JudikaturOLG Wien

21Bs473/24y – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
26. Februar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Einzelrichterin Mag. Sanda in der Strafsache gegen A*wegen §§ 15, 201 Abs 1, 107b Abs 1, 107 Abs 1 StGB über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 13. Dezember 2024, GZ ** 6, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird Folgegegeben und der angefochtene Beschluss dahingehend abgeändert, dass der vom Bund gemäß § 196a Abs 1 StPO zu ersetzende Pauschalbeitrag zu den Kosten der Verteidigung des A* mit 500 Euro bestimmt wird.

Text

Begründung:

Die Staatsanwaltschaft Wien leitete am 18. Juli 2024 zu AZ ** ein Ermittlungsverfahren gegen A* wegen §§ 15, 201 Abs 1, 107b Abs 1, 107 Abs 1 StGB ein (ON 2.10), das sie nach Einlangen des polizeilichen Abschlussberichts vom 22. September 2024 (ON 2.2) am 25. Oktober 2024 gemäß § 190 Abs 1 Z 2 StPO einstellte (ON 1.2).

Mit Antrag vom 20. November 2024 begehrte A* gemäß § 196a Abs 1 StPO die Bestimmung eines Beitrags zu den Kosten der Verteidigung (ON 4.2). Der Aufforderung des Erstgerichts, ein Leistungsverzeichnis der bestrittenen baren Auslagen und der tatsächlich getragenen Kosten der Verteidigung vorzulegen (ON 1.4), kam der Beschwerdeführer mit der Begründung, es bestehe mangels Relevanz der tatsächlich verzeichneten Kosten keine Pflicht zur Vorlage eines Kostenverzeichnisses, nicht nach (vgl ON 5).

Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht den vom Bund zu leistenden Beitrag zu den Kosten der Verteidigung mit 300 Euro (ON 6).

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des A*, mit der er den Zuspruch eines angemessenen Pauschalkostenbeitrags begehrt (vgl ON 7.2).

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt im spruchgemäßen Umfang Berechtigung zu.

Nach § 196a Abs 1 StPO hat der Bund, wenn ein Ermittlungsverfahren gemäß § 108 StPO oder § 190 StPO eingestellt wird, dem Beschuldigten auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten. Der Beitrag umfasst die nötig gewesenen und vom Beschuldigten bestrittenen baren Auslagen und - außer im Fall des § 61 Abs 2 StPO - auch einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers, dessen sich der Beschuldigte bedient. Der Beitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen. Er darf – mit hier nicht relevanten Ausnahmen - den Betrag von 6.000 Euro nicht übersteigen.

Die Kriterien des Umfangs der Ermittlungen und der Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen sind anhand des konkreten Ermittlungsverfahrens zu gewichten und gehen Hand in Hand mit dem Umfang der Verteidigung. Ausschlaggebend sind daher insbesondere der sich auf die Verteidigung durchschlagende Aufwand bei den Ermittlungsmaßnahmen, die Dauer des Ermittlungsverfahrens, die Anzahl der Verfahrensbeteiligten sowie die Gestaltung des dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegenden, in seiner Komplexität variablen Sachverhalts, bei dem auch entsprechende, das Ermittlungsverfahren aufwändig gestaltende, erschwerende Umstände zu berücksichtigen sind. Zudem hat die Bemessung des Verteidigerkostenbeitrags immer auch unter dem Blickwinkel der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Verteidigung bzw der einzelnen Verteidigungshandlungen zu erfolgen (vgl auch S 3 der Erl zur RV 2557 der Beilagen XXVII.GP).

Als Kriterien für die Bemessung des Beitrags nach § 393a StPO, an den die Regelung des § 196a StPO angelehnt ist, wurden von der Judikatur bisher der Aktenumfang, die Schwierigkeit bzw Komplexität der Sach- und Rechtslage (etwa die Notwendigkeit, sich mit Gutachten auseinander zu setzen) sowie der Umfang des Ermittlungsverfahrens (Haftverhandlungen, Beschwerden) herangezogen. Die Höhe der vom Verteidiger seinem Mandanten im Innenverhältnis verrechneten Kosten ist für die Bemessung grundsätzlich nicht von Belang (vgl Lendl , WKStPO § 393a Rz 10 f mwN).

