JudikaturOLG Wien

22Bs94/25x – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
EU-Recht
07. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat in der Übergabesache des A* zur Strafverfolgung an die Slowakische Republik über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 14. März 2025, GZ ** 22, nach der am 7. Mai 2025 unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Mathes, im Beisein der Richter Mag. Hahn und Mag. Gruber als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin HR Mag. Riener sowie in Anwesenheit des Betroffenen und seiner Verteidigerin Mag. Binder durchgeführten öffentlichen Übergabeverhandlung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Beim Landesgericht für Strafsachen Wien ist aufgrund Europäischen Haftbefehls des Stadtgerichts Bratislava I vom 21. Jänner 2025, AZ **, ein Übergabeverfahren gegen den am ** geborenen slowakischen Staatsangehörigen A* zur Strafverfolgung an die Slowakische Republik anhängig.

Demnach ist der Betroffene des Vergehens des Diebstahls durch Mittäterschaft nach den §§ 20k, 212 Abs 1 lit b und Abs 2 lit b slowakisches Strafgesetzbuch in Verbindung mit dem Vergehen der Sachbeschädigung nach § 245 Abs 1 slowakisches Strafgesetzbuch verdächtig, weil er am 27. September 2022 in ** gemeinsam mit B* nach vorheriger gemeinsamer Absprache in eine Tiefgarage eingedrungen und zwei Fahrräder im Gesamtwert von EUR 80, weggenommen und sodann die Eingangstür des mit ** bezeichneten Wohnhauses durch Zerkratzen des Türrahmens und Beschädigung des Elektromagnets beschädigt haben soll (ON 4; Übersetzung ON 18.2).

Mit dem angefochtenen Beschluss bewilligte das Erstgericht die Übergabe des Betroffenen unter Wahrung des Spezialitätsgrundsatzes zur Strafverfolgung an die slowakischen Behörden und schob diese gemäß § 25 Abs 1 Z 3 und Z 6 EU JZG bis zur Beendigung der Untersuchungshaft und der allfällig daran anschließenden Strafhaft im Verfahren AZ ** des Landesgerichts für Strafsachen Wien auf.

Dagegen richtet sich die sogleich nach Verkündung erhobene (ON 21, 2) und fristgerecht ausgeführte Beschwerde des A*, mit der er einen Verstoß gegen Artikel 3 MRK moniert, weil seine Familie und er von der Polizei mit dem Umbringen bedroht worden wären, weil er erfahren und gesehen habe, dass der Staat bzw. Beamte illegal Drogen anbauen (ON 23).

Rechtliche Beurteilung

Dem Rechtsmittel kommt keine Berechtigung zu.

Die der Übergabe zugrundeliegenden Straftaten erweisen sich als übergabefähig, weil gemäß § 4 Abs 1 EUJZG nach österreichischem Recht Strafbarkeit nach den §§ 127; 125 StGB besteht und die Taten nach slowakischem Recht mit einer Freiheitsstrafe von bis zu vier Jahren Strafe bedroht sind.

Wenn der Betroffene eine ihn betreffende konkrete Gefährdung für seine Sicherheit und sein Leben im slowakischen Strafvollzug anspricht, ist ihm zu entgegnen, dass nach ständiger Rechtsprechung des EGMR der Beschwerdeführer die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen, ernsthaften (gewichtigen) Gefahr schlüssig nachzuweisen hat, wobei der Nachweis hinreichend konkret sein muss. Demnach muss ein konkretes Risiko bestehen, die betreffende Person würde im Empfangsstaat der tatsächlichen Gefahr einer Artikel 3 MRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt sein, und dies muss anhand stichhaltiger Gründe belegbar sein.

Geht die Gefahr für Leib und Leben nicht von staatlicher Seite aus, muss der Beschwerdeführer nicht nur nachweisen, dass die Gefahr eine unmittelbar drohende ist, sondern auch, dass die staatlichen Autoritäten nicht in der Lage sind, ihn ausreichend vor dieser Gefahr zu schützen (RISJustiz RS0123229 [T1]).

Ein solcher Nachweis erfolgte nicht und vermochte der Beschwerdeführer auch nicht schlüssig darzustellen, weshalb dieser Schutz im slowakischen Strafvollzug nicht möglich sein sollte. Seine durch nichts bescheinigten bloßen Behauptungen stellen jedenfalls den geforderten Nachweis nicht dar. Zudem oblieben dem Vollstreckungsstaat keine Schutzpflichten für die nicht in Haft befindlichen Familienangehörigen.

Bei Übergaben an wie hier Konventionsstaaten ist die Verantwortlichkeit des übergebenden Staats eingeschränkt, weil der Betroffene im Zielstaat Rechtsschutz gegen Konventionsverletzungen erlangen kann (vgl. RISJustiz RS0123201 [T4]). Eine Mitverantwortung des übergebenden Staats kann nur dann bestehen, wenn dem Betroffenen nach seiner Übergabe Folter oder sonstige schwere oder irreparable Misshandlungen drohen und effektiver Rechtsschutz auch durch den EGMR nicht oder nicht rechtzeitig zu erreichen ist (RISJustiz RS0123229 [T6]). Das Vorliegen einer solchen Gefahr wurde von A* jedoch nicht einmal behauptet.

Da das Übergabeverfahren nach dem EUJZG kein Strafverfahren darstellt und weder eine Pflicht zu amtswegiger Wahrheitsforschung besteht noch Artikel 6 MRK anzuwenden ist (vgl. 13 Os 150/07v; Frowein/Peukert, EMRK³ Artikel 6 Rz 5, 25), liegt auch die behauptete Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens nicht vor.

Der erstgerichtliche Beschluss begegnet auch im Übrigen keinen Bedenken, sodass die Übergabe des Rechtsmittelwerbers zulässig ist und dessen Beschwerde daher ein Erfolg zu versagen war.

Gegen die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 1 Abs 2 EUJZG iVm § 9 Abs 1 ARHG iVm § 89 Abs 6 StPO).