Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Nigl, die Richter Mag. Derbolav-Arztmann und Dr. Nowak sowie die fachkundigen Laienrichter Johannes Leitner und Rudolf Galko in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch die Urbanek Rudolph Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wider die beklagte Partei B* e.U. C* , **, vertreten durch die TWS Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen 1. Löschung (Streitwert EUR 17.600,-) und 2. EUR 1.000,- s.A., über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 12.9.2024, **–56, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 2.089,32 (darin EUR 348,22 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte ist Inhaberin des Modegeschäfts „B*“ in **. Die Klägerin war von 28.7.2021 bis 18.11.2021 im Ausmaß von 20 Stunden bei der Beklagten angestellt.
Die Klägerin begehrte zuletzt, die Beklagte zu verpflichten 1., die personenbezogenen Daten der Klägerin, insbesondere die in Beilage ./B abgebildeten, die einen integrierenden Bestandteil des Urteils bilde, zu löschen und der Klägerin davon Mitteilung zu erstatten, sowie 2., der Klägerin EUR 1.000,- samt 8,58 % Zinsen seit 20.5.2022 (an immateriellem Schadenersatz) zu bezahlen.
Sie brachte zusammengefasst vor, die Beklagte habe rechtswidrig Bildaufnahmen von der Klägerin aufgenommen, was einen Eingriff in deren Persönlichkeitsrechte darstelle. Die Videoüberwachung der Klägerin sei ohne ihre schriftliche Zustimmung erfolgt, womit die Voraussetzungen des § 10 AVRAG nicht erfüllt seien. Zudem sei die Überwachung nicht durch eine der in Art 6 Abs 1 DSGVO genannten Bedingungen gedeckt gewesen. Die Einwilligung der Klägerin habe sich ausschließlich auf den Schutz vor Diebstahl und unberechtigtem Zutritt zum Geschäftslokal bezogen, nicht jedoch auf die Überwachung ihrer Arbeitsleistung. Auch die Dauer der Speicherung der Bilddaten sei rechtswidrig. Gemäß § 13 Abs 3 DSG seien Bilddaten spätestens nach 72 Stunden zu löschen, wenn sie für den ursprünglichen Zweck nicht mehr erforderlich seien. Die Beklagte habe gegen diese Vorschrift verstoßen, indem sie Bildmaterial der Klägerin vom 17.11.2021 auch nach diesem Zeitraum weiterhin aufbewahrt habe. Darüber hinaus habe die Beklagte mit den Bildaufnahmen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin gemäß § 16 ABGB sowie ihr Recht am eigenen Bild nach § 78 UrhG verletzt. Die systematische und identifizierende Überwachung der Klägerin stelle einen unzulässigen Eingriff in ihre Privatsphäre dar, die durch Art 8 EMRK besonders geschützt sei.
Die Beklagte wandte zusammengefasst ein, dass die Klägerin über die Videoüberwachung in Kenntnis gesetzt worden sei und sie sich mit Vereinbarung vom 28.7.2021 mit der Videoüberwachung einverstanden erklärt habe. Die Videoüberwachung sei überdies gemäß Art 6 Abs 1 lit f DSGVO gerechtfertigt, zumal dies dem Schutz des Geschäftsbetriebs diene und deshalb ein überwiegendes berechtigtes Interesse der Beklagten vorliege. Eine Speichermöglichkeit sei nicht etabliert worden sei. Lediglich am 17.11.2021 habe die Beklagte fünf „Screenshots“ vom Lifestream der Videoüberwachung angefertigt, die einzig dem Beweis der mangelhaften Arbeitsleistung der Klägerin im Verfahren zu GZ ** des LG St. Pölten gedient hätten. Unmittelbar nachdem diese zum Gerichtsakt genommen worden seien, seien sie von der Beklagten gelöscht worden. Eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild gemäß § 78 UrhG liege nicht vor, da keine öffentliche Verbreitung stattgefunden habe, überdies sei die Klägerin ausschließlich von hinten zu sehen und nicht erkennbar gewesen.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klagebegehren ab.
