JudikaturOLG Wien

18Bs79/25m – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
28. März 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Frohner als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Primer und Dr. Hornich, LL.M. als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 17. März 2025, GZ **-12, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der am ** geborene rumänische Staatsangehörige A* verbüßt in der Justizanstalt ** eine über ihn mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 4. Mai 2020, rechtskräftig am selben Tag, AZ **, wegen des Verbrechens der Geldwäscherei nach § 165 Abs 1 und Abs 4 StGB, der Vergehen der Urkundenfälschung nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB, der Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB und des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges, teils als Beteiligter nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall, 15, 12 dritter Fall StGB verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren. Das errechnete Strafende fällt (infolge Flucht im Zeitraum vom 6. Mai 2021 bis 17. Dezember 2024) auf den 24. Juni 2027. Die zeitlichen Voraussetzungen einer bedingten Entlassung gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG werden am 24. Juni 2025, jene nach 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG am 24. Februar 2026 erfüllt sein.

Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 12) lehnte das Landesgericht Wiener Neustadt als zuständiges Vollzugsgericht – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Anstaltsleitung (ON 4, 2) und jener der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt (ON 1.2) sowie nach Anhörung des Strafgefangenen (ON 10) – dessen bedingte Entlassung nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG aus spezial- und generalpräventiven Erwägungen ab.

Dagegen richtet sich die unmittelbar nach Beschlussverkündung erhobene (ON 10, 2), zu ON 14 ausgeführte Beschwerde des A*.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist nicht berechtigt.

Gemäß § 46 Abs 1 StGB ist einem Verurteilten nach Verbüßung der Hälfte der verhängten zeitlichen Freiheitsstrafe der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass er durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Besonderes Augenmerk ist nach Abs 4 leg.cit. darauf zu legen, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben bzw ob negative Faktoren durch Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB ausgeglichen werden können. Auch in diesem Fall setzt die bedingte Entlassung aber die Annahme der im Vergleich zur weiteren Verbüßung nicht geringeren Wirkung im Bezug auf künftige Straffreiheit voraus ( Jerabek/Ropper, WK² StGB § 46 Rz 15/1). Bei der zu erstellenden Verhaltensprognose ist insbesondere die Art der Tat, das private Umfeld des Verurteilten, sein Vorleben und seine Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit in die Erwägungen einzubeziehen. Hat ein Verurteilter die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel einer Freiheitsstrafe verbüßt, so ist er trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs 1 solange nicht bedingt zu entlassen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzugs der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken (Abs 2 leg.cit.).

Die Verweigerung einer bedingten Entlassung aus generalpräventiven Gründen setzt gewichtige Umstände, welche sich aus der Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig vorkommenden Begleiterscheinungen eines strafbaren Verhaltens auffallend abheben, voraus. Dabei ist nicht nur der bloße Abschreckungseffekt bei potentiellen Tätern, sondern (iS positiver Generalprävention) auch das Interesse an der Festigung genereller Normtreue der Bevölkerung zu beachten. Die Aspekte generalpräventiver Natur müssen aus der Schwere der Tat ableitbar sein; liegen sie vor, sind sie gleichrangig mit den Erfordernissen der Spezialprävention zu berücksichtigen ( Jerabek/Ropper , aaO Rz 16).

Wie das Erstgericht zutreffend ausführt, sprechen gegenständlich spezialpräventive Erwägungen gegen eine bedingte Entlassung des Strafgefangenen zum frühestmöglichen Zeitpunkt.

Dazu ist zu erwägen, dass die ECRIS-Auskunft des Beschwerdeführers (ON 7) neben der in Vollzug stehenden Verurteilung zwei weitere Verurteilungen aufweist. Er wurde im Jahr 2011 in Rumänien wegen vorsätzlicher Beteiligung an den nicht kriminellen Aktivitäten einer kriminellen Vereinigung und Fälschung von Zahlungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren (Vollzugsdatum unbekannt) und im Jahr 2017 in Deutschland wegen Fälschung von öffentlichen Finanzpapieren zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr verurteilt. Die in der ECRIS-Auskunft ersichtliche weitere Verurteilung in Österreich (ON 7, 8 f) ist in der österreichischen Strafregisterauskunft (ON 6) nicht mehr enthalten.

Darin manifestiert sich eine nicht unbeträchtliche kriminelle Energie und eine deutliche Negativeinstellung des Beschwerdeführers gegenüber den rechtlich geschützten Werten unserer Gesellschaft, insbesondere gegenüber dem Vermögen anderer.

