JudikaturOLG Wien

21Bs274/25k – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
08. August 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Richterin Mag. Maruna als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Frigo und Dr. Bahr als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 27. Juni 2025, GZ ** 8, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Aus Anlass der Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehobenund der Antrag auf bedingte Entlassung nach der Hälfte der Strafzeit gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG abgewiesen.

Text

Begründung:

Der am ** in ** geborene niederländische Staatsangehörige A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt * die über ihn mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 14. Februar 2025 zu AZ * wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 12 dritter Fall, 146, 147 Abs 1 Z 1, 2 und Abs 2a, 148 zweiter Fall StGB; des Verbrechens des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs nach §§ 12 dritter Fall, 148a Abs 1, Abs 2 erster und zweiter Fall, Abs 4 StGB und des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 zweiter Fall StGB verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren und sechs Monaten.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesgericht Krems an der Donau als zuständiges Vollzugsgericht den Antrag der bedingten Entlassung des Strafgefangenen nach Verbüßung der Hälfte der Strafzeit zurück, weil das gegenständliche Urteil noch nicht in Rechtskraft erwachsen war.

Dagegen richtet sich die unmittelbar nach Zustellung des bekämpften Beschlusses erhobene (ON 9.2), unausgeführt gebliebene Beschwerde des Strafgefangenen.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist festzuhalten, dass im Beschwerdeverfahren kein Neuerungsverbot gilt (vgl Tipold,WK StPO § 89 Rz 8; Kirchbacher StPO 15 § 89 Rz 3/6), weshalb das Beschwerdegericht auch in der Zwischenzeit erfolgte Neuerungen zu beachten hat.

Da nunmehr mit Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien zu AZ 21 Bs 194/25w das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien zu AZ ** seit 11. Juli 2025 rechtskräftig ist, war aus Anlass der Beschwerde der Beschluss des Erstgerichts aufzuheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

Das errechnete Strafende fällt unter Berücksichtigung nach § 148 Abs 2 StVG auf den 18. Dezember 2026.

Die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach der Hälfte der Strafzeit werden am 20. September 2025, jene nach zwei Dritteln der Strafzeit am 20. Februar 2026 vorliegen.

Gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 19 Abs 2 JGG ist einem wegen als junger Erwachsener begangenen Straftat Verurteilten der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, wenn er die Hälfte der über ihn verhängten Freiheitsstrafe, mindestens jedoch einen Monat, verbüßt hat, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass er durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Diese Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, insbesondere der Art der Tat, des privaten Umfelds des Verurteilten, seines Vorlebens und seiner Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit. Besonderes Augenmerk ist auch darauf zu legen, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben bzw ob negative Faktoren durch Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB ausgeglichen werden können ( Jerabek/Ropper,WK² StGB § 46 Rz 15/1). Ist die Annahme berechtigt, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung – allenfalls unter Wirkung der Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB – nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird und dieser somit zumindest gleiche Wirksamkeit zugebilligt werden kann, ist im Regelfall der Rest der Strafe bedingt nachzusehen.

Angesichts der Begehung der dem vollzugsgegenständlichen Urteil zugrunde liegenden Taten als junger Erwachsener bleibt es für die bedingte Entlassung gemäß §§ 17 Abs 1 iVm 19 Abs 2 JGG außer Betracht, ob es der Vollstreckung der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.

Fallkonkret stehen einer bedingten Entlassung zum frühestmöglichen Zeitpunkt gravierende spezialpräventive Bedenken entgegen:

Der Strafgefangene weist neben der Anlassverurteilung in Österreich ab dem Jahr 2021 drei, davon zwei einschlägige, Vorstrafen in den Niederlanden auf (siehe dazu ON 32 zu B*), wobei bislang nicht nur die Rechtswohltat teilbedingter Strafnachsicht samt Anordnung von Bewährungshilfe (AZ ** der Rechtbank Den Haag), sondern auch die Anordnung von gemeinnütziger Arbeit (AZ ** des Gerichts Griffie Ressort Den Haag) ihre Wirkung verfehlten und auch das Verspüren des Haftübels den Strafgefangenen nicht von erneuter einschlägiger Delinquenz abzuhalten vermochte.

Seine Strafregisterauskunft zeigt sohin deutlich nicht nur die regelmäßige Abfolge von Verurteilungen und die Unbeeindruckbarkeit des Strafgefangenen von staatlichen Reaktionen auf, sondern auch, dass er die ihm zweifach gewährten Resozialisierungschancen in Form von (teil-)bedingten Strafnachsichten unter Beigebung von Bewährungshilfe nicht zu nutzen wusste.

Vielmehr wurde er während offener Probezeiten erneut massiv einschlägig straffällig, was deutlich seine gesteigerte kriminelle Beharrlichkeit und die verwurzelte Negativeinstellung gegenüber den geschützten Werten unserer Gesellschaft, insbesondere Vermögenswerten Dritter, zeigt.

Die bloße Wohnmöglichkeit des Strafgefangenen bei seinen Eltern in C* und der nicht bescheinigte Arbeitsplatz bei der Firma D* (Gemüsezucht) in C*, sind nicht geeignet, der bedingten Entlassung zumindest gleiche Wirksamkeit wie dem weiteren Vollzug attestieren zu können.

Vor dem Hintergrund dieser individualpräventiv negativ geprägten Zukunftsprognose ist auch nicht ersichtlich, mit welchen Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB diesem negativen Kalkül wirksam begegnet werden könnte.

Wenngleich der Rechtsmittelsenat nicht unberücksichtigt lassen will, dass sich Jugendliche und junge Erwachsene notorisch in einem ständigen Entwicklungsprozess befinden und sie daher nicht ausschließlich an früheren Verfehlungen zu messen sind, und erste Anzeichen positiver Entwicklung Beachtung finden sollen, so wäre es im vorliegenden Fall angesichts einer aus den Taten hervorgehenden massiven Verfestigung krimineller Energie verfrüht, bereits von einer in Gang gesetzten Verhaltensänderung auszugehen.

All dies spricht jedoch gegen die in § 46 Abs 1 StGB für die bedingte Entlassung geforderte Annahme, der Strafgefangene würde durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten.

Da aufgrund der Aktenlage nicht anzunehmen war, das eine Anhörung die Entscheidungsgrundlage wesentlich verändert hätte ( Pieber , WK 2StVG § 152a Rz 1) und der Strafgefangene seine Anhörung beim Erstgericht nicht beantragte, konnte die Anhörung unterbleiben.