JudikaturOLG Wien

21Bs248/25m – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
19. August 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Richterin Mag. Maruna als Vorsitzende sowie den Richter Mag. Gruber und die Richterin Mag. Frigo als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus Freiheitsstrafen über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 24. Juni 2025, GZ ** 6, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der am ** geborene serbische Staatsangehörige A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt WienSimmering zunächst den mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. Februar 2024, rechtskräftig seit diesem Tag, AZ **, wegen einer als junger Erwachsener begangenen Straftat nach § 81 Abs 1 StGB verhängten unbedingten viermonatigen Teil einer insgesamt fünfzehnmonatigen Freiheitsstrafe. Weiters verbüßt er eine durch das Bezirksgericht Leopoldstadt vom 22. November 2024, rechtskräftig seit 26. November 2024, AZ **, wegen als über 21-Jähriger begangener Straftaten nach §§ 136 Abs 1; 88 Abs 1, Abs 4 erster Fall StGB über ihn verhängte Freiheitsstrafe von drei Monaten sowie in Folge Widerrufs der bedingten Nachsicht der mit dem vorangegangenen Urteil verhängten Freiheitsstrafe weitere elf Monate, wodurch A* insgesamt eine 18 monatige Freiheitsstrafe zu verbüßen hat.

Das unter Berücksichtigung des § 148a Abs 2 StVG errechnete Strafende fällt auf den 19. Mai 2026 (ON 2.2, 1). Die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach der Hälfte der Strafzeit lagen am 21. August 2025 vor, jene nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit werden am 18. November 2025 erfüllt sein (ON 2.2, 2).

Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Landesgericht für Strafsachen Wien als zuständiges Vollzugsgericht (im Hinblick auf die Strafzeit von achtzehn Monaten zulässig ohne Durchführung einer Anhörung [RISJustiz RS0131225]) die bedingte Entlassung des A* zum Hälfte-Stichtag in Übereinstimmung mit den ablehnenden Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft (ON 1.2) und jener des Anstaltsleiters der Justizanstalt Wien-Simmering (ON 2.1, 5) zusammengefasst aus generalpräventiven Erwägungen ab.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den ablehnenden Beschluss rechtzeitig ausgeführten Beschwerde des A* (ON 7.1), mit der dieser darauf hinweist, dass die dem Strafvollzug zugrundeliegenden Verurteilungen wegen Fahrlässigkeitsdelikten ergangen und daher nicht als schwer zu beurteilen seien, er zudem nach der bedingten Entlassung im Unternehmen B* GmbH seines Vaters eine Vollzeitbeschäftigung aufnehmen könne und seine Lebensgefährtin heiraten wolle, wodurch er auch stabile Lebensverhältnisse aufweisen könne, kommt keine Berechtigung zu.

Gemäß § 46 Abs 1 StGB ist einem Verurteilten nach Verbüßung der Hälfte der im Urteil verhängten zeitlichen Freiheitsstrafe der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Nach Abs 4 leg cit ist besonders zu beachten, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch die Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben bzw ob negative Faktoren durch begleitende Maßnahmen ausgeglichen werden können (vgl Jerabek/Ropper in WK 2StGB § 46 Rz 15/1).

Hat ein Verurteilter die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel einer Freiheitsstrafe verbüßt, so ist er gemäß § 46 Abs 2 StGB trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach § 46 Abs 1 StGB solange nicht bedingt zu entlassen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzugs der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegen zu wirken. Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass A* nicht nur Freiheitsstrafen wegen als junger Erwachsener begangener Taten verbüßt (AZ ** des Landesgericht für Strafsachen Wien [ON 4]), sondern auch solche, die über ihn wegen als über 21-Jähriger begangener Taten verhängt wurden (AZ ** des BG Leopoldstadt [ON 5]). Somit greift jedoch die Ausnahmeregel des § 17 JGG, die die Generalprävention als Hindernis für die bedingte Entlassung jugendlicher und junger Erwachsener Straftäter ausschließt, nicht (vgl Schroll/Oshidari in WK 2JGG § 17 Rz 4/1) , weshalb generalpräventive Erwägungen im vorliegenden Fall beachtlich sind.

