19Bs153/25a – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Mag. Baumgartner als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Wilder und Mag. Körber als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen § 133a StVG über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 3. Juni 2025, GZ **-6, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Der am ** geborene slowakische Staatsangehörige A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt ** Freiheitsstrafen in der Gesamtdauer von 30 Monaten, und zwar zunächst die über ihn mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 12. März 2024, AZ **, wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 15, 127, 130 Abs 1 erster Fall StGB verhängte Freiheitsstrafe von 18 Monaten sowie die vom Landesgericht Eisenstadt vom 14. August 2024, AZ **, wegen des Vergehens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 130 Abs 1 erster Fall, 15 StGB als Zusatzstrafe zum vorgenannten Urteil verhängte Freiheitsstrafe von zwölf Monaten.
Das urteilsmäßige Strafende fällt auf den 20. Juni 2026. Die (auch für die Berechnung der Voraussetzungen des § 133a StVG zur Anwendung gelangenden – vgl Pieber in WK 2 StVG § 133a Rz 16) zeitlichen Voraussetzungen gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG liegen seit 20. März 2025 vor, jene nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG werden am 20. August 2025 erreicht werden.
Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Landesgericht St. Pölten als zuständiges Vollzugsgericht den Antrag des A* auf vorläufiges Absehen vom Strafvollzug nach § 133a Abs 1 und 2 StVG wegen der Schwere der Taten, nämlich mehrfach qualifizierter Diebstähle durch einen im Ausland massiv vorbestraften Täter, aus generalpräventiven Gründen ab (ON 6).
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Beschluss richtet sich die nach Beschlusszustellung am 5. Juni 2025 (Zustellnachweis zur Verfügung ON 1.4) rechtzeitig am 18. Juni 2025 eingebrachte Beschwerde des Strafgefangenen (ON 8.2), der keine Berechtigung zukommt.
Nach § 133a Abs 1 StVG ist, wenn ein Verurteilter die Hälfte der Strafzeit, mindestens aber drei Monate, verbüßt hat, vom weiteren Vollzug der Strafe vorläufig abzusehen, wenn gegen ihn ein Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot besteht (Z 1), er sich bereit erklärt, seiner Ausreiseverpflichtung in den Herkunftsstaat (§ 2 Abs 1 Z 17 AsylG) unverzüglich nachzukommen, und zu erwarten ist, dass er dieser Verpflichtung auch nachkommen wird (Z 2) und der Ausreise keine tatsächlichen oder rechtlichen Hindernisse entgegenstehen (Z 3). Nach Abs 2 leg cit ist, wenn ein Verurteilter die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel einer Freiheitsstrafe verbüßt hat, trotz Vorliegens der Voraussetzungen des Abs 1 solange nicht vorläufig vom weiteren Vollzug der Strafe abzusehen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzugs bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.
Vorliegend wurde gegen den Strafgefangenen mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion **, vom 10. September 2024, rechtskräftig seit 10. Oktober 2024 (Auskunft JA **), IFA-Zahl/Verfahrenszahl: **, ein auf zehn Jahre befristetes unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen (ON 2.4).
A* erklärte sich im Sinne des § 133a Abs 1 Z 2 StVG bereit, seiner Ausreiseverpflichtung in den Herkunftsstaat unverzüglich nachzukommen (ON 2.2), ein Reisedokument ist vorhanden (ON 2.5). Anhaltspunkte, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen werde, liegen – auch im Hinblick auf das Fehlen jeglicher sozialer oder beruflicher Integration in Österreich - nicht vor, einer Ausreise im Sinne des § 133 a StVG stehen keine Hindernisse entgegen (AS 7 ff in ON 1).
Gleichwohl somit bei A* die Voraussetzungen des § 133a Abs 1 StVG vorliegen, trifft das erstgerichtliche Kalkül entgegenstehender generalpräventiver Erwägungen iSd § 133a Abs 2 StVG zu.
Für den Fall der Verbüßung der Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel der Freiheitsstrafe ist trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs 1 so lange nicht vorläufig vom weiteren Vollzug der Strafe abzusehen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzugs bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken (Abs 2 leg cit). Die Verweigerung setzt gewichtige Gründe voraus, welche sich aus Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig vorkommenden Begleiterscheinungen strafbaren Verhaltens auffällig abheben. Dabei ist nicht nur der bloße Abschreckungseffekt bei potenziellen Tätern, sondern (im Sinn positiver Generalprävention) auch das Interesse an der Festigung genereller Normtreue in der Bevölkerung zu beachten. Diese Aspekte generalpräventiver Natur müssen aus der Schwere der Tat ableitbar sein ( Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 46 Rz 16). Rein spezialpräventive Erwägungen vermögen eine abweisliche Entscheidung nicht zu begründen ( Pieber , aaO § 133a Rz 19; RIS-Justiz RS0124405).
A* wurde mit den vollzugsgegenständlichen Urteilen – zusammengefasst - schuldig erkannt, als in der Slowakei wohnhafter „Kriminaltourist“ mit Mittätern im Zeitraum zwischen 14. März 2021 und 20. Dezember 2023 insgesamt neunmal mit schon zuvor zur Ausschaltung von Diebstahlsicherungen präparierten Taschen ausschließlich zum Zwecke der gewerbsmäßigen Begehung von (großteils) Einbruchsdiebstählen in das Bundesgebiet eingereist zu sein, wobei neben Bekleidungsgegenständen, Parfums und Spielkonsolen insbesondere teil hochpreisiges Qualitätswerkzeug unter Entfernung der Diebstahlssicherungen arbeitsteilig gestohlen wurden, wobei der Beutewert insgesamt € 9.206,28 betrug (Urteile ON 3.1; ON 3.3).
Angesichts der Vielzahl der gut geplanten und vorbereiteten Angriffe mit hohem Beutewert, die sich von „normalen“ Ladendiebstählen deutlich abheben, in der auch aktuell einen weit verbreiteten Missstand darstellenden qualifizierten Form des sogenannten Kriminaltourismus ist dem Vollzugsgericht in der Einschätzung, dass es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzugs bedarf, um organisierter Eigentumsdelinquenz durch aus dem Ausland ausschließlich zur Begehung von solchen Straftaten einreisenden Personen mit der entsprechenden Abschreckung zu begegnen, kein Fehler unterlaufen.
Da der angefochtene Beschluss sohin der Sach- und Rechtslage entspricht, war der Beschwerde ein Erfolg zu versagen.