31Bs161/25s – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schwab als Vorsitzende sowie die Richter Mag. Weber LL.M. und Mag. Spreitzer LL.M. als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* wegen § 287 Abs 1 (§§ 15, 269 Abs 1, erster Fall; §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 2) StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Beschwerde der Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 21. Mai 2025, GZ **-48, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die am ** geborene serbische Staatsangehörige A* wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 24. Mai 2023, rechtskräftig seit 31. Mai 2023, wegen § 287 Abs 1 (§§ 15, 269 Abs 1, erster Fall; §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 2); §§ 15, 269 Abs 1, erster Fall; § 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt (ON 12.1). Mit gleichzeitig verkündetem Beschluss wurde der Verurteilten (gemäß § 51 Abs 3 StGB) die Weisung erteilt, sich weiterhin einer Alkohol- und Drogentherapiebeim PSD oder einer vergleichbaren Einrichtung zu unterziehen, dem Gericht binnen einem Monat eine Bestätigung über die bereits begonnene Therapie nachzuweisen, und alle fünf Monate Bestätigungen über die Fortsetzung der Therapie bis zum Ende der Probezeit oder bis zu einem erfolgreichen Abschluss vorzulegen und gemäß § 50 Abs 1 StGB für die Verurteilte für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet (ON 12.1, 4).
Mit Note vom 15. Juni 2023 teilte der Verein Neustart die Bestellung einer Bewährungshelferin für die Verurteilte mit (ON 15.2).
Nachdem die Verurteilte nicht wie aufgetragen binnen einem Monat eine Weisungsbestätigung vorlegte, erfolgte bereits am 10. Juli 2023, behoben am 26. Juli 2023 (Zustellnachweis zu ON 17), die erste schriftliche Mahnung, in der sie unter Androhung des Widerrufs der bedingten Strafnachsicht zur Befolgung der Weisung und Vorlage einer Weisungsbestätigung binnen 14 Tagen aufgefordert wurde (ON 16).
Daraufhin gab der Verein B* mit Schreiben vom 10. August 2023 die Vereinbarung eines Beratungs-/Abklärungsgesprächs mit der Verurteilten für den 17. August 2023 bekannt (ON 18), wobei auf Nachfrage durch den Erstrichter der Verein B* am 9. Oktober 2023 mitteilte, dass dieses am 29. September stattgefunden habe, weitere Termine von A* aber nicht eingehalten wurden (ON 19).
Mit Schreiben vom 7. November 2023 berichtete die Bewährungshelferin, dass die Verurteilte beim Verein B* keine Termine mehr erhält, sie aber weiterhin versuche einen Therapieplatz in einer geeigneten Einrichtung zu erhalten (ON 21.1). Mit Bericht vom 14. Februar 2024 wurde mitgeteilt, dass sich die Verurteilte beim Verein „C* Wien“ in Betreuung befinde und der nächste Termin am 19. Februar 2024 stattfinden werde (ON 24.1). Bestätigungen dazu folgten nicht.
Mit Zwischenbericht des Vereins Neustart vom 25. Juli 2024 wurde mitgeteilt, dass die mangelnde Terminverbindlichkeit der Verurteilten bei der Bewährungshilfe und der Therapieeinrichtung laufend Thema sei sowie dass die Verurteilte der Bewährungshelferin zuletzt mitgeteilt habe, aufgrund ihrer beruflichen Belastung nicht dazu in der Lage sei, der Weisung nachzukommen. Entsprechende Weisungsbestätigungen könnten dementsprechend nicht vorgelegt werden (ON 26.2).
Die daraufhin ergangene Mahnung vom 26. Juli 2024 (ON 27) konnte der Verurteilten zunächst nicht zugestellt werden (siehe Note an die Bewährungshelferin vom 12. September 2024 auf ON 26.2 und ON 31).
Am 19. September 2024 teilte die Bewährungshelferin mit, dass die Meldeadresse der Angeklagten noch aufrecht sei, sie in Kontakt zur Angeklagten stehe und diese über die schriftliche Mahnung informiert habe. Die Verurteilte habe daraufhin Kontakt zum Psychosozialen Dienst D* (PSD) aufgenommen (ON 32.2). In einem weiteren Schreiben vom 7. November 2024 wurde von der Bewährungshelferin mitgeteilt, dass keine Weisungsbestätigungen vorgelegt werden könnten, A* aber angegeben habe, bei ihrer zuständigen Ärztin Mitte November einen Termin zu haben (ON 33.2).