Der Pauschalkostenbeitrag im Höchstbetrag der Grundstufe (Stufe 1) in Höhe von 6.000 Euro soll grundsätzlich für alle Verteidigungshandlungen zur Verfügung stehen, die nicht außergewöhnlich oder extrem sind. Da die Bandbreite der Verfahren, die in Stufe 1 fallen, von ganz einfachen Verteidigungsfällen, wie etwa einer gefährlichen Drohung, bis hin zu Wirtschaftsstrafsachen, die auch in dieser Stufe vorkommen können, reichen, kann sich der Betrag je nach Umfang der Ermittlungen und Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen dem im Gesetz vorgesehenen Höchstbetrag annähern bzw sich von diesem weiter entfernen. Dabei wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass ein durchschnittliches Standardverfahren rund 3.000 Euro an Aufwand für die Verteidigung verursachen wird, wobei in dieser Berechnung zwar der Einheitssatz Berücksichtigung findet, die vom ÖRAK in den AHK verankerten (Erfolgs- und Erschwernis-)Zuschläge jedoch außer Betracht zu bleiben haben. Für Verfahren, die in die bezirksgerichtliche Zuständigkeit fallen, erscheint angesichts deren zu erwartender im Regelfall geringeren Komplexität und auch der kürzeren Verfahrensdauer in diesem Sinne eine Reduktion der Ausgangsbasis auf die Hälfte des Durchschnittswerts, sohin 1.500 Euro angemessen (vgl auch S 5 der Erl zur RV 2557 der Beilagen XXVII.GP).

Wenngleich somit in den Erläuterungen zu § 196a StPO Beträge für die Bestimmung der Pauschalkosten bei einem durchschnittlichen Verfahren am Bezirks- und am Landesgericht bestimmt werden, ändert dies nichts daran, dass – wie bisher - weiterhin bei ganz einfachen Verteidigungsfällen der Einstieg etwa bei 10 % des Höchstbetrags anzusetzen ist (vgl Lendl,aaO Rz 9 ff), weil die Kriterien für die Bemessung des konkreten Pauschalkostenbetrages an die Regelung des § 393a Abs 1 StPO angelehnt werden sollen (vgl S 3 der Erl zur RV 2557 der Beilagen XXVII.GP).

Fallbezogen wurde das Ermittlungsverfahren wegen §§ 15, 201 Abs 1, 107b Abs 1, 107 Abs 1 StGB, sohin wegen in die Zuständigkeit des Landesgerichts fallender strafbarer Handlungen (vgl §§ 31 Abs 3 Z 1, Abs 4 Z 1 und 3 iVm 37 Abs 2 StPO), und zwar gegen den Beschwerdeführer als einzigen Beschuldigten geführt (vgl ON 2.1 und 2.2). Es handelt sich weiters um kein Verfahren mit außergewöhnlichem Umfang oder besonderer Komplexität, sondern um ein (sehr) kurzes Ermittlungsverfahren mit einer Anhängigkeit von drei Monaten, dem kein komplexer Sachverhalt zugrunde lag und in dem auch keine komplizierten Rechtsfragen zu klären oder ein Gutachten einzuholen waren. Der Aktenumfang umfasste bis zu der am 25. Oktober 2024 erfolgten Einstellung nach § 190 Z 2 StPO (vgl ON 1.2) nur drei Ordnungsnummern.

Als Zwischenergebnis lässt sich daher festhalten, dass es sich gegenständlich selbst unter Berücksichtigung der als notwendig und der zweckentsprechenden Verteidigung dienlich anzusehenden Verteidigungshandlungen der Verteidigerin des Beschuldigten (Vollmachtsbekanntgabe samt Antrag auf Akteneinsicht und Verschiebung des Termins der Beschuldigtenvernehmung [ON 2.13], Akteneinsicht bei der Polizei [ON 2.11], Erstattung einer zwei Seiten umfassenden Stellungnahme des Beschuldigten zu den Vorwürfen [ON 2.14] und Vollmachtsbekanntgabe samt Antrag auf Akteneinsicht an die Staatsanwaltschaft [ON 3]) um ein in die Zuständigkeit des Landesgerichts fallendes Verfahren mit (deutlich) unterdurchschnittlichem Aufwand handelt.

Ausgehend von den oben aufgezeigten Kriterien für die Bemessung des Pauschalbeitrages und den konkreten Verteidigungshandlungen gibt es aber dennoch keinen Anlass, von der ständigen Rechtsprechung abzuweichen, wonach bei ganz einfachen Verteidigungsfällen der Einstieg mit etwa 10 % des Höchstbetrages (der Stufe 1) anzusetzen ist (vgl Lendl, WK-StPO § 393a Rz 10 ff). Dementsprechend erweist sich der erstinstanzlich erfolgte Zuspruch von 5 % des in § 196a Abs 1 StPO (erste Stufe) festgesetzten Höchstbetrags als zu gering bemessen, sodass der im Spruch ersichtliche Beitrag zuzusprechen und der Ausspruch des Erstgerichts in diesem Sinne zu korrigieren war.

Im Übrigen werden grundsätzlich auch die nötig gewesenen und wirklich bestrittenen baren Auslagen (zusätzlich) refundiert, wobei die tatsächliche Bestreitung vom Beschuldigten zu bescheinigen ist (vgl Lendl , aaO Rz 4). Vorliegend scheitert ein solcher Zuspruch jedoch bereits daran, dass der Beschwerdeführer seiner Bescheinigungspflicht, etwa durch Vorlage eines Kostenverzeichnisses, trotz Aufforderung dazu nicht nachgekommen ist.