JudikaturOLG Wien

18Bs247/25t – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
15. September 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Frohner als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Lehr und Mag. Primer als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A*wegen vorläufigen Absehens vom Strafvollzug wegen Einreiseverbotes oder Aufenthaltsverbotes nach § 133a StVG über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 24. August 2025, GZ **-4.1, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der am ** in **/Moldawien geborene moldawische Staatsangehörige A*verbüßt in der Justizanstalt Hirtenberg eine über ihn mit Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 17. Mai 2024, rechtskräftig 22. Mai 2024, AZ **, wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls teils durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und Z 2, Abs 2 Z 1, 130 Abs 2 zweiter Fall, 15 StGB verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren und zehn Monaten. Das errechnete Strafende fällt auf den 2. September 2027. Die zeitlichen Voraussetzungen einer bedingten Entlassung gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG werden ab 2. Oktober 2025 vorliegen, jene nach 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG ab 22. Mai 2026.

Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Landesgericht Wiener Neustadt als zuständiges Vollzugsgericht – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft (ON 1.2) - den Antrag des Strafgefangenen auf vorläufiges Absehen vom Strafvollzug gemäß § 133a StVG (ON 2) zum Hälftestichtag aus generalpräventiven Erwägungen ab.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die fristgerechte Beschwerde des A* (ON 5), der keine Berechtigung zukommt.

Hat ein Verurteilter die Hälfte der Strafzeit, mindestens aber drei Monate verbüßt, so ist nach § 133a Abs 1 StVG vom weiteren Vollzug der Strafe vorläufig abzusehen, wenn gegen ihn ein Einreise- oder Aufenthaltsverbot besteht (Z 1), er sich bereit erklärt, seiner Ausreiseverpflichtung in den Herkunftsstaat unverzüglich nachzukommen und zu erwarten ist, dass er dieser Verpflichtung auch nachkommen wird (Z 2) und der Ausreise keine rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse entgegenstehen (Z 3). Hat ein Verurteilter die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel einer Freiheitsstrafe verbüßt, so ist trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs 1 solange nicht vorläufig vom weiteren Vollzug der Strafe abzusehen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzugs bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken (Abs 2 leg.cit).

In Bezug auf den Strafgefangenen besteht eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung und ein sechsjähriges Einreiseverbot (ON 3.8), er erklärte sich auch bereit, seiner Ausreiseverpflichtung umgehend nachzukommen (ON 3.3); Anhaltspunkte dafür, dass er dieser Verpflichtung nicht nachkommen werde, liegen nicht vor. Auch stehen der Ausreise des Beschwerdeführers nach dem Akteninhalt weder tatsächliche noch rechtliche Hindernisse entgegen.

Die Anwendung des § 133a StVG schon nach der Hälfte der Strafzeit kommt jedoch aus generalpräventiven Erwägungen (Tatschwere) nicht in Betracht.

Nach dem zusammengefassten Inhalt des Schuldspruchs (ON 3.9) hat der Strafgefangene im bewussten und gewollten Zusammenwirken und in arbeitsteiliger Vorgehensweise mit einem unbekannten Mittäter zwischen 21. April 2022 und 2. November 2023 in ** und andernorts, in fast 80 Angriffenden im Spruch angeführten Berechtigten fremde bewegliche Sachen in einem Gesamtwert von 64.526,21 Euro großteils durch Einbruch in ein Gebäude, teils durch Aufbrechen eines Behältnisses, teils durch Einbruch in eine Wohnstätte (verursachte Sachschäden zumindest 352.016,48 Euro), mit dem Vorsatz weggenommen bzw wegzunehmen versucht, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er bereits zwei solche Taten begangen hat und die Taten in der Absicht ausführte, sich durch die wiederkehrende Begehung von Einbruchsdiebstählen (§ 129 Abs 1 Z 1 oder Z 2 StGB) eine längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen.

Das zu prüfende Kriterium der Tatschwere ist aufgrund des Ausnahmecharakters restriktiv auszulegen (vgl Birklbauer, SbgK § 46 Rz 73) und stellt auf den sozialen Störwert (die kriminelle Bedeutung [RIS-Justiz RS0091863]) einer Tat ab, der durch Handlungs- und Erfolgsunwert determiniert wird. Die Verweigerung des vorläufigen Absehens vom Strafvollzug wegen Einreiseverbots oder Aufenthaltsverbots aus generalpräventiven, sich aus der Schwere der Taten ergebenden Gründen setzt gewichtige Umstände voraus, welche sich aus Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig vorkommenden Begleiterscheinungen strafbaren Verhaltens auffallend abheben. Dabei ist nicht nur der bloße Abschreckungseffekt bei potentiellen Tätern, sondern (im Sinne positiver Generalprävention) auch das Interesse an der Festigung genereller Normtreue in der Bevölkerung zu beachten. Diese Aspekte generalpräventiver Natur müssen aus der Schwere der Taten ableitbar sein ( Jerabek/Ropper, WK² StGB § 46 Rz 16; Pieber, WK² StVG § 133a Rz 18). Bezugspunkt der generalpräventiven Erforderlichkeitsprüfung ist somit nicht nur die auf die Anlasstaten angewendete rechtliche Kategorie, sondern es sind auch die konkreten tatsächlichen Umstände zu berücksichtigen.

Mit Normierung eines Strafrahmens der dem Strafvollzug zugrunde liegenden Verurteilung von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bringt der Gesetzgeber zunächst eine Vorbewertung zum Ausdruck, wonach das Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls teils durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und Z 2, Abs 2 Z 1, 130 Abs 2 zweiter Fall StGB einen hohen sozialen Störwert aufweist. Vorliegendenfalls reiste der Strafgefangene mit seinem Komplizen eigens zur fortgesetzten Begehung von professionellen Eigentumsdelikten nach Österreich ein, verübte hier in vergleichsweise kurzer Zeit (rund eineinhalb Jahre) ca 80 Taten, womit nicht nur eine hohe Beute erzielt wurde, sondern auch ein immenser Sachschaden von rund 350.000 Euro einherging. Damit liegen insgesamt Umstände vor, die sich aus Sicht der Allgemeinheit von regelmäßig vorkommenden, weniger organisierten (Einbruchs)Diebstählen deutlich und auffallend abheben und nach den oben dargelegten Kriterien insgesamt eine Schwere der Tat begründen, die im Sinne des § 133a StVG aus generalpräventiven Gründen ausnahmsweise des Vollzugs über die Hälfte der Strafzeit hinaus bedarf, um potenzielle Nachahmungstäter aus dem Verkehrskreis des Verurteilten von der Begehung gleichartiger strafbarer Handlungen abzuhalten und die generelle Normtreue zu festigen.

Gerade bei dieser Art der Kriminalität bedarf es dringend einer konsequenten Strafverfolgung, um der Allgemeinheit die soziale Unerwünschtheit derartiger strafbarer Handlungen aufzuzeigen und diese Kriminalitätsform erfolgreich bekämpfen zu können. Hingegen würde ein stark verkürzter Strafvollzug dazu führen, dass Personen aus dem Umfeld des Verurteilten mit einem frühestmöglichen Absehen vom weiteren Strafvollzug rechnen, wodurch die Hemmschwelle zur Straffälligkeit leichter überwunden würde als bei einem die Proportionen von Schuldgehalt und Strafhöhe wahrenden Strafvollzug.

Der Beschwerdeführer vermag diesem negativen Kalkül in seiner Beschwerde keine stichhaltigen Argumente entgegenzusetzen.

Damit ist der Beschwerde ein Erfolg zu versagen.