21Bs263/25t – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Mag. Hahn als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Maruna und Dr. Bahr als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache der A* wegen bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe über deren Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 6. Juli 2025, GZ **-6, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die am ** geborene österreichische Staatsbürgerin A* verbüßt derzeit den fünfmonatigen unbedingten Teil einer wegen der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB, des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 12 dritter Fall, 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und 2, 130 Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 StGB und des Verbrechens der vorsätzlichen Gefährdung durch Sprengmittel nach §§ 12 dritter Fall, 173 Abs 1 zweiter Fall StGB nach § 173 Abs 1 StGB verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von gesamt 24 Monaten. Das urteilsmäßige Strafende fällt auf den 22. August 2025. Die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung gemäß § 46 Abs 1 StGB lagen mit 6. Juni 2025 vor, zwei Drittel der Sanktion hat die Strafgefangene am 2. Juli 2025 verbüßt.
Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Landesgericht für Strafsachen Wien als zuständiges Vollzugsgericht die bedingte Entlassung der A* zum Zwei-Drittel-Stichtag aus entgegenstehenden spezialpräventiven Gründen ohne Anhörung der Strafgefangenen ab.
Dagegen richtet sich deren rechtzeitige Beschwerde, in der sie auf die Wohnmöglichkeit bei ihrer Mutter und eine vorhandene Arbeitsstelle verweist. Sie wolle eine Lehrstelle antreten und habe Termine beim B* sowie einem Psychiater in Aussicht (ON 7).
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Gemäß § 46 Abs 1 StGB ist einem Verurteilten, der die Hälfte der im Urteil verhängten zeitlichen Freiheitsstrafe verbüßt hat, der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Nach § 46 Abs 4 StGB ist insbesondere zu beachten, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben bzw ob negative Faktoren durch begleitende Maßnahmen ausgeglichen werden können. Bei der zu erstellenden Verhaltensprognose sind insbesondere die Art der Tat, das private Umfeld des Verurteilten, sein Vorleben und seine Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit in die Erwägungen einzubeziehen ( Jerabek/Ropper , WK 2StGB § 46 Rz 15/1).
Generalpräventive Erwägungen haben bei der Entscheidung über die bedingte Entlassung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen gemäß § 17 iVm § 19 Abs 2 JGG außen vor zu bleiben.
Nach erkennbarer Intention des StRÄG 2008 soll die Anwendung der Zwei-Drittel-Entlassung der Regelfall sein und der Vollzug der gesamten Freiheitsstrafe auf Ausnahmefälle evidenten Rückfallrisikos beschränkt bleiben (vgl Jerabek/Ropper, aaO Rz 17). Gerade ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor:
Abgesehen von der Anlassverurteilung weist die Beschwerdeführerin eine Vorstrafe wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB vom 22. Oktober 2024 zu einer bedingt nachgesehen Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf (ON 3). Besonders imponiert, dass sie ungeachtet der Bestimmung einer Probezeit, der Anordnung von Bewährungshilfe und der Erteilung einer Weisung zu einem Anti-Gewalt-Training (VJ-Einsicht in PUV ON 84.6, 4 zu **) weniger als vier Wochen, nämlich gerade einmal 26 Tage nach dieser ersten Verurteilung rückfällig wurde und ihre kriminelle Energie sowohl in Bezug auf Quantität als auch Qualität erheblich steigerte: Der nunmehr in Vollzug stehenden Anlassverurteilung liegen zusammengefasst nämlich zwei Körperverletzungen durch (unter anderem) (Faust)Schläge ins Gesicht und Tritte, eine gefährliche Drohung sowie die Beteiligung an einem schweren Diebstahl im Rahmen einer kriminellen Vereinigung durch Sprengung eines Bankomaten, bei dem Bargeld in Höhe von 89.110,-- Euro gestohlen und eine Gefahr für fremdes Eigentum im großen Ausmaß durch Herbeiführung einer Explosion mit Sprengmitteln herbeigeführt wurde, zu Grunde (ON 4).
Die zuvor erlittene strafrechtliche Reaktion und die durch die Gewährung bedingter Nachsicht in Verbindung mit der Anordnung von Bewährungshilfe gegebene Chance zeigten somit bei der Beschwerdeführerin nicht die geringste Wirkung und konnten sie nicht einmal kurze Zeit von neuerlicher Delinquenz abhalten.
Auch das Führungsverhalten der Beschwerdeführerin ist nicht regelkonform: Die Anstaltsleitung hegt Bedenken gegen eine bedingte Entlassung und verweist in ihrer Stellungnahme (ON 2.1) auf drei Ordnungswidrigkeiten (ON 2.2, 2.5 und 2.6). Zu den ersten beiden ist das Ergebnis eines allfällig eingeleiteten Ordnungsstrafverfahrens nicht bekannt, zumindest die letzte wurde neben der Abmahnung nach § 108 Abs 1 StVG jedoch mit Geldbuße geahndet (ON 2.1 und 2.2 sowie IVV-Einsicht/GGV-Kontoauszug), sodass sie ohne Verletzung der Unschuldsvermutung ins Kalkül einzubeziehen ist.
Insgesamt hat das Vollzugsgericht die bedingte Entlassung der A* somit zutreffend abgelehnt. Denn das von der Verhängung einer bedingten Freiheitsstrafe gänzlich unbeeindruckte, nahtlose Verharren im kriminellen Verhalten unter massiver Aggravierung desselben in Zusammenhalt mit dem Vollzugsgebaren lassen nicht von einer günstigen Zukunftsprognose ausgehen und die Annahme rechtfertigen, die Strafgefangene würde durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten. Vielmehr ist zu befürchten, dass sie im Falle einer bedingten Entlassung umso eher wieder in einschlägige Delinquenz verfällt, sodass einer bedingten Entlassung spezialpräventive Erwägungen unüberbrückbar entgegenstehen.
Diese Einschätzung vermag weder die von der Beschwerdeführerin angegebene Wohnmöglichkeit bei ihrer Mutter, welche auch schon vor der Verurteilung bestand (ON 4, 1), noch die (bloß) angekündigte Bewerbung um eine Lehrstelle und Therapie sowie der „Wartelistenplatz“ bei zwei Anti-Gewalt-Trainings (vgl ON 2.4, 2), dessen pflichtgemäße Absolvierung im Übrigen Folge der rechtskräftigen Verurteilung vom 22. Oktober 2024 ist, zu ändern.
Die Anhörung konnte zu Recht unterbleiben, weil die Strafzeit nicht mehr als 18 Monate beträgt (§ 153 StVG).
Da der angefochtene Beschluss sohin der Sach- und Rechtslage entspricht, war der Beschwerde ein Erfolg zu versagen.
Gegen die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 17 Abs 1 Z 3 erster Satz StVG iVm § 89 Abs 6 StPO).