Außerdem flüchtete er am 6. Mai 2021 aus der B* und konnte erst am 17. Dezember 2024 in Polen festgenommen werden (ON 4, 2).

Nicht zu kritisierend kam das Erstgericht sohin zur Ablehnung der bedingten Entlassung des Strafgefangenen wegen spezialpräventiver Umstände, gelegen im einschlägig getrübten Vorleben und der bisherigen Resozialisierungsresistenz. Daraus resultierend bestehen weiterhin geringe Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit, sodass sich eine bedingte Entlassung somit als weniger geeignet erweist, den Beschwerdeführer von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten als der weitere Vollzug der Freiheitsstrafe. Umstände, die für eine positive Verhaltensprognose streiten und das dargestellte negative Persönlichkeitsprofil entkräften könnten, vermochte der Strafgefangene nicht darzustellen. Denn weder seine familiären Verhältnisse noch seine Beteuerungen, dass ihm seine Straftaten leid tun (vgl ON 5, 3; ON 14, 1), bieten hinreichend Gewähr dafür, dass er keine weiteren, insbesondere gegen fremdes Vermögen gerichteten, strafbaren Handlungen begehen werde. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die bisher in Strafhaft zugebrachte Zeit schon ausgereicht hat, um dem Delinquenten das Unrecht seiner Tat ausreichend vor Augen zu führen und ihn zu einem hinkünftig deliktsfreien Lebenswandel zu veranlassen, woran auch die Möglichkeit allfälliger Begleitmaßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB nichts ändert.

Somit erweist sich die Einschätzung des Erstgerichts als unbedenklich, zumal im Hinblick auf das Ziel des Strafvollzugs, Verurteilte durch die Bekämpfung von Charakterdefiziten zukünftig zur Unterlassung von Straftaten zu veranlassen, eine persönlichkeitsverändernde Wirkung beim Beschwerdeführer nur durch die Fortsetzung des Strafvollzugs zu erreichen ist, sodass eine bedingte Entlassung an den dargestellten individualpräventiven Erfordernissen scheitert.

Was die vom Erstgericht angeführten generalpräventiven Erwägungen betrifft, ist festzuhalten, dass das Kriterium der Tatschwere aufgrund des Ausnahmecharakters restriktiv auszulegen ist (vgl Birklbauer, SbgK § 46 Rz 73). Die Wortfolge „Schwere der Tat“ (§ 46 Abs 2 StGB) stellt auf den sozialen Störwert (die kriminelle Bedeutung [RIS-Justiz RS0091863]) einer Tat ab, der durch Handlungs- und Erfolgsunwert determiniert wird. Gewichtige Umstände, die sich aus Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig vorkommenden Begleiterscheinungen strafbaren Verhaltens auffallend abheben, müssen ein Absehen von der vorzeitigen Entlassung unumgänglich erscheinen lassen ( Jerabek/Ropper aaO Rz 16).

Das vom Erstgericht herangezogene Argument, der weitere Vollzug sei aus generalpräventiven Gründen notwendig, blieb ohne ausreichende Begründung. Denn im angefochtenen Beschluss ist lediglich festgehalten, dass angesichts der Faktenvielzahl und der perfiden Vorgehensweise potentiellen Straftätern nicht nur durch eine entsprechende Sanktionierung sondern auch durch einen konsequenten Strafvollzug wirksam vor Augen zu führen sei, dass sich derartige Delinquenz nicht lohnt. Überdies würde eine bedingte Entlassung nach Verbüßung nur der Hälfte der Strafzeit dem Interesse der Festigung der generellen Normtreue in der Bevölkerung zuwiderlaufen, ein verheerendes Signal abgeben und einen Bagatellisierungseffekt bewirken (ON 10, 3).

Eine (einzelfallbezogene [vgl Leukauf/Steininger/Tipold, StGB 4 § 46 Rz 8]) Begründung, woraus sich die gewichtigen Umstände der vollzugsgegenständlicher Taten, welche sich aus der Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig vorkommenden Begleiterscheinungen eines strafbaren Verhaltens auffallend abheben, ergeben, enthält der Beschluss nicht.

Da eine bedingte Entlassung zum Hälftestichtag jedoch bereits an den dargestellten spezialpräventiven Erwägungen scheitert, ist der Begründungsmangel betreffend die generalpräventiven Kriterien unbeachtlich und der Beschwerde ein Erfolg zu versagen.