JudikaturOLG Wien

32Bs59/25y – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
28. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach§ 16a StVG hat durch die Senatspräsidentin Mag. Seidl als Vorsitzende sowie die Richterin Mag. Marchart und den fachkundigen Laienrichter Oberst Turner als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des A*über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht vom 11. Februar 2025, GZ **-11, nach § 121b Abs 3 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen .

B e g r ü n d u n g:

Text

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Erstgericht einer Beschwerde des A* vom 5. Oktober 2024 (ON 1) gegen das Straferkenntnis des Leiters des forensisch-therapeutischen Zentrums (FTZ) B* vom 26. September 2024, **, mit der Maßgabe nicht Folge, dass das Straferkenntnis, das im Übrigen unberührt bleibe, zu lauten habe:

„Der Untergebrachte A*, geb. am **, hat entgegen den Bestimmungen [des] Strafvollzugsgesetzes vorsätzlich den allgemeinen Pflichten der Strafgefangenen nach § 26 zuwidergehandelt, indem er am 05.08.2024, entgegen der am 31.07.2024 nachweislich erfolgten Aufforderung, das Verfassen jeglicher Schreiben für andere Insassen unverzüglich zu unterlassen, neuerlich eine schriftliche Eingabe an das Landesgericht Linz für den Mitinsassen C* verfasste.

Er hat dadurch die Ordnungswidrigkeit nach § 107 Abs 1 Z 10 iVm § 26 Abs 1StVG begangen “.

Weiters bestimmte das Erstgericht den vom Bestraften gemäß § 17 Abs 2 Z 2 StVG iVm § 52 Abs 2 VwGVG zu leistenden Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens mit sechs Euro.

Das Vollzugsgericht ging – soweit hier relevant – von folgendem wörtlich wiedergegebenen Sachverhalt aus:

A* verfasste für den Mitinsassen C* eine mit 01.07.2024 datierte Beschwerde an das Landesgericht Linz als Vollzugsgericht (hg Verfahren **) auf seiner Schreibmaschine (AS 5 in ON 5). Daraufhin erging am 30.07.2024 eine schriftliche Belehrung des Anstaltsleiters bezüglich des Geschäftsverbots nach § 30 StVG, worin der Beschwerdeführer ausdrücklich aufgefordert wurde, das Verfassen jeglicher Schreiben für andere Insassen unverzüglich zu unterlassen. Diese Aufforderung wurde dem Beschwerdeführer am 31.07.2024 durch den Strafvollzugsbediensteten D* zur Kenntnis gebracht (schriftliche Belehrung vom 30.07.2024 mit Vermerk über die Verkündung am 31.07.2024 samt Unterschrift des Beschwerdeführers, AS 6 in ON 5).

Dessen ungeachtet verfasste der Beschwerdeführer mit seiner Schreibmaschine am 05.08.2024 im genannten Verfahren vor dem Vollzugsgericht neuerlich eine schriftliche Eingabe für den Mitinsassen C* (AS 7 in ON 5). Dabei wusste A*, dass er damit einer – weder strafgesetzwidrigen noch die Menschenwürde verletzenden – ausdrücklichen Verhaltensaufforderung eines Beamten, das Verfassen jeglicher Schreiben für Mitinsassen zu unterlassen, zuwider handelte.

Beweiswürdigend stützte sich das Erstgericht auf die bei den Feststellungen in Klammer angeführten unbedenklichen Beweismittel und führte dazu aus, dass der Beschwerdeführer nicht bestritten habe, die beiden Schriftstücke für den Mitinsassen C* verfasst zu haben. Vielmehr habe er rechtliche Ausführungen zu §§ 30 und 89 Abs 3 StVG erstattet und sich in der Beschwerde dahingehend verantwortet, dass, da der Anstaltsleiter keine geeignete Schreibkraft zur Verfügung stelle, dies eben im Zuge der Selbstvertretung und Selbstorganisation von den Gefangenen wahrgenommen werden müsse. § 89 Abs 3 StVG schließe nicht aus, dass die Schreibhilfe durch einen Mitgefangenen geleistet werden dürfe. Damit habe er das inkriminierte Verhalten, nämlich am 5. August 2024 für den Mitinsassen C* - trotz ausdrücklicher Aufforderung, derartiges zu unterlassen - ein Schreiben verfasst zu haben, implizit eingeräumt. Bestritten sei vom Beschwerdeführer lediglich worden, dass er damit gegen das Geschäftsverbot nach § 30 StVG verstoßen habe. Abgesehen davon bestünden aber auch insofern keine Zweifel daran, dass die Beschwerde vom 1. Juli 2024 und die schriftliche Äußerung vom 5. August 2024 vom Beschwerdeführer verfasst worden seien, als sich zum Abschluss der Schriftstücke jeweils die, keineswegs allgemein übliche, jedoch für den Beschwerdeführer charakteristische, Wendung „für den Inhalt“ finde.

