16R41/25d – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Sonntag als Vorsitzenden und die Richterinnen des Oberlandesgerichtes Mag. Elhenicky und Mag. Ingemarsson in der Rechtssache der klagenden Partei A* eGen, **, vertreten durch Payer Strondl Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei Ing. B* , **, wegen EUR 200.000,-- s.A., über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 17.1.2025, **-8, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Die Klägerin begehrt vom Beklagten EUR 200.000,-- s.A. aus einem Bürgschaftsvertrag, den dieser zur Besicherung eines Kredites der C* GmbH abgeschlossen habe.
Innerhalb der vom Erstgericht gesetzten Frist zur Erstattung einer Klagebeantwortung beantragte der Beklagte die Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit a und Z 3 ZPO (ON 3). Im Vermögensbekenntnis führte er unter anderem die Beteiligung an mehreren Gesellschaften an, wobei auf Grund von Verlusten keine Gewinnausschüttungen möglich seien und die Beteiligungen teilweise an Banken verpfändet seien. Der Beklagte schloss dem Vermögensbekenntnis unter anderem den Einkommenssteuerbescheid 2021 und ein Berechnungsblatt für seine Einkommenssteuer für 2022 an, aus denen sich jeweils ein negatives Einkommen von über EUR 161.000,-- ergab. An Schulden führte er unter anderem Strafen wegen nicht rechtzeitiger Einbringung der Jahresabschlüsse und ein entsprechendes Exekutionsverfahren beim BG Leopoldstadt an.
Mit Beschluss vom 29.10.2024 (ON 4) trug das Erstgericht dem Beklagten binnen 3 Wochen Ergänzungen bzw. Verbesserungen des Verfahrenshilfeantrages auf, unter anderem:
- die Behauptung, dass im Rahmen der Geschäftstätigkeit lediglich Verluste erwirtschaftet würden, sei durch Vorlage entsprechender Unterlagen für jede einzelne Gesellschaft nachzuweisen. Dazu seien zu jeder Gesellschaft beispielsweise aktuelle Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen bzw. Gewinn- und Verlustrechnungen bzw. eine Darstellung der Umsätze für das Jahr 2024 sowie die jüngsten Bilanzen oder vorläufige Bilanzen vorzulegen (Punkt 4);
- sofern der Beklagte mit seiner Geschäftstätigkeit tatsächlich nur Verluste erwirtschafte, sei näher zu erläutern, wovon er derzeit seinen Lebensunterhalt bestreite, wie er die laufenden Kosten decke und ob er diesbezüglich von dritter Seite unterstützt werde oder Entnahmen aus der Gesellschaft tätige. Es sei jedenfalls explizit anzugeben, welche aktuellen regelmäßigen oder unregelmäßigen Einkünfte der Beklagte derzeit habe. Das Einkommen aus dem Jahr 2022 oder 2023 sei für die Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht maßgeblich. Es sei die derzeitige Einkommenssituation nachzuweisen (Punkt 5);
- vollständige Kontoauszüge hinsichtlich der drei angeführten Bankkonten für die letzten 2 Monate seien vorzulegen (Punkt 7).
Der Beklagte erstattete fristgerecht die Eingabe ON 5:
Darin führte er die acht Gesellschaften jeweils mit Geschäftszweig an und führte bei den operativen Tätigkeiten überwiegend an, dass eine „Verwertung gemeinsam mit der Bank“ stattfinde. Die Vorlage von Unterlagen sei nicht möglich. Dazu verwies er auf ein Schreiben der D* GmbH Co KG E* vom 14.11.2024 (Beilage ./2), dass Mitte Dezember 2024 abgestimmte Saldenlisten 2024 übermittelt werden könnten. Man sei derzeit bei der Erstellung diverser Jahresabschlüsse 2023, diese könnten frühestens bis Mitte Jänner 2025 finalisiert werden (ON 5.3, 1).
Der Beklagte führte in dieser Eingabe aus, er bekomme Unterstützung von dritter Seite, insbesondere seiner Lebensgefährtin, sie bestreite den Lebensunterhalt. Er habe derzeit weder ein regelmäßiges noch ein unregelmäßiges Einkommen. Er kämpfe damit, dass durch die Verwertung der Beteiligungen möglichst wenig Verluste entstünden.
Der Beklagte legte mit dieser Eingabe Kontounterlagen der drei im Vermögensbekenntnis genannten Bankkonten für den Zeitraum 1.10.2024 bis 14.11.2024 vor. Daraus ist betreffend das Konto mit den Endziffern ** hervorzuheben, dass sich Zahlungseingänge von insgesamt EUR 12.877,36 von vier der Gesellschaften finden. Die Überweisung vom 8.10.2024 über EUR 2.578,69 stammt von der F* GmbH Co KG („Rechnung 010/2024“). Die Überweisung vom 28.10.2024 über EUR 463,67 stammt von der G* GmbH. Alle anderen Überweisungen stammen von der H* GmbH mit dem Betreff „Übertrag gem cash pooling“. Eine Überweisung über EUR 75,-- stammt von der I* GmbH.
