiziell sind, bildet daher dieses Verfahren einen Weg, der der Zulässigkeit dieser Anträge im vorliegenden Verfahren vor dem VfGH entgegensteht.

Im Aktienkaufvertrag zwischen der Antragstellerin und dem Bund ist als Gerichtsstand für Streitigkeiten aus diesem Vertrag sachlich das für Handelssachen und örtlich das in Wien - Innere Stadt zuständige Gericht vereinbart. Wie im vorliegenden Verfahren von allen Parteien unbestritten dargelegt wurde, sind Gegenstand des vor dem Landgericht München I anhängigen Zivilprozesses "strittige Forderungen", Nachrangverbindlichkeiten und/oder Gesellschafterverbindlichkeiten iSd einschlägigen Bestimmungen des HaaSanG und der HaaSanV, nicht aber "Sicherheiten einschließlich Haftungen" iSv §3 Satz 2 HaaSanG. Um eine solche Sicherheit geht es nach dem Klagevorbringen im Verfahren zwischen der Antragstellerin und dem Bund vor dem Handelsgericht Wien.

Die hier in Rede stehenden, vom HaaSanG und der HaaSanV erfassten Forderungen der Antragstellerin sind auf zweierlei Art besichert: Zunächst ist in Pkt 5.6. des zwischen dem Bund und der Antragstellerin abgeschlossenen Aktienkaufvertrages eine Sicherstellungszusage seitens des Bundes für den Fall bestimmter Umstrukturierungsmaßnahmen vereinbart. Weiters gilt für die in Rede stehenden Forderungen die in §4 Krnt Landesholding-G (K-LHG) gesetzlich begründete Ausfallsbürgschaft der Kärntner Landesholding. Diese Sicherheiten sind vom zweiten Satz des §3 HaaSanG erfasst.

Da nach Pkt 5.6. des Aktienkaufvertrages der Bund die Sicherstellung der Rückzahlung der zum Zeitpunkt bestimmter Umstrukturierungsmaßnahmen aushaftenden, von der Antragstellerin der Hypo Alpe-Adria-Bank International AG gewährten Darlehen und Kreditlinien zusagt, sind im Verfahren vor dem Handelsgericht Wien sowohl Satz 2 als auch Satz 1 des §3 HaaSanG anwendbar, hängt nach diesen gesetzlichen Bestimmungen das Erlöschen der Sicherheiten doch von der Beurteilung (des Erlöschens) der in §2 Z2, 3, 4 und 5 letzter Satz HaaSanG definierten Sanierungsverbindlichkeiten, deren in §2 Z6 HaaSanG definierte bisherige Fälligkeit vor dem in §2 Z8 iVm Z7 definierten Stundungstag liegt, ab. Auch §1 der HaaSanV iVm den die Forderungen der Antragstellerin bezeichnenden Ziffern der Anlage 1 zur HaaSanV sind daher in diesem gerichtlichen Verfahren anzuwenden, um das Bestehen der der Sicherstellungszusage zugrunde liegenden Verbindlichkeiten zu beurteilen.

Besondere, außergewöhnliche Umstände, die trotz der offen stehenden Möglichkeit im Gerichtsverfahren das Recht auf Einbringung eines Individualantrages einzuräumen, sind im vorliegenden Fall nicht hervorgekommen. Die Höhe der Kosten des Gerichtsverfahrens begründet, wie das anhängige Gerichtsverfahren zeigt, einen solchen außergewöhnlichen Fall nicht. Am Charakter des Individualantrages als eines bloß subsidiären ('lückenschließenden') Rechtsbehelfes hat auch die mit Art140 Abs1 Z1 litd B-VG geschaffene Antragsmöglichkeit nichts geändert, tritt diese doch zur weiteren Gewährleistung von Rechtsstaatlichkeit neben die bei entsprechenden verfassungsrechtlichen Bedenken weiterhin bestehende grundsätzliche Antragsverpflichtung durch die (ordentlichen) Gerichte nach Art140 Abs1 Z1 lita B-VG. Soweit die Antragstellerin schließlich verschiedene Konstellationen im Hinblick auf von ihr als möglich erachtete Rechtswirkungen aus Art140 Abs7 Satz 2 B-VG erörtert, vermag sie damit keine für die Frage der Zulässigkeit eines Antrages nach Art140 Abs1 Z1 litc B-VG relevanten Aspekte aufzuzeigen.