Dass der Beschwerdeführer der Anordnung wissentlich zuwidergehandelt habe, sei schon aus dem äußeren Geschehensablauf, nämlich der durch die Unterschrift des Beschwerdeführers dokumentierten Kenntnisnahme von der Aufforderung, das Verfassen von Schreiben für Mitinsassen zu unterlassen, am 31. Juli 2024, also erst wenige Tage vor der inkriminierten Tathandlung am 5. August 2024, zu erschließen. Anhaltspunkte dafür, dass A* die Anordnung als strafgesetzwidrig oder die Menschenwürde verletzend angesehen haben könnte/sollte, lägen nicht vor (und wären auch nicht nachvollziehbar).

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass gemäß § 26 Abs 1 StVG die Strafgefangenen den Anordnungen der im Strafvollzug tätigen Personen Folge zu leisten hätten. Sie dürften die Befolgung von Anordnungen nur ablehnen, wenn die Anordnung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoße oder die Befolgung dagegen verstoßen oder offensichtlich die Menschenwürde verletzen würde. Nach Abs 2 leg cit hätten die Strafgefangenen alles zu unterlassen, was die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt oder sonst die Verwirklichung der Grundsätze des Strafvollzuges gefährden könnte. Sie hätten sich so zu benehmen, wie es der Anstand gebiete.

Ein vorsätzlicher Verstoß gegen die allgemeinen Pflichten der Strafgefangenen nach § 26 StVG stelle eine Ordnungswidrigkeit iSd § 107 Abs 1 Z 10 StVG dar. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt habe der Beschwerdeführer den genannten Ordnungswidrigkeitstatbestand sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht verwirklicht, wobei der Schuldspruch – da der Beschwerdeführer eine Vollzugsanordnung nicht befolgt habe - mit der Maßgabe zu bestätigen gewesen sei, dass A* dadurch den Ordnungswidrigkeitstatbestand nach § 107 Abs 1 Z 10 iVm § 26 Abs 1(statt Abs 2) StVG begangen habe. Vor diesem Hintergrund erübrige sich ein Eingehen auf die Ausführungen zu Geschäftsverbot und Schreibhilfe.

Zur Strafbemessung führte das Erstgericht weiters aus, dass der Beschwerdeführer seine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder zumindest gleichgültige Einstellung deutlich zum Ausdruck gebracht habe, weshalb jedenfalls von einem beträchtlichen Schuldgehalt auszugehen sei, sodass aufgrund der aufgezeigten Umstände auch der Sanktionsausspruch des angefochtenen Straferkenntnisses keinen Bedenken begegne.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Untergebrachten (ON 12), in welcher dieser ausführt, dass in diesem Verfahren zu klären sei, ob es dem Anstaltsleiter gestattet sei, das per EMRK garantierte und auch im österreichischen Recht verschriftlichte Gestatten einer wirksamen Beschwerdeerhebung auf legistischem Wege auszuhebeln, indem er eine nach § 89 Abs 3 StVG erforderliche Schreibhilfe verweigere. Verba legalis würden in diesem Fall der Erfordernis gestatten, dass von Mitgefangenen diese Schreibhilfe geleistet werde. Hier versuche der Anstaltsleiter durch Konstruieren eines Ordnungsstrafverfahrens zu verhindern, dass er Schreibhilfe leiste. Weiters würden alle Schriftsätze beginnend mit ON 1 zum integralen Beweismittel dieses Verfahrens und aller Verfahren und Verfahrensschritte erhoben. Weiters würden die verba legalia keine Bewilligung durch den Anstaltsleiter kennen, daher seien alle Einlassungen des Anstaltsleiters als Pseudologien und unglaubwürdige Schutzbehauptungen zu werten.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Nach § 16a Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG wegen Rechtswidrigkeit, wobei Letztere nicht vorliegt, soweit das Vollzugsgericht Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt hat. Hat das Vollzugsgericht nach § 16 Abs 3 StVG Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt, darf das Oberlandesgericht Wien den Beschluss weder aufheben noch – um das Ermessen anders auszuüben – abändern.

Die ausschließlich auf die seiner Ansicht nach erfolgte Verletzung der Verpflichtung zur Leistung von Schreibhilfe durch den Anstaltsleiter bezugnehmenden Ausführungen des Beschwerdeführers, welche insbesondere die Ausführungen des Erstgerichts zur konkret begangenen Ordnungswidrigkeit völlig außer Acht lassen, vermögen einen Mangel der Entscheidung nicht aufzuzeigen, weil das Erstgericht aus den vorliegenden Beweisergebnissen – in durchdachter und sorgfältiger Art und Weise - lebensnahe und nachvollziehbare Schlussfolgerungen gezogen hat. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist Gegenstand dieses Verfahrens nicht die Frage der (unterlassenen) Gewährung von Schreibhilfe durch den Anstaltsleiter, sondern – wie vom Erstgericht zutreffend erkannt – ein durch den Beschwerdeführer erfolgter Verstoß gegen eine – weder strafrechtswidrige noch die Menschenwürde verletzende – Anordnung.

Auch die vorgenommene Modifikation bei der rechtlichen Subsumtion ist aus den vom Erstgericht angeführten Gründen nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für die – im unteren Bereich des zur Verfügung stehenden Strafrahmens von bis zu 200 Euro ausgemessene – Strafe.

Schließlich wurde auch der Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vom Erstgericht zutreffend auf § 17 Abs 2 Z 2 StVG iVm § 52 VwGVG gestützt.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.