31Bs280/24i – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache der Privatanklägerin A* eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftung gegen B* wegen § 91 UrhG über die Berufung der Privatanklägerin wegen Nichtigkeit und Schuld gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 9. September 2024, GZ **-52.2, durch die Senatspräsidentin Dr. Schwab als Vorsitzende sowie die Richter Mag. Weber LL.M. und Mag. Spreitzer LL.M. als weitere Senatsmitglieder gemäß §§ 470 Z 3, 489 Abs 1 StPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
In Stattgebung der Berufung wegen Schuld wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen .
Mit ihrer Berufung wegen Nichtigkeit wird die Privatanklägerin auf diese Entscheidung verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Text
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am ** geborene österreichische Staatsbürgerin B* von der wider sie erhobenen Privatanklage, sie habe Musikdarbietungen aus dem Repertoire der Privatanklägerin öffentlich wiedergegeben, indem sie die dargebotene Musik in den von ihr betriebenen, allgemein zugänglichen Diskotheken auf mechanische Art wahrnehmbar gemacht bzw die Aufführung dieser mechanischen Musik durch Bedienstete und/oder Beauftragte nicht verhindert hat, ohne zur öffentlichen Wiedergabe der Musikdarbietungen befugt zu sein, nämlich
A. als firmenbuchrechtliche Geschäftsführerin der C* D* GmbH an der Adresse **, betriebenen, allgemein zugänglichen Diskothek „E*“
1. in der Nacht vom 27. auf den 28. September 2023 vor 40 Gästen
a. „**“ (**),
b. „**“ (**),
c. „**“ (**) und
d. „**“ (**),
2. am 12. Jänner 2024 in der Zeit von 23:20 Uhr bis 23:40 Uhr vor drei Gästen
a. „**“ (**),
b. „**“ (**),
c. „**“ (**),
d. „**“ (**) und
e. „**“ (**),
3. am 7. April 2024 in der Zeit von 0:30 Uhr bis 0:57 Uhr vor 150 Gästen
a. „**“ (**),
b. „**“ (**) und
c. „**“ (**),
4. am 15. Juni 2024 in der Zeit von 0:15 Uhr bis 1:00 Uhr vor 80 Gästen
a. „**“ (**),
b. „**“ (**),
c. „**“ (**),
d. „**“ (**) und
e. „**“ (**),
B. als firmenbuchrechtliche Geschäftsführerin der C* F* GmbH an der Adresse **, betriebenen, allgemein zugänglichen Diskothek „G*“ in der Nacht vom 20. auf den 21. Februar 2024 in der Zeit von 22:30 Uhr bis 1:00 Uhr vor 45 Gästen
1. „**“ (**),
2. „**“ (**),
und dadurch in die ausschließlich der Privatanklägerin zustehenden Urheber- und Leistungsschutzrechte — insbesondere der öffentlichen Aufführung von Werken der Tonkunst gemäß § 18 UrhG und der Verwertung zur öffentlichen Wiedergabe gemäß § 71 UrhG — eingegriffen,
gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen .
Der Freispruch gründet sich insbesondere auf vom Erstgericht getroffene Negativfeststellungen. Danach konnte – soweit für das Berufungsverfahren relevant - nicht konstatiert werden, dass die Angeklagte einen im Betrieb „des Unternehmens“ von einem Bediensteten oder Beauftragten Eingriff dieser Art nicht verhindert habe (US 4).
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 53) und zu ON 56 ausgeführte Berufung der Privatanklägerin A* eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftung (idF A*) wegen Nichtigkeit und Schuld, die einen Schuldspruch, in eventu eine Aufhebung des Urteils und Rückverweisung an das Erstgericht begehrt.
Rechtliche Beurteilung
Schon die Berufung wegen Schuld ist berechtigt.
