13R173/24t – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht hat durch den Senatspräsidenten Mag. Häckel als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Reden und Mag. Wieser in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH , **, vertreten durch Mag. Heinz Wolfbauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B*, **, vertreten durch Dr. Werner J. Loibl, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 33.864,-- s.A. über die Rekurse der beklagten Partei gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 29.10.2024 und vom 15.11.2024, **-73 und -80, in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Den Rekursen wird nicht Folge gegeben .
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 4.240,20 (darin EUR 706,70 USt) bestimmten Kosten ihrer Rekursbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung :
Mit Urteil vom 25.7.2024 (ON 64) gab das Erstgericht der Klage auf Zahlung von aus der Nichterfüllung eines Kfz-Leasingsvertrags resultierenden Forderungen Folge und verpflichtete den Beklagten, „EUR 33.864,-- samt vierteljährlichen Zinsen von 0,625 % zu zahlen“ und die Verfahrenskosten zu ersetzen. Die Zustellung des Urteils an den Rechtsvertreter des Beklagten erfolgte am 29.7.2024.
Am 20.8.2024 beantragte die Klägerin die Berichtigung des Urteils, weil irrtümlich ein Zinssatz von 0,625% vierteljährlich ohne Kapitalisierung zugesprochen worden sei bzw der Urteilsspruch, ohne dass eine Einschränkung oder Teilabweisung erfolgt wäre, vom Klagebegehren abweiche.
Darauf fasste das Erstgericht am 21.8.2024 den auf § 419 ZPO gestützten Berichtigungsbeschluss dahin, dass der Beklagte spruchgemäß schuldig sei, der Klägerin „EUR 33.864,-- samt 0,625% (vierteljährlicher) Zinsen bei vierteljährlicher Kapitalisierung ab 9.6.2022 zu bezahlen“ (ON 66). Dieser Beschluss wurde dem Rechtsvertreter des Beklagten am 23.8.2024 zugestellt.
Die Zustellung einer Ausfertigung des berichtigten Urteils erfolgte am 16.9.2024 (s Zustellnachweis ON 67).
Antragsgemäß übermittelte sodann das Erstgericht am 23.9.2024 eine Urteilsausfertigung mit Vollstreckbarkeitsbestätigung an die Klägerin.
Am 10.10.2024 erhob der Beklagte Berufung gegen das Urteil, „zugestellt in seiner berichtigten Form am 13.9.2024“.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 29.10.2024 (ON 73) wies das Erstgericht diese Berufung wegen Verspätung zurück. Der Beklagte habe bereits mit Zustellung des Urteils am 29.7.2024, spätestens mit Zustellung des Berichtigungsbeschlusses am 23.8.2024, keinen Zweifel am wirklichen Inhalt des Urteils haben können.
Weiters wies das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 15.11.2024 (ON 80) den am 11.11.2024 erhobenen Antrag des Beklagten auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung ab, weil die erst am 10.10.2024 eingebrachte Berufung – aus den im Beschluss ON 73 dargestellten Gründen - verspätet sei.
Gegen diese beiden Beschlüsse richten sich die Rekurse des Beklagten jeweils wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Beantragt wird, den Beschluss ON 73 ersatzlos aufzuheben und über die Berufung zu entscheiden sowie den Beschluss ON 80 im Sinne einer Antragsstattgebung abzuändern.
Die Klägerin beantragt, den Rekursen nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die zweckmäßigerweise gemeinsam zu behandelnden Rekurse sind nicht berechtigt.
1. Bei der Frage, ob die Berichtigung eines Urteils die Rechtsmittelfrist neuerlich in Lauf setzt, ist nur entscheidend, ob die Parteien auch ohne Berichtigung keinen Zweifel über den wirklichen Inhalt der Entscheidung haben konnten (RS0041760; RS0041797 [T34, T36 und T49]; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka 5§ 419 ZPO Rz 8). Konnten die Parteien erst durch die Berichtigung volle Klarheit über den Entscheidungsinhalt erlangen, beginnt mit der Berichtigung der Entscheidung eine neue Rechtsmittelfrist (RS0041797 [T52]). Bestand hingegen schon vor der Berichtigung für beide Parteien Klarheit darüber, dass der Entscheidungswille des Gerichtes auf den später berichtigten Inhalt gerichtet war, beginnt mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses keine neue Rechtsmittelfrist (RS0041797 [T45]; M. Bydlinski in Fasching/Konecny 3§ 419 ZPO Rz 12f). Die Berichtigung offenbarer, also sofort „ins Auge springender“ Unrichtigkeiten berührt den eigentlichen Urteilsinhalt nicht, ändert nichts am Umfang einer eingetretenen Rechtskraft und führt auch nicht zu einem Neubeginn der Rechtsmittelfrist (RS0041797 [T33 und T38]).
Die Frage, ob die Parteien auch ohne die Berichtigung keinen Zweifel am Inhalt der Entscheidung haben konnten, ist auch anhand der Entscheidungsgründe zu beurteilen (vgl 5 Ob 275/01d). Der Neubeginn einer Rechtsmittelfrist wurde etwa bei Unterbleiben einer spruchmäßigen Abweisung des Mehrbegehrens verneint, wenn die Entscheidungsgründe keinen Zweifel daran lassen, dass das Gericht über den gesamten Klagsanspruch erkennen wollte (9 ObA 11/00h).
