KR1/94 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Das verfassungsgerichtliche Verfahren über eine zwischen dem Rechnungshof und einem Rechtsträger iSd Art121 Abs1 B-VG durch Hinderung an der Vornahme eines Aktes der Gebarungsüberprüfung - sei es in der Zeit bis einschließlich 30.07.93, sei es nach diesem Tage - entstandene Meinungsverschiedenheit kann in Ermangelung einer anderes normierenden Übergangsregelung nur nach den geltenden verfahrensrechtlichen Vorschriften vor sich gehen.
Daß die rein prozessuale Norm des §36a VfGG idF BGBl. 510/1993 - da sich aus dem Gesamtinhalt des Gesetzes nichts anderes ergibt - insofern rückwirkende Kraft entfaltet, als sie auch auf Sachverhalte aus der Zeit vor ihrem Inkrafttreten Anwendung findet, ist - aus der Sicht dieses Falls - verfassungsrechtlich unbedenklich.
Der Verfassungsgerichtshof vertritt die Auffassung, daß §36a VfGG idF BGBl. 510/1993 zwar grundsätzlich (auch) auf früher verwirklichte Sachverhalte anzuwenden ist, aber nicht darüber hinaus den Inhalt hat, der Beginn des Laufs der neu eingeführten Frist könne rückprojiziert auch in den zeitlichen Geltungsbereich des alten Rechts fallen. Aus §36a Abs2 VfGG idF BGBl. 510/1993 ist das Gebot zu einer derartigen nachträglich-fiktiven Fristberechnung nicht zu entnehmen: Vielmehr muß dieser Gesetzesstelle unter Bedachtnahme auf den Zweck der Regelung der Inhalt beigemessen werden, daß sie mit ihrem Inkrafttreten für Meinungsverschiedenheiten, die in der Vergangenheit spielten, eine neue (einjährige) Antragsfrist eröffnet, die also in einem Fall wie dem vorliegenden (erst) mit 31.07.93 zu laufen beginnt.
In Stattgebung des Antrags wird festgestellt, daß der Rechnungshof gemäß Art121 Abs1 B-VG iVm Art126b Abs2, Art127 Abs3 und Art127a Abs3 B-VG sowie §12 Abs1 und §15 Abs1 iVm §16 (bzw §18 Abs1) RechnungshofG 1948 zuständig ist, die Gebarung der Anteilsverwaltung-Zentralsparkasse für die Zeit von 1990 bis 29.07.94 zu überprüfen.
Ob der Einfluß der Gemeinde Wien auf die (Unternehmenspolitik der) Anteilsverwaltung-Zentralsparkasse die Intensität einer (mindestens) 50 vH-Beteiligung erreicht, ist eine Frage der vergleichenden Bewertung und Gewichtung, die der Verfassungsgerichtshof schon im E v 15.03.93, KR 1/92, bejaht hatte und auch in Prüfung und Wägung der von der Antragsgegnerin vorgetragenen Argumente nicht anders zu beantworten vermag.
Es geht nicht an, all jene im Vorerkenntnis genannten rechtlichen Komponenten, die bei zusammenschauender Betrachtung und Wertung zur Bejahung der "Beherrschung" der Anteilsverwaltung-Zentralsparkasse durch die Gemeinde Wien in der Bedeutung der verfassungsrechtlichen Vorschriften über die Gebarungs- und Rechnungskontrolle (Art126b B-VG) führen, jeweils aus dem Zusammenhang gelöst nur für sich allein gelten zu lassen. Vielmehr ergibt sich die verfassungsgesetzlich vorausgesetzte "Beherrschung" des in Rede stehenden Rechtsträgers aus allen diesen - schon in dem mit E v 15.03.93, KR 1/92, abgeschlossenen Rechtsfall erwogenen und gewürdigten - Komponenten insgesamt.
Keine Bedenken gegen §36d VfGG idF BGBl 510/1993 unter dem Aspekt des Art7 Abs1 B-VG.
Die Ausführungsbestimmung des §36d VfGG idF BGBl. 510/1993 bezeichnet und umschreibt auf dem Boden der Verfassungsrechtslage lediglich jene Fälle, in denen es im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs eines zusätzlichen, bloß formal zu verstehenden Ausspruchs über die im Weg der gerichtlichen Exekution durchsetzbare Duldungsverpflichtung bedarf. Die beanstandete Einschränkung dieses Formalvorgangs auf Rechtsträger, die nicht Gebietskörperschaften sind, mag unzweckmäßig oder überflüssig sein, verfassungsrechtliche Bedenken gegen die in Rede stehende einfachgesetzliche Vorschrift ergeben sich aus der Sicht dieser Rechtssache aber schon deswegen nicht, weil dadurch keineswegs ausgeschlossen wird, gegen Gebietskörperschaften auf Grund von Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs gemäß Art126a B-VG Exekution zu führen.
(Ebenso: E v 16.03.95, KR 2/94:
In Stattgebung des Antrags wird festgestellt, daß der Rechnungshof gemäß Art121 Abs1 B-VG iVm Art126b Abs2, Art127 Abs3 und Art127a Abs3 B-VG sowie §12 Abs1 und §15 Abs1 iVm §16 (bzw §18 Abs1) RechnungshofG 1948 zuständig ist, die Gebarung der Bank Austria Aktiengesellschaft sowie der vormaligen Z-Länderbank Bank Austria Aktiengesellschaft bzw der Zentralsparkasse und Kommerzialbank Wien Aktiengesellschaft für die Zeit von 1988 bis 29.07.94 zu überprüfen.
Auf den Antrag der Bank Austria Aktiengesellschaft auf "Befassung des EuGH gemäß Art177 EGV" war allein schon deshalb nicht näher einzugehen, weil zum einen die aufgeworfenen Rechtsfragen bereits aus Gründen des Gemeinschaftsrechts selbst nicht entscheidungserheblich sind und zum anderen Gemeinschaftsrechtsnormen (Art6 und Art90 EG-Vertrag) hier überhaupt nur offensichtlich irrtümlich herangezogen wurden).