32Bs108/25d – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch die Senatspräsidentin Mag. Seidl als Vorsitzende sowie durch die Richterin Dr. Vetter und die fachkundige Laienrichter Hofrätin Mag. Killinger, BA MA als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache der A*über deren Beschwerde gegen den Bescheid der Generaldirektion des Bundesministeriums für Justiz vom 17. März 2025, GZ **, nach § 121b Abs 2 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und der Generaldirektion beim Bundesministerium für Justiz die neuerliche Entscheidung aufgetragen.
Text
Begründung
A* verbüßte in der Justizanstalt * Freiheitsstrafen im Gesamtausmaß von siebzehn Monaten mit urteilsmäßigen Strafende am 4. Dezember 2025.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab das Bundesministerium für Justiz Anträgen der A* um Vollzugsortsänderung in die Justizanstalten * (ON 1) und * (ON 3) nicht Folge.
Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die Strafgefangene Freiheitsstrafen in der Höhe von einem Jahr, fünf Monaten und einundzwanzig Tage verbüße und wegen der Dauer der verhängten Freiheitsstrafe aus Sicherheitsgründen nur die Anhaltung in der einzigen für den Frauenvollzug zuständigen Justizanstalt * mit entsprechenden Sicherungs- und Betreuungseinrichtungen in Betracht komme. Die Justizanstalten * und * seien gerichtliche Gefangenenhäusern, die vorrangig der Vollziehung von Freiheitsstrafen unter achtzehn Monaten vorbehalten bleiben müssten. Die Insassin sei in der Justizanstalt * beschäftigt und erbringe eine zufriedenstellende Arbeitsleistung. In den Zielanstalten könne die Zuteilung einer Beschäftigung nicht garantiert werden. Sie unterhalte auch regelmäßigen Kontakt zu den Fachdiensten, nehme an der angebotenen Freizeitbetreuung teil und erhalte Besuch vom Verein Neustart. Aufgrund genannter Gründe würde eine Vollzugsortsänderung nicht der besseren Ausnutzung der Vollzugseinrichtungen dienen.
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der A*, die die Ablehnung ihres Antrags auf Vollzugsortsänderung in die Justizanstalten * und * moniert. Aufgrund ihrer schlechten psychischen Verfassung würde sie schon seit geraumer Zeit die geforderte Arbeitsleistung nicht mehr erbringen und sei deshalb auch in keinen Arbeitsprozess eingegliedert. Sie habe keine regelmäßige Beschäftigung. Am 14. Juni 2025 seien zwei Drittel ihrer Strafe verbüßt, die am 4. Dezember 2025 ende. Somit habe sie noch höchstens acht Monate zu verbüßen. Zwecks Kontaktpflege zu ihrer Familie (ihre Eltern würden in ** leben) und für ihre Entlassungsvorbereitung ersuche sie um eine Überstellung in die Justizanstalten * oder *. Sie könne die Entlassungsvorbereitung vor Ort besser bewältigen und fühle sich dort weniger überfordert. Ihre Eltern könnten sie besuchen und unterstützen, was ihr Halt gebe. Ihre Erwachsenenvertreterin habe ihre Kanzlei ebenfalls in ** und könne sie eher in einer der genannten Justizanstalten besuchen.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 16a Abs 1 Z 2 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Bescheid der Generaldirektion des Bundesministeriums für Justiz.
Gemäß § 10 Abs 1 StVG hat das Bundesministerium für Justiz allgemein oder im Einzelfall die Zuständigkeit einer anderen als der nach § 9 StVG zuständigen Anstalt anzuordnen, wenn dies unter Bedachtnahme auf die Grundsätze des Strafvollzugs (§ 20 StVG) zur besseren Ausnützung der Vollzugseinrichtungen oder aus Gründen der Sicherheit des Strafvollzugs zweckmäßig ist (Z 1) oder wenn dadurch die Wiedereingliederung des Verurteilten in die Gesellschaft gefördert wird und weder das Erfordernis einer zweckmäßigen Ausnützung der Vollzugseinrichtungen noch Gründe der Sicherheit des Strafvollzugs entgegenstehen (Z 2).