Am 13.11.2024 findet sich eine Überweisung über EUR 20.000,-- vom Beklagten an die H* GmbH mit dem Betreff „Rückzahlung gem cash pooling“.
Die Überweisung der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen vom 12.11.2024 von EUR 19.435,35 ergibt sich aus einem Beitragsguthaben des Beklagten.
Am 13.11.2024 findet sich ein Eingang von Mag. J* – offensichtlich der Lebensgefährtin des Beklagten – über EUR 3.000,--. Umgekehrt findet sich am 6.11.2024 eine Überweisung vom Beklagten an J* über EUR 3.600,-- mit dem Betreff „Auslagen“. Es finden sich Ausgänge für die Bezahlung von Kreditkartenabrechnungen von EUR 2.447,13 am 13.11.2024 und über EUR 2.168,90 am 11.10.2024.
In ihrer Äußerung ON 7 sprach sich die Klägerin gegen die Bewilligung der Verfahrenshilfe für den Beklagten aus und verwies auf die dargestellten Zahlungseingänge.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Verfahrenshilfeantrag ab.
Das Erstgericht legte seiner Entscheidung nachstehenden Sachverhalt zugrunde:
Der Beklagte ist geschieden und sorgepflichtig für zwei Kinder im Alter von 24 und 18 Jahren, welche sich beide noch in Ausbildung befinden. Für die beiden Kinder bezieht er Familienbeihilfe im Ausmaß von insgesamt EUR 491,40 monatlich. Er lebt gemeinsam mit seinen Kindern in einer 165 m² großen Mietwohnung in **, die er auch als Büro nutzt. Die Wohnkosten belaufen sich jährlich angeblich auf EUR 60.000,--, somit monatlich EUR 5.000,--. Nach Angaben des Beklagten fallen davon 20% auf die private Nutzung.
Der Beklagte ist selbständig erwerbstätig. Er ist Geschäftsführer und Gesellschafter folgender Kapitalgesellschaften, die sich entweder mit dem Erwerb, der Verwaltung und Verwertung von Immobilien oder mit der Finanzierung von Geschäften bzw. der Verwaltung von Unternehmensbeteiligungen befasst: K* GmbH (10%), L* GmbH (50%), M* GmbH (50%), N* GmbH (100%) und H* GmbH (100%). Darüber hinaus ist der Beklagte Alleingesellschafter der O* GmbH sowie Geschäftsführer und Kommanditist der P* GmbH Co KG und der Q* GmbH Co KG, jeweils mit einer Kommanditbeteiligung von EUR 100,--.
Welche Einkünfte der Beklagte aus dieser Geschäftstätigkeit bezieht bzw. inwiefern ihm auf Grund seiner Gesellschaftsanteile Zahlungen zufließen, kann nicht festgestellt werden.
Das Erstgericht führte aus, trotz entsprechender Aufforderung seien keinerlei Nachweise zum Einkommen des Beklagten vorgelegt worden. Er habe weder zur Geschäftstätigkeit und finanziellen Situation der genannten Gesellschaften Belege beigebracht noch seine eigene aktuelle Einkommenssituation auch nur ansatzweise belegt. Allein aus dem Umstand, dass der Beklagte in den Jahren 2021 und 2022 wegen erheblicher Verluste keine Einkommenssteuer zu zahlen gehabt habe, könne nicht der Schluss gezogen werden, dass er auch aktuell über keinerlei Einkommen verfüge.
Dass eine Vorlage von entsprechenden Belegen aus tatsächlichen Gründen nicht möglich gewesen wäre, sei angesichts der Verpflichtung von GmbHs, eine laufende Buchhaltung zu führen, laufend Umsatzsteuervoranmeldungen abgeben zu müssen und auch im Hinblick auf das Schreiben ON 5.3, wonach abgestimmte Saldenlisten für das Jahr 2024 zumindest bis Mitte Dezember 2024 für sämtliche Gesellschaften hätten vorliegen sollen, nicht nachvollziehbar. Außerdem ergebe sich aus den vom Beklagten nachgereichten Kontoauszügen, dass er auf seinem Konto mit den Endziffern ** allein im Zeitraum vom 1.10. bis 14.11.2024 laufend Eingänge zu verzeichnen gehabt habe, die insgesamt eine Summe von EUR 32.237,71 ausgemacht hätten. Dabei habe es sich großteils um Überweisungen der H* GmbH sowie der I* GmbH, aber auch Überweisungen anderer Gesellschaften sowie der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen gehandelt. Den erhaltenen Einnahmen seien auch regelmäßige Ausgaben vom Konto des Beklagten in annähernd der selben Höhe gegenüber gestanden, darunter erkennbar jedenfalls diverse private Ausgaben für den Beklagten und seine Kinder. Regelmäßige Unterstützungsleistungen durch die Lebensgefährtin des Beklagten seien aus den vorgelegten Belegen hingegen nicht hervorgegangen.