Auf den auf den Urteilsseiten 4 bis 6 festgestellten Sachverhalt wird verwiesen.
Rechtlich folgerte das Erstgericht, der Schutzbereich des § 78 UrhG (Recht am eigenen Bild) sei nicht betroffen: Nach § 78 Abs 1 UrhG dürfe das Bildnis einer Person nur mit deren Zustimmung verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Eine Verletzung dieses Rechts liege vor, wenn eine Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung ohne Rechtfertigung erfolge. Die bloße Herstellung von Bildnissen falle nicht unter den Schutzbereich des § 78 UrhG, da dieser primär auf den Schutz vor ungerechtfertigter Veröffentlichung abziele. Die Screenshots von der Beklagten seien nicht veröffentlicht oder verbreitet, sondern ausschließlich zu Beweiszwecken im arbeitsrechtlichen Kontext verwendet worden. Darüber hinaus sei die Klägerin darauf lediglich aus der Rückenansicht zu sehen und ihr Gesicht nicht erkennbar. Eine Identifizierung durch Dritte sei somit ausgeschlossen.
Zur Zulässigkeit der Videoüberwachung: Gemäß § 12 Abs 2 DSG sei die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Videoüberwachung nur dann zulässig, wenn ein berechtigtes Interesse bestehe und die Verarbeitung verhältnismäßig sei. Die Beklagte habe ein legitimes Interesse daran, die Kundenfrequenz zu kontrollieren und Diebstählen vorzubeugen. Dieses Interesse sei in der von Klägerin unterzeichneten, schriftlichen Vereinbarung vom 28.7.2021 festgehalten. Zudem sei auf die Videoüberwachung durch einen Aufkleber an der Eingangstür hingewiesen worden. Es liege in der Natur der Sache, dass bei zufällig bei dieser Überwachung festgestelltem Fehlverhalten der Klägerin dieser Screenshot als Beweismittel im Gerichtsverfahren Verwendung finden dürfe. Dass dies in Punkt 2. der Vereinbarung vom 28.7.2021 nicht explizit festgehalten sei, schade nicht.
Zur Verarbeitung personenbezogener Daten: Gemäß Art 6 Abs 1 lit f [DSGVO] sei die Verarbeitung von personenbezogenen Daten, „zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen“, rechtmäßig. Die Verarbeitung dieser klagsgegenständlichen Daten („Screenshots“) durch die Beklagte habe ausschließlich dem gerichtlichen Nachweis der (im rechtskräftigen Urteil zu ** letztendlich bestätigten) mangelhaften Arbeitsleistung der Klägerin gedient und daher ein berechtigtes Interesse dargestellt. Die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Klägerin überwögen nicht, zumal die angefertigten Screenshots die Klägerin lediglich aus der Rückenansicht zeigten, ohne dass ihr Gesicht erkennbar sei. Es handle sich somit um eingeschränkt personenbezogene Daten, da eine Identifizierung nur unter Einbeziehung weiterer Informationen möglich sei.
Zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen: Die Screenshots seien in einer konkreten Arbeitssituation erstellt worden, in der die Klägerin ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt gehabt habe. Die Maßnahme habe ausschließlich der Dokumentation dieser Pflichtverletzung gedient und sei auf das notwendige Mindestmaß beschränkt gewesen. Eine Speicherung oder Verbreitung der Bilder über den genannten Zweck hinaus sei nicht erfolgt. Darüber hinaus seien die Screenshots nach Abschluss des Verfahrens gelöscht worden.
Die Klägerin habe der Videoüberwachung ausdrücklich zugestimmt gehabt und sei über den Umfang, die Art und Zweck der Überwachung der Verkaufsräumlichkeiten informiert gewesen. Der Umstand, dass keine Aufzeichnungen vorgenommen würden, sondern lediglich eine Echtzeitüberwachung möglich gewesen sei, sei klar kommuniziert worden. Eine unzulässige Bildaufnahme gemäß § 12 Abs 4 Z 2 [DSG] liege daher nicht vor.