Darüber hinaus hat das Bundesministerium bei der Bestimmung der Strafvollzugsanstalt auf die Wesensart des Strafgefangenen, sein Vorleben, seine persönlichen Verhältnisse und die Beschaffenheit der Straftat, deren er schuldig erkannt worden ist, insoweit Bedacht zu nehmen, als es erforderlich ist, um die Erreichung der Zwecke des Strafvollzugs unter bestmöglicher Ausnutzung der Vollzugseinrichtungen zu gewährleisten (§ 134 Abs 2 StVG). Überdies ist eine Strafvollzugsortsänderung nur dann zulässig, wenn dadurch die Resozialisierung des Strafgefangenen gefördert wird und gleichzeitig weder die zweckmäßige Auslastung der Vollzugseinrichtungen noch Sicherheitsbedenken dagegen sprechen. Hier sind die Gründe nicht gegeneinander abzuwägen, sondern bereits ein dagegen sprechender Grund schließt eine Strafvollzugsortsänderung aus (Erkenntnis des VwGH vom 24. Juni 2004, 2003/20/0275 und vom 22. Juli 2004, 2001/20/0666; OLG Wien 33 Bs 64/15a).
Nach § 9 Abs 1 StVG sind Freiheitsstrafen, deren Strafzeit achtzehn Monate übersteigt, in der nach § 134 StVG zu bestimmenden Strafvollzugsanstalt zu vollziehen. Freiheitsstrafen, deren Strafzeit achtzehn Monate nicht übersteigt, sind in den Gefangenenhäusern oder in Strafvollzugsanstalten zu vollziehen (§ 9 Abs 2 StVG).
A* hat – wie von der Generaldirektion richtig dargestellt – weniger als 18 Monate Freiheitsstrafe zu verbüßen. Mit Blick auf § 9 Abs 2 StVG ist hingegen die Argumentation der Generaldirektion, wonach die Strafe jedenfalls in einer Strafvollzugsanstalt zu vollziehen sei, nicht nachvollziehbar. Vielmehr ist die Strafe nach § 9 Abs 2 StVG in einer Strafvollzugsanstalt oder einem Gefangenenhaus zu vollziehen.
Darüber hinaus können die von der Generaldirektion ins Treffen geführten Sicherheitserfordernisse nicht nachvollzogen werden, weil eine – einer Überstellung entgegenstehende - Gefährlichkeit der Strafgefangenen aus der Begründung nicht zu erschließen ist. Dass in den Wunschanstalten eine Beschäftigung nicht garantiert sei, ist ebenso nicht nachvollziehbar, weil auf die Möglichkeit einer Beschäftigung in den Stellungnahmen der Justizanstalten * (ON 6) und * (ON 5) nicht eingegangen wird. Überdies geht aus der Stellungnahme der Stammanstalt hervor, dass die Strafgefangene ohne Beschäftigung sei (ON 2).
Nachdem auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesministeriums für Justiz am 17. März 2025 die Justizanstalt * mit 109,44 % weit höher ausgelastet war als die Zielanstalten * (90,91 %) und * (75 %), vermag auch die von der Generaldirektion pauschal ins Treffen geführte Auslastungssituation der Anstalten die Entscheidung nicht zu tragen (vgl. detaillierte Belagsübersicht in Ansehung des Normalvollzugs der Frauen, beigeschafft aus der Integrierten Vollzugsverwaltung vom 17. März 2025). Nachdem auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Vollzugssenats am 24. Juli 2025 die Justizanstalt * im Normalvollzug der Frauen (121,52%) eine höhere Auslastung aufweist als die Wunschanstalten * (100%) und * (75%) (vgl detaillierte Belagsübersicht vom 24. Juli 2025, beigeschafft aus der Integrierten Vollzugsverwaltung]), war der Beschwerde Folge zu geben und der Generaldirektion eine neuerliche Entscheidung aufzutragen.
Festzuhalten ist, dass die Verurteilte – von der Generaldirektion unbeachtet - im Verfahren auch eine Vollzugsortsänderung in die Justizanstalten * und * (ON 7) beantragt hat. Über diese Anträge wurde im bekämpften Bescheid nicht abgesprochen.
Sohin wird eine neue Entscheidung zu treffen sein. Dabei wird die Generaldirektion allerdings auf die mittlerweile erfolgte bedingte Entlassung der A* Bedacht zu nehmen haben.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.