Das Erstgericht stützte seinen Freispruch auf die angeführte Negativfeststellung (US 7) und gründete diese beweiswürdigend im Wesentlichen auf die übereinstimmenden Angaben der Angeklagten und des Zeugen H* (dass die für die musikalische Programmierung des Abends zuständigen DJs eigene Produktionen spielen sollten, dies und das Musikaufführungsverbot sei auch über verschiedene Personen … den DJs vermittelt worden), denen keine anderen Beweisergebnisse entgegenstünden (US 5 f).
Diese Überlegungen des Erstgerichts greifen jedoch zu kurz, denn es wurden sich aus dem Akt ergebende Umstände und Beweisergebnisse außer Acht gelassen, die die Einlassung der Angeklagten als Schutzbehauptung erscheinen lassen und es waren noch nicht alle möglichen Erkenntnisquellen ausgeschöpft.
In der Beweiswürdigung des Erstrichters wurde völlig übergangen, dass trotz Kenntnis von der Privatanklage (vgl ON 1.21) und selbst nach Durchführung der Hauptverhandlung am 13. Juni 2024 in Anwesenheit der Angeklagten (ON 42.1) in der im Spruch unter A. angeführten Diskothek Werke aufgeführt wurden, an denen das Verwertungsrecht der Privatanklägerin zukommt (ON 27 und ON 46). Insofern bestehen – zumindest betreffend die Tatzeitpunkte nach Zustellung der Anklage - erhebliche Zweifel an der leugnenden Einlassung der Angeklagten und es stellt sich die durch ergänzende Befragung der Angeklagten zu beantwortende Frage, welche konkreten Maßnahmen sie nach Zustellung der Anklage bzw der Ausdehnung der Anklage vom 28. Juni 2024 (ON 1.48) sowie nach der Hauptverhandlung am 13. Juni 2024 getroffen hatte, um das neuerliche Abspielen geschützter Werke zu verhindern. Spätestens mit den Zustellzeitpunkten wusste sie nämlich, dass die bisher ergriffenen Maßnahmen – sofern sie überhaupt welche getroffen hatte – nicht ausreichend waren, um dem Musikdarbietungsverbot gerecht zu werden und in der Hauptverhandlung sicherte sie sinngemäß zu, dieses den Betriebsleitern in Erinnerung zu rufen (ON 42.1 4 f).
Nicht hinterfragt wurde und beweiswürdigend unberücksichtigt blieb auch, dass die Angeklagte – im Widerspruch zu ihrer die subjektive Tatseite in Abrede stellenden Verantwortung - selbst zugestand die Befürchtung und den Verdacht gehabt zu haben, dass auf Wunsch der Gäste „verbotene Musik“ gespielt wurde (ON 42.1, 3), ohne auszuführen, ob und welche Maßnahmen angesichts ihrer konkreten Sorge ergriffen wurden, die Einhaltung des Musikverbots zu sichern.
Die Aussagen der Angeklagten und des Zeugen H*, die im Wesentlichen übereinstimmend angaben, die Clubs seien darauf ausgelegt gewesen, Eigenproduktionen bzw keine Originale zu spielen (ON 42.1, 3 f und ON 52.1.1, 5 f), wurden unreflektiert den Feststellungen zur Ausrichtung der Diskotheken zugrunde gelegt, ohne zu berücksichtigen oder auch nur zu erheben zu versuchen, ob die an den in der Privatanklage angeführten Tagen eingesetzten DJs selbst Mitglied bei der Privatanklägerin waren bzw der Privatanklägerin die Verwertungsrechte an deren Werken zukommt. Diesfalls dürfen deren Werke nämlich – selbst wenn sie sie selbst darbieten – nur öffentlich aufgeführt werden, wenn vom Veranstalter ein Werknutzungsentgelt an die Privatanklägerin entrichtet wird. Die darauf abzielende Frage durch den Privatanklagevertreter konnte der Zeuge nicht beantworten (ON 52.1.1, 7) und auch die Angeklagte brachte dazu nichts vor. Zur Klärung, welche DJs konkret auftraten, werden noch die Betriebsleiter zu befragen sein oder entsprechende Verträge und Listen im Wege der Angeklagten beizuschaffen sein, damit die Privatanklägerin anhand der bekannt gegebenen Namen dazu Stellung nehmen kann, ob es sich dabei um Vertragspartner von ihr handelt.