Die Videoüberwachung sowie die Anfertigung der Screenshots hätten nicht in unverhältnismäßiger Weise in die Persönlichkeitsrechte der Klägerin eingegriffen. Da weder das Gesicht noch andere eindeutige Merkmale der Klägerin erkennbar gewesen seien, und die Maßnahme auf den arbeitsvertraglichen Kontext beschränkt gewesen sei, liege kein schwerwiegender Eingriff vor. Das berechtigte Interesse der Beklagten überwiege. Es sei synoptisch sohin kein schwerwiegender Eingriff in Persönlichkeitsrechte der Klägerin vorgelegen.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt .
Mit der Beweisrüge bekämpft die Berufungswerberin folgende Feststellung: „… Am 31.8.2022 wurden die Screenshots vom Handy der Beklagten gelöscht (./4).“
Begehrt wird stattdessen folgende Feststellung: „Eine Löschung der klagsgegenständlichen Daten auf dem Smartphone der Beklagten im Sinne einer Unkenntlichmachung der Daten, sodass diese mit üblichen Verfahren nicht wieder ausgelesen werden können, konnte aufgrund des Löschprotokolls vom 31.8.2022 (./4) nicht festgestellt werden.“
Das Erstgericht hat die bekämpfte Feststellung auf die Beilage./4 (Löschungsprotokoll) gestützt - wie in Klammer im festgestellten Sachverhalt angeführt -, die es für schlüssig und nachvollziehbar erachtete (sh Beweiswürdigung). In dieser Urkunde werden sowohl das Datum als auch die Löschung festgehalten, was auch nicht im Widerspruch zu dem vom Erstgericht eingeholten videotechnischen Sachverständigengutachten steht. Darüber hinaus hielt der erstgerichtliche Senat aber auch – wie in der Beweiswürdigung dargetan – die Aussagen der Beklagten und ihres als Zeugen einvernommenen Gatten – nicht zuletzt aufgrund seines unmittelbaren persönlichen Eindrucks – für schlüssig und glaubhaft. Daran vermag die Berufungswerberin keine hinreichenden Bedenken zu erwecken. Die Beklagte schilderte nicht nur – wie die Berufung meint - sie habe die Fotos der Klägerin am 31.8.2022 aus der Galerie ihre Smartphones gelöscht, indem sie auf den Mistkübel gedrückt habe. Sie gab auch – durchaus lebensnah - an, ein neues Handy gekauft, das alte weitergegeben zu haben, das von ihrem Mann auf Werkseinstellungen zurückgesetzt worden und, dass auf dem Handy nichts mehr drauf gewesen sei (S 7 in ON 34). Dies wurde auch von ihrem Mann bestätigt (S 3 in ON 44).
Die Beklagte bekämpft mit der Berufungsbeantwortung folgende Feststellung: „Mittels App kann und konnte jedoch auf die Kameras zugegriffen werden und so die Echtzeitüberwachung eingesehen werden. Es kann nicht festgestellt werden, dass dabei eine Aufzeichnungsmöglichkeit des Videostreams bestanden hätte. Es konnten lediglich „Screenshots“ vom Videolifestream angefertigt werden.“
Sie begehrt statt dessen folgende Ersatzfeststellung: „Mittels App kann und konnte jedoch auf die Kameras zugegriffen werden und so die Echtzeitüberwachung eingesehen werden. Eine Aufzeichnung des Videolifestreams ist nicht erfolgt. Es konnten lediglich „Screenshots“ vom Videolifestream angefertigt werden.“
Damit steht aber die bekämpfte Feststellung im Ergebnis ohnehin nicht im Widerspruch zur ersatzweise begehrten, zumal sich schon aus der vom Erstgericht getroffenen Feststellung, wonach lediglich „Screenshots“ vom Videolifestream angefertigt werden konnten, ergibt, dass eine Aufzeichnung des Videolifestreams nicht erfolgt ist .
