JudikaturOLG Wien

23Bs168/25m – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
18. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Aichinger als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Staribacher und den Richter Mag. Trebuch LL.M. als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 7. Mai 2025, GZ **-122, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

A* wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 7. September 2023 (richtig:) des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG, des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 sechster Fall SMG, § 15 StGB und des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster Satz, zweiter Fall SMG nach dem ersten Strafsatz des § 28a Abs 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt (ON 37). Unter einem wurde die ihm mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. Juni 2022 zu AZ ** gewährte bedingte Entlassung widerrufen.

Nach Einholung eines Gutachtens der Sachverständigen Mag. B* (ON 58) wurde ihm am 21. November 2023 gemäß § 39 Abs 1 SMG ein Strafaufschub bis 5. Dezember 2025 gewährt, um sich der notwendigen gesundheitsbezogenen Maßnahme (ärztliche Überwachung des Gesundheitszustands, ärztliche Behandlung einschließlich der Entzugs- und Substitutionsbehandlung, Psychotherapie und Medizinisch psychiatrische Beratung und Betreuung) unterziehen zu können, dies mit der Maßgabe einer zunächst sechsmonatigen stationären und im Anschluss daran ambulanten Therapie (ON 63).

Nachdem die ersten beiden Versuche einer stationären Therapie im Schweizer Haus ** (vom 5. bis 13. Dezember 2023 [ON 69] und 2. bis 11. April 2024 [ON 85]) aus auch disziplinären Gründen beendet worden waren, befand sich A* beginnend mit 9. Juli 2024 beim Verein „C*“. Er war in der Einrichtung „**“ in ** untergebracht, die Kostenübernahme endete am 20. Dezember 2024 (ON 106, ON 108). Wenngleich er die stationäre Therapie eigentlich vorzeitig beenden bzw. den letzten Monat seiner Therapie in eine ambulante Therapie umwandeln wollte, um Geld für die vermeintliche Operation seines Vaters verdienen zu können (ON 108, siehe auch ON 110), beendete er seinen Aufenthalt regulär am 20. Dezember 2024 (ON 113).

Nach der Aktenlage führte er die Therapie nicht ambulant fort, wurde vielmehr am 3. Februar 2025 in **, U6-Station „**“ - Szeneörtlichkeit „Suchtgifthilfe D*“ nach dem Verkauf einer Compensan Tablette an einen verdeckten Ermittler sowie im Besitz einer weiteren Compensan Tablette und 170 Euro verhaftet. In weiterer Folge wurde A* vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 14. März 2025 zu AZ ** wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 2a zweiter Fall SMG, § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, in einem die ihm mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien zu AZ ** gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen (ON 120).

Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 122) wurde – über Antrag der Staatsanwaltschaft vom 4. April 2025 (ON 119) - der gewährte Strafaufschub gemäß § 39 Abs 4 Z 2 SMG mit Blick auf die erwähnte Verurteilung und spezialpräventive Erfordernisse widerrufen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des A* (ON 131), der keine Berechtigung zukommt.

Der Aufschub ist gemäß § 39 Abs 4 Z 2 SMG zu widerrufen und die Strafe zu vollziehen, wenn der Verurteilte wegen einer Straftat nach diesem Bundesgesetz oder wegen einer im Zusammenhang mit seiner Gewöhnung an Suchtmittel begangenen Straftat neuerlich verurteilt wird. Zusätzlich zu diesen Voraussetzungen muss nach § 39 Abs 4 letzter Satz SMG für den Widerruf der Vollzug der Freiheitsstrafe geboten erscheinen, um den Verurteilten von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten, wobei die gebotenen spezialpräventiven Erwägungen einzelfallbezogen vorzunehmen sind, vereinzelte und vorübergehende Rückfälle nicht einmal die Grundvoraussetzung der Therapieunwilligkeit verwirklichen und den Widerruf auch spezialpräventiv nicht erforderlich machen ( Schwaighoferin WK² SMG § 39 Rz 46).