Nachdem keine Weisungsbestätigungen bei Gericht einlangten wurde die Verurteilte für den 8. Jänner 2025 zur Anhörung wegen Nichterfüllung der Weisung geladen (ON 33.1) und in der daraufhin im Beisein der Bewährungshelferin erfolgten mündlichen förmlichen Mahnung wurde sie neuerlich ausdrücklich aufgefordert, die erteilte Weisung zu befolgen und entsprechende Bestätigungen vorzulegen (ON 35).
Da A* dieser Aufforderung wieder nicht nachkam, wurde sie zunächst für den 26. März 2025 zu einer Anhörung betreffend den Widerruf der bedingten Strafnachsicht geladen (ON 36). Diesen Termin konnte sie aufgrund eines stationären Krankenhausaufenthalts nicht wahrnehmen (ON 40.2 und ON 40.3). Nachdem A* am 4. April 2025 aus dem Krankenhaus entlassen wurde, erfolgte eine Ladung der Verurteilten und ihrer Bewährungshelferin für den 7. Mai 2025 um sie zum Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu befragen (ON 41).
In dem anlässlich der bevorstehenden Anhörung zum Widerruf erstatteten Bericht vom 30. April 2025 teilte die Bewährungshelferin mit, dass die Verurteilte seit der Mahnung am 8. Jänner 2025 zwar drei Termine bei der Bewährungshilfe wahrgenommen habe, es aber zu zwei kurzen stationären Aufenthalten auf der Psychiatrie in der Klinik ** gekommen sei und sie weiterhin psychisch sehr labil und in ihrem Konsumverhalten unkontrolliert sei. Mit ihr sei auch die Indikation einer stationären Suchttherapie thematisiert worden. Weisungsbestätigungen seien von der Verurteilten bislang nicht vorgelegt worden (ON 43.2).
In der am 7. Mai 2025 durchgeführten Anhörung gab A*, begleitet durch einen Bewährungshelfer, an, keine Therapie gemacht zu haben, sondern sich immer nur um Termine für Erstgespräche bemüht zu haben. Dazu legte sie eine Terminbestätigung vom 25. April 2025 von der Sucht- und Drogenkoordination Wien vor. Befragt zum Widerruf, ersuchte sie, von diesem abzusehen. Der anwesenden Bewährungshelfer gab keine Stellungnahme zum im Raum stehenden Widerruf ab (ON 44).
Die Staatsanwaltschaft beantragte in ihrer Stellungnahme vom 7. Mai 2025 die gewährte bedingte Strafnachsicht zu widerrufen (ON 46).
Die zuletzt am 22. April 2025 eingeholten Strafregisterauskunft wies keine neuerlichen Verurteilungen auf (ON 42). Sämtliche Vorverurteilungen stehen im Zusammenhang mit der Alkohol- und Drogensucht von A* (Einsicht in VJ-Register).
Mit dem bekämpften – der Verurteilten am 27. Mai 2025 durch Hinterlegung zugestellten und am 3. Juni 2025 behobenen (Zustellnachweis zu ON 49) - Beschluss widerrief das Erstgericht gemäß § 53 Abs 2 StGB (iVm 495 Abs 1 StPO) die gewährte bedingte Strafnachsicht.
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der A* (ON 52), in der sie als Grund für die Missachtung der Weisung ihre Berufstätigkeit anführt und angibt, jetzt erst einen Therapieplatz erhalten zu haben, die Therapie nunmehr wahrzunehmen und mit dem Alkohol aufgehört zu haben. Erkennbar strebt sie mit der Beschwerde die Aufhebung des Beschlusses an. Mit der Beschwerde legte sie eine Therapieplatzzusage von der Institution „D*“ vom 4. Juni 2025 vor, aus der sich die Aufnahme in ein ambulantes Therapieprogramm am 3. Juni 2025 ergab (ON 52, 2; vgl auch ON 51.2 und ON 51.3).
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 53 Abs 2 StGB hat – soweit für das Beschwerdeverfahren relevant - das Gericht, wenn der Rechtsbrecher während des vom Gericht bestimmten Zeitraums eine Weisung trotz förmlicher Mahnung mutwillig nicht befolgt, die bedingte Strafnachsicht zu widerrufen und die Strafe vollziehen zu lassen, wenn dies nach den Umständen geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten.