Das Berufungsgericht übernimmt daher die Feststellungen des Erstgerichts und legt sie seiner Entscheidung zu Grunde.
Zur Rechtsrüge meint die Berufungswerberin zusammengefasst, dem Löschungs- und dem Schadenersatzanspruch sei stattzugeben.
Die Videoüberwachung sowie die Speicherung von Bildverarbeitungsdaten sei rechtswidrig gewesen, da sie in die Überwachung nur zu ihrem Schutz bzw zum Schutz der Beklagten vor Diebstahl und unberechtigten Zugang zum Geschäftslokal eingewilligt habe, aber nicht in eine Überprüfung ihrer Arbeitsleistung.
Darüber hinaus habe die Beklagte die Bildaufnahmen von der Klägerin gesetzwidrig unverhältnismäßig und länger als 72 Stunden aufbewahrt. Für den Zweck, für den sie ermittelt worden seien, seien sie nicht mehr benötigt worden, eine andere gesetzlich vorgesehene Aufbewahrungspflicht habe nicht bestanden (§ 13 Abs 3 DSG).
Die Videoüberwachung als Kontrollmaßnahme des Arbeitnehmers berühre die Menschenwürde und sei nur mit schriftlicher Zustimmung des Arbeitnehmers zulässig. Die Videoüberwachung sei datenschutz- und betriebsverfassungsrechtlich rechtswidrig gewesen und erfülle keine der Bedingungen in Art 6 Abs 1 DSGVO. Die Beklagte habe die Klägerin infolgedessen auch in ihrer Privatsphäre verletzt.
Auch habe die Beklagte mit den Aufnahmen von der Klägerin deren Persönlichkeitsrechte iSd § 16 ABGB sowie deren Recht am eigenen Bild nach § 78 UrhG verletzt. Die Bildaufnahmen der Beklagten von der Klägerin seien nach stRspr als fortdauernde und unerwünschte Überwachung und Verfolgung zu qualifizieren, die eine Verletzung des durch Art 8 EMRK geschützten Persönlichkeitsrechts auf Achtung des Privatbereichs und der Geheimsphäre eines Menschen begründeten und auch vor diesem Hintergrund rechtswidrig. Die Beklagte habe durch die in Beilage ./B dokumentierte Videoüberwachung die Klägerin rechtswidrig und schuldhaft in deren Privatsphäre verletzt.
Die Anfertigung und Verwendung der Videoaufnahmen der Beklagten sei nicht zur Verteidigung von Rechtsansprüchen gerechtfertigt gewesen.
Der Eingriff der Beklagten in das Privatleben der Klägerin durch die systematische Videoüberwachung sei jedenfalls erheblich, zumal die nunmehr veröffentlichten Aufnahmen der Klägerin sie bei einem privaten Verhalten während der Arbeitszeit (Nutzung des Smartphones) zeigten und geeignet seien, sie in der Öffentlichkeit bloßzustellen. Die Klägerin sei durch die Aufnahmen bloßgestellt, zumal diese den unrichtigen Eindruck erwecken würden, die Klägerin hätte während ihrer Dienstverrichtung nur mit dem Smartphone hantiert. Dass die Klägerin die Bloßstellung durch die veröffentlichten Aufnahmen zurecht als intensiven und erheblichen Eingriff in ihre Privatsphäre erachte, leite sich insbesondere daraus ab, dass die Beklagte nicht einmal zur Löschung der Aufnahmen bereit sei. Die Klägerin habe mit der Ungewissheit zu leben, dass die Beklagte allenfalls noch weitere, rechtswidrige Aufnahmen von ihr besitze, die geeignet seien, sie bloßzustellen, was sie mental belaste.
Vermisst würden Feststellungen zur Schadenshöhe und dazu, wie die Beklagte die Daten der Klägerin gelöscht habe und ob sohin eine Löschung gemäß Art 17 DSGVO erfolgt sei, die eine Unkenntlichkeit der Daten zur Folge hatte.
