JudikaturOLG Wien

18Bs117/25z – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
30. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Einzelrichterin Mag. Primer in der Strafsache gegen A*wegen § 83 StGB über deren Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 28. April 2025, GZ **-6, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Am 26. Februar 2025 stellte die Staatsanwaltschaft Wien das gegen A* wegen § 83 StGB geführte Ermittlungsverfahren unmittelbar nach Übermittlung des Abschlussberichtes der Landespolizeidirektion **, PI ** (ON 2), gemäß § 190 StPO idF StPRÄG 2024 ein (ON 1.1; ON 3).

Mit Antrag vom 18. März 2025 begehrte A* einen Kostenbeitrag nach § 196a StPO Euro unter Vorlage eines Kostenverzeichnisses, das auch einen 50%igen Erfolgszuschlag enthält (ON 5).

Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht den vom Bund zu leistenden Beitrag zu den Kosten der Verteidigung mit einem Pauschalbeitrag von 150 Euro.

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der A* (ON 7), mit der sie die Leistung eines höheren Pauschalkostenbeitrags begehrt und vorbringt, dass der Antrag auf Verteidigerkostenbeitrag zu entlohnen sei und auch der Erfolgszuschlag zustehe.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Nach § 196a Abs 1 StPO hat der Bund, wenn ein Ermittlungsverfahren gemäß § 108 StPO oder § 190 StPO eingestellt wird, dem Beschuldigten auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten. Der Beitrag umfasst die nötig gewesenen und vom Beschuldigten bestrittenen baren Auslagen und außer im Fall des § 61 Abs 2 StPO auch einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers, dessen sich der Beschuldigte bedient. Der Beitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen. Er darf den Betrag von 6.000 Euro nicht übersteigen.

Die Bemessung des mit 6.000 Euro als Höchstsatz festgelegten Pauschalbeitrags soll konkret unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers erfolgen. Die Kriterien des Umfangs der Ermittlungen und der Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen sind anhand des konkreten Ermittlungsverfahrens zu gewichten und gehen Hand in Hand mit dem Umfang der Verteidigung. Ausschlaggebend sind daher insbesondere der sich auf die Verteidigung durchschlagende Aufwand bei den Ermittlungsmaßnahmen, die Dauer des Ermittlungsverfahrens, die Anzahl der Verfahrensbeteiligten sowie die Gestaltung des dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegenden, in seiner Komplexität variablen Sachverhalts, bei dem auch entsprechende, das Ermittlungsverfahren aufwändig gestaltende, erschwerende Umstände zu berücksichtigen sind. Zudem hat die Bemessung des Verteidigerkostenbeitrags immer auch unter dem Blickwinkel der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Verteidigung bzw. der einzelnen Verteidigungshandlungen zu erfolgen (vgl. auch S 3 der Erl. zur RV 2557 der Beilagen XXVII.GP). Als Kriterien für die Bemessung des Beitrags nach § 393a StPO, an den die Regelung des § 196a StPO angelehnt ist, wurden von der Judikatur bisher der Aktenumfang, die Schwierigkeit bzw. Komplexität der Sach- und Rechtslage (etwa die Notwendigkeit, sich mit Gutachten auseinander zu setzen) sowie der Umfang des Ermittlungsverfahrens (Haftverhandlungen, Beschwerden) herangezogen.

Der Pauschalkostenbeitrag im Höchstbetrag der Grundstufe (Stufe 1) in Höhe von 6.000 Euro soll grundsätzlich für alle Verteidigungshandlungen zur Verfügung stehen, die nicht außergewöhnlich oder extrem sind. Da die Bandbreite der Verfahren, die in Stufe 1 fallen, von ganz einfachen Verteidigungsfällen, wie etwa einer gefährlichen Drohung, bis hin zu Wirtschaftsstrafsachen, die auch in dieser Stufe vorkommen können, reichen, kann sich der Betrag je nach Umfang der Ermittlungen und Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen dem im Gesetz vorgesehenen Höchstbetrag annähern bzw. sich von diesem weiter entfernen. Dabei wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass ein durchschnittliches Standardverfahren rund 3.000 Euro an Aufwand für die Verteidigung verursachen wird, wobei in dieser Berechnung zwar der Einheitssatz Berücksichtigung findet, die vom ÖRAK in den AHK verankerten (Erfolgs- und Erschwernis-)Zuschläge jedoch außer Betracht zu bleiben haben. Für Verfahren, die in die bezirksgerichtliche Zuständigkeit fallen, erscheint angesichts deren zu erwartender im Regelfall geringeren Komplexität und auch der kürzeren Verfahrensdauer in diesem Sinne eine Reduktion der Ausgangsbasis auf die Hälfte des Durchschnittswerts, sohin 1.500 Euro angemessen (vgl. auch S 5 der Erl. zur RV 2557 der Beilagen XXVII.GP).

