JudikaturOLG Wien

21Bs138/25k – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
24. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Krenn als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Sanda und Mag. Maruna als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 2. April 2025, GZ ** 14.2, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Begründung:

Text

Der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt ** eine über ihn mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 15. Juni 2021, rechtskräftig seit 1. Dezember 2021, AZ **, wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB verhängte, mit Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 1. Dezember 2021, AZ 17 Bs 283/21y, herabgesetzte Freiheitsstrafe von sieben Jahren.

Das errechnete Strafende fällt auf den 23. Oktober 2027. Die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach Verbüßung der Hälfte der Strafzeit liegen seit 23. April 2024 vor, jene nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit werden am 23. Juni 2025 erfüllt sein (ON 4, 2).

Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 14.2) ordnete das Landesgericht Krems an der Donau als zuständiges Vollzugsgericht unter Berücksichtigung von Äußerungen des Psychologischen und des Sozialen Dienstes der Justizanstalt ** (ON 8 und 9) sowie nach Einholung von Stellungnahmen der Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter (BEST) (ON 10 und 11), der Staatsanwaltschaft Krems an der Donau, (ON 1.3) und des Leiters der Justizanstalt ** (ON 12), die bedingte Entlassung des A* nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit am 23. Juni 2025 samt Bewährungshilfe und gerichtlicher Aufsicht gemäß § 52a StGB für die Dauer der mit fünf Jahren bestimmten Probezeit an. Weiters wurde ihm die Weisung erteilt, sich in ambulante psychotherapeutische Behandlung zu begeben und den Beginn der Therapie am 15. September 2025 und den weiteren Verlauf sodann alle drei Monate dem Erstgericht nachzuweisen, wobei das Erstgericht die Kostentragung durch den Bund nach Maßgabe des § 179a StVG aussprach.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der Staatsanwaltschaft, mit der diese zusammengefasst unter Hinweis auf die fehlende Deliktseinsicht und die Therapieunwilligkeit des Strafgefangenen und somit auf die fehlende Veränderung der Verhältnisse seit der Tat die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Abweisung der bedingten Entlassung zum Zwei-Drittel-Stichtag, in eventu die Aufhebung und Zurückverweisung mit dem Auftrag, vor der neuerlichen Entscheidung ein kriminalprognostisches Gutachten einzuholen, beantragt.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Nach § 46 StGB ist einem Verurteilten, der die Hälfte der Strafzeit, mindestens aber drei Monate verbüßt hat, der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkungen von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Dabei ist gemäß Abs 4 leg cit auch auf den Umstand Bedacht zu nehmen, inwieweit durch den bisherigen Vollzug der Strafe, insbesondere auch durch eine während des Vollzugs begonnene freiwillige Behandlung im Sinne von § 51 Abs 3 StGB, die der Verurteilte in Freiheit fortzusetzen bereit ist, eine Änderung der Verhältnisse, unter denen die Tat begangen wurde, eingetreten ist, oder durch Maßnahmen gemäß der §§ 50 bis 52 StGB erreicht werden kann.

Die zu erstellende Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, wobei auch besonderes Augenmerk darauf zu legen ist, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben bzw ob negative Faktoren durch Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB ausgeglichen werden können ( Jerabek / Ropper in WK 2StGB § 46 Rz 15/1).

Nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe sind generalpräventive Erwägungen ausnahmslos nicht mehr zu berücksichtigen. Allein die spezialpräventiv geprägte Annahme nicht geringerer Wirksamkeit der bedingten Entlassung ist maßgebliches Entscheidungskriterium ( Jerabek/Ropper , aaO Rz 17). Zu beachten ist insbesondere, dass nach erkennbarer Intention des StRÄG 2008 die bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit der Regelfall sein und die vollständige Verbüßung einer Freiheitsstrafe auf Ausnahmefälle evidenten Rückfallsrisikos beschränkt bleiben soll ( Jerabek/Ropper, aaO Rz 14, 17).

Zwar ist den Stellungnahmen des Psychologischen Dienstes der Justizanstalt ** vom 13. Februar 2025 (ON 8), der Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter vom 20. Februar 2025 (ON 11) und jener des Leiters der Justizanstalt ** vom 28. Februar 2025 (ON 12) zu entnehmen, dass der Strafgefangene die begangene Tat wie bisher in Abrede stellt und darauf gegründet nach wie vor therapeutische Maßnahmen verweigert, so dass in Bezug auf die defizitären Persönlichkeitsanteile des Genannten von einer unveränderten Situation auszugehen ist. Es darf aber nicht übersehen werden, dass der Strafgefangene ungeachtet seiner ihm vom sozialen Dienst attestierten - für ein selbständiges Leben ausreichenden - Agilität mittlerweile 77 Jahre alt ist, seine Strafregisterauskunft bis auf die vollzugsgegenständliche keine weitere Verurteilung aufweist, er das Haftübel erstmalig und nun bereits seit etwa viereinhalb Jahren verspürt und laut der Äußerung der Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter dem statistisch-nomothetischen Kriminalprognosescreening zufolge beim Strafgefangenen hinsichtlich weiterer Gewalt- und Sexualdelinquenz ein unterdurchschnittliches Risiko vorliegt. Dass dieses Kalkül bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung über die bedingte Entlassung nach der Verbüßung der Hälfte der Strafzeit vorgelegen hat, vermag daran nichts zu ändern, zumal der insoweit veränderte Beurteilungsmaßstab für spezialpräventive Bedenken nunmehr ein – lediglich den Ausnahmefall für eine bedingte Entlassung zum Zwei-Drittel-Stichtag darstellendes - evidentes Rückfallrisiko ist, das angesichts der dargestellten Umstände in Verbindung mit den dem Strafgefangenen vom Vollzugsgericht auferlegten Weisungen, der gerichtlichen Aufsicht sowie der Anordnung von Bewährungshilfe nicht angenommen werden kann.

Der Beschwerdeargumentation der Staatsanwaltschaft, wonach der Strafgefangene im Falle seiner bedingten Entlassung in einen Haushalt mit minderjährigen Kindern zurückkehre, ist entgegenzuhalten, dass der Empfehlung der Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter, eine Entlassungsform zu wählen, die eine weitere Einflussnahme über die Zeit der Haft hinaus ermögliche (ON 11, 2), durch die auferlegte Weisung zur Psychotherapie, die Anordnung von Bewährungshilfe und nicht zuletzt die gerichtliche Aufsicht nach § 52a StGB Rechnung getragen wurde, um ein verbleibendes Rückfallrisiko entsprechend zu minimieren.

Da zudem Resozialisierungszwecke des Strafvollzugs durch die der bedingten Entlassung immanente nachfolgende Überwachung wirksamer erreicht werden als durch den Vollzug der Freiheitsstrafe zur Gänze, ist der gegen den der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beschluss gerichteten Beschwerde keine Folge zu geben.