Die Berufungsausführungen überzeugen nicht, vielmehr ist auf die zutreffende rechtliche Beurteilung des Erstgerichts zu verweisen, das sich mit den geltend gemachten Anspruchsgrundlagen im Einzelnen auseinandersetzte (§§ 2 Abs 2 ASGG, 500a zweiter Satz ZPO). Lediglich ergänzend ist der Berufung Folgendes entgegen zu halten:
Fest steht, dass zwischen den Parteien eine „Vereinbarung über die Videoüberwachung von Betriebsräumlichkeiten“ (./2) schriftlich getroffen worden war, mit der die Klägerin über die im Bereich der Verkaufsräumlichkeiten angebrachten Kameras und deren Zweck zur Kontrolle der Kundenfrequenz und des Schutzes vor Diebstahl und unberechtigtem Zugang informiert wurde. Diese schriftliche Vereinbarung wird auch von der Berufung nicht bezweifelt. Bei einer solchen Videoüberwachung war denklogisch im Ergebnis auch eine gewisse Überwachung der Klägerin als Arbeitnehmerin (im Kamerabereich) möglich bzw auch gar nicht zu verhindern. Der Klägerin war auch die Tatsache der Installation der Videokameras, deren Positionen und deren fallweise Verwendung während des gesamten Dienstverhältnisses stets bekannt und bewusst. Dass die Klägerin gegen diese Verwendung, nämlich die fallweise tatsächliche Echtzeitüberwachung der Geschäftsräumlichkeiten während ihrer Anwesenheit durch die Dienstgeberin, Einwände gehabt hätte, konnte nicht festgestellt werden.
Fest steht auch, dass es sich bei diesem Videoüberwachungssystem um Kameras handelt, die über eine App und WLAN angesprochen werden und deren Aufnahmewinkel ferngesteuert werden können, sodass sie im Wesentlichen das gesamte Geschäftslokal überdecken. Eine Aufzeichnung von Videodaten war (mangel dafür erforderlicher Speicherkarten) unmöglich. Mittels App kann und konnte jedoch auf die Kameras zugegriffen werden und so die Echtzeitüberwachung eingesehen werden. Es konnten lediglich „Screenshots“ vom Videolifestream angefertigt werden. Die Beklagte nutzte die Möglichkeit der Beobachtung des Videolifestreams, um die Kundenfrequenz von Zeit zu Zeit zu überwachen; dies sohin entsprechend der schriftlich mit der Klägerin getroffenen Vereinbarung. Am 17.11.2021 zwischen 16:00 Uhr und 17:00 Uhr stellte sie fest, dass die Klägerin über den Tisch lehnend ihr Handy verwendete und nicht ihre Arbeit verrichtete. Daraufhin erstellte die Beklagte über die App fünf Screenshots, um die mangelhafte Arbeitsleistung der Klägerin beweisen zu können. Die Screenshots zeigen die Beklagte aus der Rückenansicht, ihr Gesicht kann dabei nicht erkannt werden (./B und ./3). Diese Screenshots wurden auf dem Handy der Beklagten gespeichert, im Zuge des Verfahrens ** des LG St. Pölten am 7.4.2022 dem Gericht vorgelegt und am 31.8.2022 – sohin bei noch anhängigem Verfahren - vom Handy der Beklagten gelöscht.
Dass die Beklagte diese Screenshots außerhalb der beiden von der Klägerin angestrengten gerichtlichen Verfahren zum Einsatz gebracht hätte oder dies noch könnte, lässt sich aus den Feststellungen sohin gerade nicht ableiten.