Auf Basis dieser Beweislage könne jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte über keinerlei eigene Einnahmen verfüge und zur Deckung seiner Ausgaben ausschließlich auf die Unterstützung seiner Lebensgefährtin angewiesen wäre. Vielmehr sei das Verhalten des Beklagten dahingehend zu würdigen, dass dieser offenbar im Zusammenhang mit den von ihm ausgeübten Geschäftsführertätigkeiten und den von ihm gehaltenen Gesellschafterbeteiligungen sehr wohl regelmäßig Zahlungen erhalte und er entgegen seiner Behauptung daher sehr wohl in der Lage sei, aus seinen laufenden Einnahmen auch höhere Ausgaben zu bestreiten. Damit sei aber auch davon auszugehen, dass seine derzeitige finanzielle Situation es dem Beklagten sehr wohl ermögliche, die Kosten des gegenständlichen Verfahrens zu bestreiten, ohne dadurch seinen notwendigen Unterhalt oder jenen seiner Kinder zu gefährden.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im Sinne einer Bewilligung der Verfahrenshilfe abzuändern.
Die Klägerin und der Revisor haben sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt .
Der Rekurswerber führt zusammengefasst aus, die Vorlage weiterer Urkunden betreffend die Gesellschaften sei nicht möglich gewesen. Es wäre sinnvoll gewesen, gerichtliche Erhebungen durchzuführen, dies in Form der Aufforderung, ergänzende gerichtliche Fragestellungen fristgemäß zu beantworten oder auch in Form der Einvernahme des Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers oder des Beklagten selbst. Die vom Erstgericht gesetzte Frist von 3 Wochen sei für die Aufbereitung der genannten Unterlagen zu kurz gewesen. Aus den vorgelegten Kontoauszügen sei erkennbar, dass es eine Zahlung der Lebensgefährtin gebe. Auch hier hätte es Erhebungen durch eine Einvernahme des Beklagten oder seiner Lebensgefährtin geben müssen.
Diesen Ausführungen ist nicht beizupflichten, es kann vielmehr auf die zutreffende Beurteilung des Erstgerichtes verwiesen werden (§§ 526 Abs 3, 500a ZPO).
Die Ausführungen des Beklagten in ON 5.1, 4 betreffend das Fehlen eines Einkommens stehen im Widerspruch zu den vorgelegten Kontounterlagen. Der Beklagte erwähnt in seiner Eingabe die zitierten Eingänge diverser Gesellschaften mit keinem Wort und erklärt sie auch nicht. Dies gilt auch für das erwähnte Cash Pooling.
Cash Pooling zielt darauf ab, das konsolidierte Finanzergebnis einer Gruppe von Unternehmen zu optimieren und/oder die Liquiditätsplanung und -steuerung zu erleichtern. Zu diesem Zweck werden die einzelnen Konten der Konzerngesellschaften über ein zentrales Konto auf Null ausgeglichen (17 Ob 5/19p mwN).
Ebenso wenig wird die Rückzahlung eines Betrages von EUR 3.600,-- vom Beklagten an die Lebensgefährtin erwähnt oder erklärt. Auch im Rekurs fehlt dafür jegliche Erklärung. Dasselbe gilt für die Bezahlung von Kreditkartenabrechnungen.
Der Beklagte hat dem Verbesserungsauftrag des Erstgerichtes teilweise nicht Folge geleistet. Im Übrigen hat er entgegen diesem Verbesserungsauftrag Kontounterlagen nur ab 1.10.2024 vorgelegt und nicht für die letzten zwei Monate.
Wird ein Verbesserungsauftrag nur unzulänglich beantwortet, so ist in der Regel ein weiterer Verbesserungsauftrag nicht erforderlich (vgl. Klauser/Kodek , JN-ZPO 18§ 66 ZPO E 9/3).
Es ist dem Erstgericht beizupflichten, dass dem Beklagten binnen der gesetzten Frist die Vorlage von aktuellen Unterlagen aus der Buchhaltung der Gesellschaften möglich gewesen wäre.
Zusammengefasst wäre es am Beklagten gelegen, den detaillierten Verbesserungsauftrag des Erstgerichtes vollständig zu erfüllen. Dies ist nicht erfolgt. Nur wenn sich nach vollständiger Befolgung des Verbesserungsauftrages noch Fragen ergeben hätten, wäre das Erstgericht zu weiteren Erhebungen verpflichtet gewesen.
Dem unberechtigten Rekurs war daher der Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 528 Abs 2 Z 4 ZPO.