Wenngleich somit in den Erläuterungen zu § 196a StPO nun Beträge für die Bestimmung der Pauschalkosten bei einem durchschnittlichen Verfahren am Bezirks- und am Landesgericht definiert wurden, ändert dies nichts an der Tatsache, dass – wie bisher - weiterhin bei ganz einfachen Verteidigungsfällen der Einstieg etwa bei 10 % des jeweiligen Höchstbetrags anzusetzen ist ( Lendl, WK StPO § 393a Rz 9ff), da die Kriterien für die Bemessung des konkreten Pauschalkostenbeitrages an die Regelung des  § 393a Abs 1 StPO angelehnt werden sollen (vgl. S 3 der Erl. zur RV 2557 der Beilagen XXVII.GP).

Vorliegend handelte sich es weder um ein Verfahren mit außergewöhnlichem Umfang noch besonderer Komplexität, sondern um ein extrem kurzes Ermittlungsverfahren, das aus einem einzigen Abschlussbericht besteht und unmittelbar nach dessen Übermittlung an die Staatsanwaltschaft durch diese eingestellt wurde. Der Aktenumfang umfasste bis zur Einstellung nach § 190 Z 2 StPO neben dem AB-Bogen (ON 1) nur eine weitere Ordnungsnummer, nämlich den erwähnten Abschlussbericht vom 21. Februar 2025 (ON 2), beinhaltend eine Einvernahme der Beschwerdeführerin in Anwesenheit ihres Verteidigers am 19. Februar 2025 von 9.06 bis 9.50 Uhr (ON 2.5).

Notwendige und zweckmäßige aktenkundige Verteidigungshandlung war somit die Teilnahme an der Beschuldigteneinvernahme vom 19. Februar 2025, zu berücksichtigen ist auch die nicht aktenkundige Vollmachtsbekanntgabe an die Polizei (wobei für die Bekanntgabe der Vollmacht nicht TP 2 sondern TP 1 gebührt). Die nach der Einstellung des Verfahrens ersichtlichen Schriftsätze (ON 4, ON 5) sind unbeachtlich (zum Kostenbestimmungsantrag siehe Lendl , aaO Rz 23). Ein Erfolgszuschlag ist bei der Bemessung des Beitrags bereits nach den Materialien (EBRV 2557 BlgNR 27. GP 5) nicht zu berücksichtigen (vgl. Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 31. Juli 2024, GZ 2024-0.561.623, 6).

Mit Blick darauf, dass es sich um einen äußerst simplen Sachverhalt handelte, bei dem keine Rechtsfrage zu klären war, der Aktenumfang des Ermittlungsverfahrens bis zur Einstellung lediglich zwei Ordnungsnummern umfasste, das Ermittlungsverfahren somit von selten kurzer Dauer war, in einer Gesamtschau weit unter der Norm eines einfachen bezirksgerichtlichen Standardverfahrens liegt und im Übrigen auch kein Fall der notwendigen Verteidigung vorlag, erwuchs der Verteidigung hier deutlich weniger Aufwand als bei einem durchschnittlichen Standardverfahren. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass der Pauschalkostenbeitrag nach § 196a StPO nur einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung darstellt und das Gesetz nicht den gesamten Ersatz der Kosten vorsieht ( Lendl , aaO Rz 10).

Wenngleich nicht übersehen wird, dass in diesem besonders gelagerten Einzelfall der zur Verfügung stehende Rahmen bloß zu einem sehr geringen Teil ausgeschöpft wurde, ist die Höhe des vom Erstgericht festgesetzten Pauschalbeitrages nicht zu korrigieren.

Der Beschwerde ist daher ein Erfolg zu versagen.