Anders als in der von der Berufung zitierten Entscheidung des Berufungsgerichts zu 10 Ra 92/22f stimmte hier die Klägerin der Videoüberwachung, auf die darüber hinaus an der Eingangstür des Geschäftslokals mit einem Aufkleber hingewiesen wurde, zuvor ausdrücklich schriftlich zu. Ihr waren auch die Installation der Videokameras, deren Positionen und deren fallweise Verwendung während des gesamten Dienstverhältnisses stets bekannt und bewusst. Darüber hinaus erstreckte sich die Videoüberwachung nur auf die Verkaufsräumlichkeiten.
In dieser zitierten Entscheidung wurde zutreffend ausgeführt, dass unter den Begriff der Privatsphäre iSd § 1328a Abs 1 ABGB der (höchst-)persönliche Lebensbereich eines Menschen fällt, der nur einem eingeschränkten Personenkreis bekannt ist und üblicherweise nicht einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird ( Reischauer in Rummel 4 § 1328a Rz 3; Hinteregger in Kletečka/Schauer , ABGB-ON1.04 § 1328a Rz 2; vgl RS0125721). Einen Anhaltspunkt für die Auslegung des Begriffs „Privatsphäre“ kann der verwandte Begriff des „Privatlebens“ in Art 8 Abs 1 EMRK bieten ( Wittwer in Schwimann , ABGB-Takom 5 § 1328a Rz 3; Danz l in KBB 6 § 1328a ABGB Rz 3, je mwN). Die „persönlichen Rechte“ sind absolute Rechte und genießen als solche Schutz gegen Eingriffe Dritter (RS0008999). Nach herrschender Auffassung sind auch im Arbeitsverhältnis die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Dies ergibt sich insbesondere aus §§ 16, 1157 ABGB und § 18 AngG ( Grünanger , Videoüberwachung im Betrieb, ARD 6467/5/2015; vgl 9 ObA 109/06d; 9 ObA 95/08y; 9 ObA 82/15x ua).
Die Menschenwürde wird von einer Kontrollmaßnahme oder einem Kontrollsystem dann „berührt“, wenn dadurch die vom Arbeitnehmer in den Betrieb miteingebrachte Privatsphäre kontrolliert wird. Von der Privatsphäre abgesehen kann aber auch durch die Kontrollintensität der Arbeitsleistung und des arbeitsbezogenen Verhaltens des Arbeitnehmers eine Berührung der Menschenwürde bewirkt werden, und zwar vor allem dann, wenn diese Kontrolle in übersteigerter Intensität organisiert wird und jenes Maß überschreitet, das für Arbeitsverhältnisse dieser Art typisch und geboten ist (9 ObA 109/06d; 9 ObA 23/15w).
Das Berufungsgericht ging sodann auch dort davon aus, dass der beklagte Trafikant jedenfalls ein gerechtfertigtes Interesse am Schutz seines Eigentums habe und auch die Kontrolle seiner Arbeitnehmer allenfalls eine (eingeschränkte) Videoüberwachung rechtfertigen könne, nicht jedoch die Überwachung im Büroraum, in dem die Mitarbeiter ihre Pausen verbrachten, sodass die Überwachung in diesem Raum – anders als im vorliegenden Fall - ausschließlich deren Privatsphäre erfasste.
Soweit die Berufung eine rechtliche Beurteilung vermisst, warum dem Löschungsbegehren nicht stattzugeben gewesen sei, übergeht sie die Feststellung, dass die inkriminierten Screenshots am Handy der Beklagten bereits gelöscht wurden.
Abgesehen davon, dass die Beklagtenvertretung nicht Partei des Verfahrens ist, hat die Klägerin die inkriminierten Screenshots im vorliegenden Verfahren selbst als Urkunden vorgelegt (./B).
Insgesamt erweist sich die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts auf Basis der getroffenen Feststellungen als nicht korrekturbedürftig, sodass der Berufung kein Erfolg beschieden sein konnte. Weiterer Feststellungen bedarf es nicht.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet sich auf §§ 2 Abs 1 ASGG, 40, 51 ZPO.
Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil eine Rechtsfrage von der im § 502 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG geforderten Qualität nicht zur Beurteilung vorlag.
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