Dieser Widerrufsgrund besteht also in mutwilliger Nichtbefolgung einer Weisung trotz förmlicher Mahnung. Das Erfordernis der vorangegangenen Mahnung bedeutet, dass die Weisung zumindest einmal während ihres Geltungszeitraums (§ 50 Abs 3 StGB) nicht befolgt worden ist. Die Mahnung muss in förmlicher Weise, entweder mündlich oder durch Zustellung eines Schriftstücks, erfolgt sein (RIS-Justiz RS0092819). Sinn der Mahnung ist es, dem Verurteilten die erteilte Weisung noch einmal nachdrücklich in Erinnerung zu rufen und solcherart deren Befolgung einzumahnen. Die ausdrückliche Androhung des Widerrufs für den Fall der (weiteren) Nichtbefolgung muss hingegen nicht enthalten sein (RIS-Justiz RS0092806). Die Nichtbefolgung der Weisung auch nach förmlicher Mahnung kann nur unter der weiteren Prämisse zum Widerruf führen, dass dieses Verhalten „mutwillig“ geschieht. Mit dieser Formulierung wird jede Art von Vorsatz, einschließlich des dolus eventualis, erfasst. Die bloß „nachlässige“ (dh fahrlässige) Nichtbefolgung einer Weisung reicht aber nicht aus ( Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz, WK 2StGB § 53 Rz 10).
Gemäß § 495 Abs 3 StPO hat das Gericht vor der Entscheidung über den Widerruf den Ankläger, den Verurteilten und den Bewährungshelfer zu hören sowie eine Strafregisterauskunft einzuholen. Nützt der Bewährungshelfer die ihm eröffnete Möglichkeit zur Stellungnahme nicht innerhalb angemessener Frist, ist eine Entscheidung auch ohne Äußerung zulässig ( Jerabek/Ropper in Fuchs/Ratz,WK StPO § 495 Rz 7).
Ausgehend vom gegebenen Sachverhalt hat A* die ihr erteilte Weisung trotz mehrerer förmlicher Mahnungen mutwillig nicht befolgt. Der Einwand, sie habe die Weisung wegen ihrer Berufstätigkeit nicht befolgen können, vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern, zumal sie zum Zeitpunkt der Weisungserteilung im Mai 2023 bis November oder Dezember 2023 beschäftigungslos war und ab Mitte Dezember 2023 zunächst bis April 2024 in einem Ausmaß von 30h pro Woche tätig war (vgl ON 21.1, ON 24.1 und ON 26.2) und auch in dieser Zeit ihrer Therapieweisung nicht nachkam. Vielmehr war sie immer nur anlässlich der förmlichen Mahnungen dazu in der Lage, die Kontaktaufnahme zu entsprechenden Therapieeinrichtungen nachzuweisen, ohne tatsächliche Therapiebestätigungen vorlegen zu können (ON 18, ON 19, ON 32.2, ON 33.2, ON 35, 2 und ON 44) oder sie behauptete ohne Nachweis, in Betreuung zu stehen (ON 24.1). Bei der Anhörung zum Widerruf gestand sie sogar zu, bisher keine Therapie gemacht, sondern sich immer nur um Erstgespräche bemüht zu haben (ON 44). Auch die erstmals im Beschwerdeverfahren vorgelegte und grundsätzlich zu berücksichtigende (vgl TipoldaaO WK StPO § 89 Rz 8) Therapieplatzbestätigung (ON 51.2 und ON 51.3) ändert nichts an der Einschätzung, dass sie die erteilte Weisung mutwillig nicht befolgt. Schließlich deckt die Therapie nur einen Teil der erteilten Weisung (Alkoholtherapie) ab und wurde – ihrem bisherigen Verhalten entsprechend - offenkundig in Kenntnis des erfolgten Widerrufs aufgenommen, um für sie negative Konsequenzen kurzfristig abzuwenden. Eine nachhaltige Motivation die erteilte Weisung nunmehr zu befolgen, kommt darin nicht zum Ausdruck.
Darüber hinaus liegt auch die weitere Voraussetzung des § 53 Abs 2 StGB, das spezialpräventive Erfordernis des Widerrufs vor. Angesichts des Umstandes, dass sämtliche bisher erfolgten Verurteilungen der A* im Zusammenhang mit ihrer Alkohol- und Drogensucht stehen und sie auch nach dem Bericht der Bewährungshilfe nach wie vor psychisch instabil und – entgegen ihrem Beschwerdevorbringen - ihr Konsumverhalten unkontrolliert ist (ON 43.2), ist der Widerruf der bedingten Strafnachsicht indiziert und die Strafe vollziehen zu lassen, um sie von der neuerlichen Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten.
Der Beschluss, mit dem für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet wurde, ist durch den erfolgten Widerruf der bedingten Strafnachsicht gegenstandslos.
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.