2. Vorliegend fehlte im Spruch des erstinstanzlichen Urteils die vierteljährliche Kapitalisierung der Zinsen und der Beginn des Zinsenlaufs; in den Entscheidungsgründen wird das Zinsenbegehren nicht erwähnt. Da jedoch auch keine Abweisung dieses Teils der begehrten Nebenforderung ausgesprochen wurde und jegliche Begründung für eine Verneinung dieses Anspruchsteils fehlte, konnte für die Parteien in Wahrheit von Anfang an kein Zweifel darüber bestehen, dass das Erstgericht der Klage vollinhaltlich – also auch mit dem Zinsenbegehren – stattgeben wollte. Dass das Erstgericht nicht über das gesamte Klagebegehren absprechen wollte, ist nämlich ebenso wenig wahrscheinlich wie die Annahme, dass es einen Teil der Nebenforderung ohne ausdrücklichen Ausspruch und ohne jegliche Begründung abweisen wollte. Insofern war der Entscheidungswille des Erstgerichts ganz eindeutig erkennbar.
3. Zudem gilt nach der Judikatur, dass etwa eine Berichtigung in einem – hier nicht anzunehmenden - wesentlichenPunkt des Spruchs, damit dieser dem Klagebegehren entspricht, die Frist neuerlich in Lauf setzt (RS0041797 [T23]). Demgegenüber setzt die Berichtigung einer Kostenentscheidung keine neue Rechtsmittelfrist für die Anfechtung der Entscheidung in der Hauptsache in Gang (vgl RS0041797 [T5 u T6], zumal die Parteien durch solche Berichtigung bezüglich der Hauptsache nicht betroffen sind (2 Ob 149/98w). Entsprechend diesem Gedanken wurde etwa auch zu 3 Ob 66/77 ausgesprochen, dass im Fall der Berichtigung eines Meistbotsverteilungsbeschlusses eine neue Rechtsmittelfrist nur für diejenigen Berechtigten zu laufen beginnt, die von der Berichtigung in irgendeiner Weise betroffen sind.
Insofern wäre auch hier zu berücksichtigen, dass der Beklagte in seiner Berufung die Unschlüssigkeit des Klagsanspruchs mangels Präzisierung der Schadenbeträge geltend macht, Feststellungen betreffend eine vom Erstgericht angenommene Bedingung und deren Nichteintritt bekämpft und im Vorgehen der Klägerin einen Verstoß gegen vertragliche Schutzpflichten sowie ihre Schadensminderungspflicht erblickt; mit dem Zinsenzuspruch beschäftigt sich die Berufung hingegen nicht. Der von der Berichtigung betroffene Teil der angefochtenen Entscheidung ist damit ganz unabhängig von den in der Berufung aufgegriffenen Tat- und Rechtsfragen. In einem solchen Fall würde die Zuerkennung eines neuen Fristenlaufs zu einer missbräuchlichen Verlängerung der Rechtsmittelfrist zu Gunsten des Beklagten führen (vgl RS0041797 [T8]).
4. Der Rekurswerber stellt in seinen Rekursen zwar grundsätzlich die von der Judikatur aufgestellten Grundsätze zum Problemkreis zutreffend dar. Er vermag aber nicht stichhaltig darzustellen, weshalb für ihn der wahre Inhalt des Urteilsspruchs nicht unzweifelhaft erkennbar gewesen sein soll.
Soweit in 8 Ob 201/74 (s RS0041797 [T7]) ein neuer Fristenlauf angenommen wurde, weil aus der unberichtigten Urteilsausfertigung nicht erkennbar war, in welcher Höhe, ab welchem Zeitpunkt und aus welchem Betrag dem Kläger Zinsen gebühren, so erscheint dieser Fall nicht einschlägig, war doch dort (anscheinend) gar keine Zinsenentscheidung enthalten, wohingegen vorliegend ein (dem Klagsbegehren entsprechender) Zinssatz, der aus dem Kapitalbetrag zu zahlen sei, genannt wird. Daraus ergibt sich ganz eindeutig, dass die in der Klage begehrten Zinsen vollumfänglich zugesprochen werden sollten.
Dass ein neuer Fristenlauf ausgeschlossen ist, wenn die Berichtigung die Stellung des Rechtsmittelwerbers nicht zu seinem Nachteil verändert wird (RS0041797 [T4]), bedeutet nicht, dass umgekehrt jede nachteilige Veränderung zu einem neuen Fristenlauf führen muss. Vielmehr kommt es hiefür nur darauf an, ob die durch die Entscheidung beschwerte Partei auch ohne Berichtigung keinen Zweifel über den wirklichen Inhalt der Entscheidung haben konnte (RS0041760).
Da – wie ausgeführt – dies zu bejahen ist, löste die Berichtigung des Urteils durch das Erstgericht keine neue Rechtsmittelfrist aus. Daher war auch die Zustellung des Berichtigungsbeschlusses bzw. der berichtigten Urteilsausfertigung nicht mehr fristauslösend und gehen die diesbezüglichen Rekursausführungen ins Leere.
5. Die vierwöchige Berufungsfrist begann vielmehr mit Zustellung des Urteils am 29.7.2024 zu laufen und war bei Erhebung der Berufung bereits abgelaufen. Demzufolge trat die Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils iSd § 7 Abs 2 EO ein. Die Zurückweisung der Berufung war daher ebenso rechtsrichtig wie die Abweisung des Antrags auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung.
Dem Rekurs gegen letztere Entscheidung sei noch erwidert, dass die Vollstreckbarkeitsbestätigung für das Urteil in seiner berichtigten Form (nämlich „ON 64.3“, s ON 70) erteilt wurde und es daher unzutreffend ist, dass sich die Bestätigung auf die unberichtigte Ursprungsfassung des Urteils beziehen würde.
6. Den Rekursen war ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Eine Verbindung der Rekursbeantwortungen kam angesichts der zeitlichen Abfolge nicht in Betracht, sodass beide Rechtsmittelgegenschriften zu honorieren waren.
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ergibt sich aus § 528 Abs 2 Z 2 ZPO.