Da bislang unklar ist, ob die auftretenden DJs Mitglieder der A* sind und ob dies bei ihrem Engagement thematisiert wurde, ist außerdem weiterhin fraglich, ob die von der Angeklagten und dem Zeugen bisher geschilderten Maßnahmen zur Sicherstellung des Musikaufführungsverbots (vgl ON 42.1, 2 f sowie ON 52.1.1, 5 f und ON 52.1.1, 7) ausreichen konnten, um dessen Einhaltung zu gewährleisten. Der für die DJ-Auswahl verantwortliche Zeuge – der nicht sagen konnte, ab wann ihm das Musikaufführungsverbot bekannt war – gab dazu nur an, dass es an die DJs die sinngemäße Vorgabe gab, Remixe, „eigene Versionen und Produktionen“, aber „keine Originale“ zu spielen, Playlists aber nicht vorgelegt bekommen zu haben. Auf Nachfrage behauptete er noch, es sei kommuniziert worden, nichts von der A* zu spielen (ON 52.1.1, 5 f). Da aber Werke nicht nur in ihrer Gesamtheit, sondern auch in ihren Teilen geschützt sind (§ 1 Abs 2 UrhG) und – sofern tatsächlich bearbeitete Werke im Sinne des § 5 UrhG vorliegen (vgl Schumacher in Handig/Hofmarcher/Kucsko, urheber.recht 3§ 5 UrhG Rz 6 ff) - auch bearbeitete Werke nur mit Einwilligung des Urhebers des bearbeiteten Werks urheberrechtlich verwertet werden dürfen (vgl Schumacher aaO § 5 Rz 29) sowie nach Angaben des Zeugen auch keine Playlists vorlagen, erscheinen die Aussagen der Angeklagten und des Zeugen zu den angeblich ergriffenen Maßnahmen zweifelhaft und ist es zumindest fraglich, ob tatsächlich versucht wurde, die Darbietung von Werken, an denen der A* das Nutzungsrecht zukommt, zu verhindern. Dazu, welche Maßnahmen tatsächlich nach der Zustellung des Musikaufführungsverbots ergriffen wurden, werden die Betriebsleiter – mit denen die Angeklagte nach ihrer Einlassung das Musikaufführungsverbot ausschließlich besprach (ON 42.1, 3 und ON 52.1.1, 3) - zu befragen sein.
Die Einlassung der Angeklagten zur musikalischen Ausrichtung ihrer Clubs erscheint auch vor dem Hintergrund unglaubwürdig, als diesfalls nicht ersichtlich ist, weshalb sie überhaupt mit der Privatanklägerin eine Werknutzungsvereinbarung eingegangen war. Die vom Erstrichter dazu gestellte Frage ließ sie unbeantwortet (ON 42.1, 3). In diesem Zusammenhang blieb auch völlig unberücksichtigt, dass die Angeklagte in ihrer Übernahmebestätigung des Musikaufführungsverbots (./C zu ON 2) ihren Willen zum Ausdruck brachte, eine Ratenvereinbarung abzuschließen, wobei offen blieb, ob und zu welchen Bedingungen dieser Vergleich zustande kam und ob damit die Werknutzung (zumindest vorübergehend) wieder gestattet war.
Nicht nur, dass an den beweiswürdigenden Erwägungen des Erstgerichts erhebliche Zweifel bestehen, ist die Ermittlung des möglichen Beweismaterials noch nicht so weit fortgeschritten, dass über den Anklagevorwurf bereits abschließend entschieden werden könnte. Somit stand bereits vor der öffentlichen Verhandlung fest, dass eine Kassation unumgänglich ist. Im weiteren Verfahren werden die genannten Beweise aufzunehmen und so die leugnende Verantwortung der Angeklagten nachvollziehbar zu überprüfen sein. Nach einer solcherart bewirkten Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage wird erneut über den Anklagevorwurf zu entscheiden sein.