Nach dem erwähnten Sachverständigengutachten (ON 58) liegt bei A* ein Abhängigkeitssyndrom durch multiple Substanzen, gegenwärtige Teilnahme an einem ärztlich überwachten Ersatzdrogenprogramm (ICD-10: F 19.22) und eine Anpassungsstörung, längere depressive Reaktion (ICD-10: F 43.21) vor. Die Erfolgsaussichten einer gesundheitsbezogenen Maßnahme waren aufgrund der zahlreichen Risikofaktoren (Anpassungsstörung und depressive Erkrankung; Labilität und Krisenanfälligkeit; Wohnumfeld im Flüchtlingsheim, in welchem er laut eigenen Angaben ständig mit anderen Drogenkonsumenten konfrontiert war) prognostisch nicht sehr hoch, eine Therapie war aber notwendig, zweckmäßig, dem Verurteilten zumutbar und nicht offenbar aussichtslos.

A* wurde nun bereits zum vierten Mal nach dem SMG verurteilt, wobei seine erste Verurteilung aus dem Jahre 2018 stammt. Solcherart im Suchtgiftmilieu verhaftet war er in den ersten sieben Monaten des gewährten Strafaufschubs gerade einmal 19 Tage stationär aufgenommen, musste die stationäre Therapie einmal bereits nach neun und einmal bereits nach zehn Tagen beendet werden, unterließ er es, die ihm im Anschluss an die stationäre Therapie beim Verein „C*“ aufgetragene ambulante Therapie zu absolvieren, und pflegte er nach eigenen Angaben im oberwähnten Verfahren AZ ** (dort ON 2.5 und ON 5) – neben dem Konsum des ihm ärztlich verschriebenen Methadon - den illegalen Beikonsum (Substitol, Rivotril, Lyrica). Unter Berücksichtigung, dass der (auch zuletzt) beschäftigungslose, seit 2018 substituierte (ON 58 S 4) Beschwerdeführer schon während der stationären Therapie beim Verein „C*“ eine mangelnde Compliance bei der Medikamenteneinnahme zeigte (ON 115 S 1) und der neuerlichen Straffälligkeit trotz verbesserter Wohnsituation (nunmehr im Obdachlosenheim **) besteht in Zusammenschau mit seinem mehr als zehn Jahre währenden Suchtgiftkonsum bzw. seiner Sucht (vgl. ON 58 S 5: nach eigenen Angaben im letzten Jahr vor seiner Verhaftung im gegenständlichen Verfahren täglich 5 bis 6 g Heroin, 1 g Kokain und einen Joint, zusätzlich Compensan und Lyrica) und dem mit dem Beikonsum einhergehenden finanziellen Bedarf die konkrete Gefahr, er werde auch zukünftig weitere strafbare Handlungen insbesondere im Suchtmittelbereich begehen. Der Rückfall in spezifisch einschlägige Kriminalität bei (massiv) getrübtem Vorleben macht den Widerruf des gewährten Aufschubes unumgänglich, um endlich den gewünschten verhaltenssteuernden Effekt beim bislang als resozialisierungsresistent einzustufenden Verurteilten zu bewirken und ihn solcherart von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten.

An diesem Kalkül vermag der Beschwerdeführer mit seiner Kritik an der erstrichterlichen Begründung allein dahin, dass sein stationärer Aufenthalt beim Verein „C*“ nicht erwähnt wurde, nichts zu ändern.

Der Beschwerde war somit ein Erfolg zu versagen.

Es bleibt A* jedoch unbenommen, die in der Strafhaft nach § 68a Abs 1 lit a StVG gebotenen Möglichkeiten zur Therapierung seiner Suchterkrankung zu nutzen und die therapeutische Behandlung nach seiner Haftentlassung auf freiwilliger Basis weiterzuführen.