Für die Annahme entgegenstehender generalpräventiver Bedenken müssen gewichtige Umstände, welche sich aus Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig vorkommenden Begleiterscheinungen strafbaren Verhaltens auffallend abheben, ein Absehen von der vorzeitigen Entlassung unumgänglich erscheinen lassen. Dabei ist nicht nur der bloße Abschreckungseffekt bei potentiellen Tätern, sondern (im Sinne positiver Generalprävention) auch das Interesse an der Festigung genereller Normtreue in der Bevölkerung zu beachten. Diese Aspekte generalpräventiver Natur müssen aus der Schwere der Tat ableitbar sein. Liegen sie vor, sind sie gleichrangig mit den Erfordernissen der Spezialprävention zu berücksichtigen. Eine aus spezialpräventiver Sicht durchaus zulässige bedingte Entlassung kann demnach auch allein wegen eines in der Schwere der Tat gelegenen (besonderen) generalpräventiven Grundes verweigert werden ( Jerabek/Ropper aaO § 46 Rz 16).

Dem Erstgericht ist beizupflichten, dass im konkret zu beurteilenden Fall generalpräventive Überlegungen gegen eine bedingte Entlassung nach der Hälfte der Strafzeit sprechen. Denn inhaltlich der Schuldsprüche hat der Verurteilte am 5. Mai 2023 in ** als Lenker eines mit einer Motorleistung von etwa 390-400 PS ausgestatteten PKW bei Dunkelheit im Ortsgebiet auf 100 km/h beschleunigt und dabei die Kontrolle über das Fahrzeug verloren, woraufhin es mit einem am linken Fahrbahnrand parkenden Bus kollidierte und hat dadurch grob fahrlässig (§ 6 Abs 3 StGB) den Tod des C* herbeigeführt. Ungeachtet der deswegen ergangenen Verurteilung am 23. Februar 2024 nahm er am 6. September 2024 ein fremdes Motorrad ohne Einwilligung des Eigentümers und ohne Lenkerberechtigung in Betrieb, verlor in weiterer Folge durch Unachtsamkeit die Kontrolle darüber und kam zu Sturz, wodurch sein Sozius D* einen Bruch sowie einen knöchernen Ausriss im linken Kniegelenk, sowie Abschürfungen am rechten Knie, am rechten Ellbogen und an der linken Hand, sohin eine schwere Körperverletzung, erlitt und verursachte zudem einen (wenngleich unter) 5.000 Euro hohen Schaden am Fahrzeug.

Im zweimaligen (einmal grob) fahrlässigen völlig sinnlosen Umgang mit leistungsstarken Motorfahrzeugen, wodurch in einem Fall ein Mensch zu Tode kam und im anderen Fall jemand schwer verletzt wurde, manifestiert sich tatsächlich ein Handlungs- und Erfolgsunrecht in einer Unwerthöhe, die im Wege einer überprüfenden Gesamtwertung als auffallend zu beurteilen ist.Denn diesem Verhalten wohnt sowohl im Hinblick auf den Schuldgehalt als auch auf den Handlungs- und Erfolgsunwert dieser Taten sowie die daraus resultierende bzw sich verwirklichte Gefahr für das Leben und die Gesundheit anderer ein hoher sozialer Störwert inne, sodass das Vollzugsgericht zu Recht von einer besonderen Tatschwere im Sinn des § 46 Abs 2 StGB ausging, die ausnahmsweise die Erforderlichkeit des Vollzugs über die Hälfte hinaus begründet, woran der Umstand, dass es sich bei den den vollzugsgegenständlichen Urteilen zugrundeliegenden Straftaten vor allem um Fahrlässigkeitsdelikte handelt, nichts zu ändern vermag.

Dem Erstgericht ist somit zuzustimmen, dass es in einem solchen Fall des konsequenten, über die Hälfte hinausgehenden Vollzugs der Sanktion bedarf, um potentielle Nachahmungstäter aus dem Verkehrskreis des Strafgefangenen von der Begehung derartiger Straftaten abzuhalten und die generelle Normtreue zu festigen. Ein zu stark verkürzter Strafvollzug würde dazu führen, die Hemmschwelle für derartige Taten zu weit zu senken und im Rahmen des Interesses an der Feststigung genereller Normtreue in der Bevölkerung dieses Delikt zu bagatellisieren.

Da bereits generalpräventive Bedenken gegen eine Entlassung zum Hälftestichttag sprechen, ist auf das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen in Aussicht genommenen stabilen Lebensverhältnissen, die die allfällige spezialpräventive Wirksamkeit einer bedingten Entlassung betreffen, nicht einzugehen. Diese werden erst für die Beurteilung einer bedingten Entlassung nach Verbüßung nach zwei Dritteln der Strafzeit beachtlich sein.

Da der bekämpfte Beschluss somit der Sach- und Rechtslage entspricht, ist der dagegen erhobenen Beschwerde ein Erfolg zu versagen.