JudikaturOLG Wien

21Bs135/25v – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
17. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Krenn als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Sanda und Mag. Frigo als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A*wegen Nichteinrechnung (§ 115 StVG) über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 26. März 2025, GZ **-3, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Begründung:

Text

Der am ** geborene A* verbüßt nunmehr in der Justizanstalt ** die mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 29.9.2023 zu ** wegen §§ 83 Abs 1 und 15; 107 Abs 1; 125 StGB gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien zu ** vom 26.4.2023 verhängte Zusatzfreiheitsstrafe von zwei Monaten sowie die aufgrund eines gleichzeitigen Widerrufs einer bedingten Entlassung zu vollziehende restliche Freiheitsstrafe von acht Monaten. Darüber hinaus verbüßt A* die zu ** des Bezirksgerichts Innere Stadt wegen § 50 Abs 1 Z 3; 50 Abs 1 WaffG verhängte Freiheitsstrafe von sechs Wochen.

Das urteilsmäßige Strafende fällt (nunmehr) auf den 1.5.2025.

Von einem ihm gemäß § 126 Abs 2 Z 4 StVG für die Zeit vom 4.5.2024, 9:00 bis 21:00 Uhr, nachweislich unter ausdrücklicher Belehrung über die Folgen eines Missbrauchs bewilligten Ausgang kehrte der Strafgefangene nicht in die Justizanstalt zurück und entzog sich dem weiteren Vollzug durch Flucht. Nach vom Leiter der Justizanstalt ** eingeleiteten Fahndung wurde der Strafgefangene am 28.1.2025, 9:55 Uhr festgenommen. Wegen dieser Ordnungswidrigkeit nach § 107 Abs 1 Z 8 StVG wurde über den Strafgefangenen gemäß § 114 Abs 3 Z 1 StVG iVm § 109 Z 5 StVG die Strafe des strengen Hausarrests mit Beschränkung der künstlichen Beleuchtung in der Dauer von vier Wochen verhängt.

Über Antrag des Anstaltsleiters der Justizanstalt ** ordnete das Landesgericht St. Pölten als zuständiges Vollzugsgericht die Nichteinrechnung der Zeit des Ausganges sowie der im strengen Hausarrest zugebrachten Zeit mit der Begründung an, dass der Ausgang wegen Nichtrückkehr des Strafgefangenen durch den Leiter der Justizanstalt ** widerrufen worden sei. Der Hausarrest sei am 13.2.2025 um 8:00 Uhr begonnen worden mit Bescheid vom 4.3.2025 sei die über A* verhängte Ordnungsstrafe nachträglich in der Dauer von einer Woche unter Bestimmung einer Probezeit von drei Monaten teilweise bedingt nachgesehen worden. Der Hausarrest sei am 6.3.2025 um 8:00 Uhr beendet worden (ON 3).

Der Strafgefangene sei im Zeitpunkt der Flucht zur Beschäftigung im Anstaltsbetrieb Wäscherei eingeteilt gewesen und der Arbeitspflicht für Strafgefangene unterlegen (AS 2 in ON 2.3)

Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde des A*, in der er im Wesentlichen vorbringt, nicht vom Ausgang zurückgekehrt zu sein, da er große Angst gehabt hatte, aus Österreich, einem Land, in dem seine Familie und seine Partnerin wohne, abgeschoben zu werden. Die Sorge, nach Russland zurückkehren zu müssen, wo ihm Leid widerfahren werde, habe ihn von seinem Vorhaben, rechtzeitig in die Anstalt zurückzukehren, abgehalten. Er sei nicht geflüchtet, weil er sich der Strafe entziehen habe wollen, sondern einzig deshalb, weil er Angst davor gehabt hatte, abgeschoben und in Folge davon in den Krieg eingezogen zu werden. Er habe sich auch niemals der Arbeitspflicht entziehen wollen und sei seiner Beschäftigung in der anstaltseigenen Wäscherei stets mit großem Pflichtbewusstsein nachgegangen (ON 4).

Rechtliche Beurteilung

Hat sich ein Strafgefangener durch eine Ordnungswidrigkeit vorsätzlich seiner Arbeitspflicht entzogen, ist ihm die wegen dieser Ordnungswidrigkeit im Hausarrest zugebrachte Zeit gemäß § 115 StVG ganz oder teilweise nicht in die Strafzeit einzurechnen. Dabei hat das zur Entscheidung hierüber berufene Vollzugsgericht (§ 16 Abs 2 Z 6 StVG) zunächst zu prüfen, ob dem Strafgefangenen der im § 115 StVG geforderte Vorsatz zur Last fällt. Bejahendenfalls hat es nach Strafzumessungsgesichtspunkten darüber zu entscheiden, ob die im Hausarrest zugebrachte Zeit ganz oder teilweise nicht in die Strafzeit einzurechnen ist. Die Ablehnung jeglicher Nichteinrechnung trotz Bestehens der Voraussetzungen hiefür stünde mit dem Gesetz nicht in Einklang.

Dass der Strafgefangene schon bis zu seiner Abwesenheit in der Wäscherei zur Arbeit eingeteilt war und ohne Flucht auch weiterhin gewesen wäre, ergibt sich aus dem Akt. Durch seine Abwesenheit über die Zeit des Ausgangs hinaus entzog er sich somit zumindest bedingt vorsätzlich seiner bestehenden, konkreten Arbeitspflicht. Dass ihm diese nicht bewusst gewesen sei, wie er in seiner niederschriftlichen Vernehmung im Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten in der Justizanstalt St. Pölten behauptete (AS 16 in ON 2.1), kann ausschließlich dahingehend interpretiert werden, dass er im Zeitpunkt des Entschlusses zur Flucht nicht konkret daran gedacht hatte, keinesfalls jedoch dahingehend, dass er nicht zumindest ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, durch die Flucht sich auch seiner Arbeitspflicht, der jeder Strafgefangene unterliegt und worüber Strafgefangene bei Strafantritt jedenfalls belehrt werden, abfand.

Im Übrigen wird auf die ausführliche Darstellung der Rechtslage im erstgerichtlichen Beschluss verwiesen, die auch zum Inhalt dieser Entscheidung erhoben wird.

Berücksichtigt man weiters, dass bei der Entscheidung auch generalpräventive Erwägungen, insbesondere die negative Beispielswirkung gegenüber anderen Mithäftlingen von Bedeutung sind, entspricht die Nichteinrechnung der gesamten im Hausarrest zugebrachten Zeit der Sach- und Rechtslage, weshalb der Beschwerde des Strafgefangenen ein Erfolg zu versagen war. Seine Intention, aus Angst vor einer Abschiebung nach Russland mit der Folge, als Soldat eingezogen zu werden, zu flüchten, hat darauf keine Auswirkung.