Der Antragstellerin steht es aber auch offen, im Wege einer auf die Erfüllung von Ansprüchen aus der in §4 K-LHG begründeten Haftung der Kärntner Landesholding gerichteten Klage ein Gerichtsverfahren anzustrengen und auf diesem Weg ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die ein Erlöschen (bzw die Nichtausübung) dieser Sicherheit anordnenden Regelungen des HaaSanG und des GSA an den VfGH heranzutragen. Auch wenn bezüglich der Sicherheit nach §4 K-LHG zivilrechtlich keine Leistungs-, sondern nur eine Feststellungsklage zulässig sein sollte, kann der VfGH nicht finden, dass eine solche Feststellung - über die Möglichkeit, ihre Bedenken an den VfGH heranzutragen, hinaus - keinem rechtlichen Interesse der Antragstellerin dienen würde.

Anders als die Sicherstellungszusage des Bundes ist die Haftung der Kärntner Landesholding mit Sitz in Klagenfurt nicht vertraglich, sondern gesetzlich begründet. Dass ein (ausschließlicher) Gerichtsstand in Bezug auf die gesetzlich begründete Ausfallsbürgschaft zwischen der Antragstellerin und der Kärntner Landesholding ausdrücklich vereinbart worden sei, ist im Verfahren nicht hervorgekommen. Im Rahmenkreditvertrag bezüglich der von der Antragstellerin der Hypo Alpe-Adria-Bank International AG gewährten Darlehen wird in Bezug auf die mit diesem Vertrag begründeten Forderungen ausdrücklich festgehalten, dass es der Antragstellerin frei steht, die Hypo Alpe-Adria-Bank International AG vor anderen Gerichten als dem Landgericht München I zu klagen. Nach dem, der von der Antragstellerin gezeichneten, von der Hypo Alpe-Adria-Bank International AG emittierten Schuldverschreibung zugrunde liegenden Basisprospekt für ein Emissionsprogramm der Hypo Alpe-Adria-Bank International AG ist Frankfurt am Main als nicht ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart. Die aus der Ausfallsbürgschaft der Kärntner Landesholding erfließenden Ansprüche der Antragstellerin können von dieser daher auf dem Zivilrechtsweg vor dem in Österreich zuständigen Gericht geltend gemacht werden (Art4 Abs1 Verordnung [EU] Nr 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen [Neufassung], ABl 2012 L 351, 1 [EuGVVO]).

Da (Mit-)Anfechtung der einer Verordnung zugrunde liegenden gesetzlichen Ermächtigung durch Gerichte sowie durch Personen, die behaupten, unmittelbar durch die behauptete Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein, zulässig ist, wenn die (in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreifende) Verordnung bereits erlassen wurde und gemeinsam mit der Verordnungsermächtigung angefochten wird (siehe zB 15316/1998), besteht der dargelegte zumutbare Weg auch hinsichtlich der gegen §7 HaaSanG gerichteten Bedenken der Antragstellerin.

Auch die gegen §1 Abs4 GSA gerichteten Bedenken der Antragstellerin können in einem Verfahren vor den ordentlichen Gerichten zumutbar an den VfGH herangetragen werden.

Soweit sich die Antragstellerin §7 Abs1 erster und letzter Satz GSA richtet, steht ihr mit dem Antrag des Gläubigers, das Insolvenzverfahren zu eröffnen, weil er unter anderem glaubhaft macht, dass er eine - wenngleich nicht fällige - Insolvenzforderung hat, auch diesbezüglich ein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, ihre Bedenken an den VfGH heranzutragen.

Was schließlich §7 Abs3 GSA betrifft, so hat die Antragstellerin unter Bezugnahme auf das Verfahren vor dem Landgericht München I nicht in ausreichender Weise dargetan, inwieweit ihre Rechtsposition durch eine Regelung unmittelbar und aktuell betroffen ist, die die Frage der Sanierung iSd §14 Eigenkapitalersatz-G (EKEG) der Abbaueinheit (und nicht der Hypo Alpe-Adria-Bank International AG vor ihrer Umwandlung in eine solche) regelt. Insbesondere legt die Antragstellerin auch nicht im Einzelnen begründet dar, dass die Abbaueinheit HETA Asset Resolution AG ohne Anwendung der in §7 Abs3 GSA normierten Voraussetzungen als saniert iSd §14 EKEG anzusehen wäre.

Keine Darlegung von Bedenken im Einzelnen, soweit sich die Anträge gegen weitere Bestimmungen des HaaSanG bzw das HaaSanG zur Gänze, die HaaSanV zur Gänze und weitere Bestimmungen des GSA bzw das GSA zur Gänze richten.

(She auch G208/2014, V104/2014, und G210/2014, V106/2014, vom selben Tag).

Rückverweise