JudikaturOLG Wien

33R127/24z – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
20. November 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Widerspruchs gegen die Wortmarke AT 318649, über den Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 18.4.2024, WM 10054/2022 9, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung

Text

Im Widerspruchsverfahren stehen einander folgende Marken mit – soweit für das Rekursverfahren relevant – folgenden Waren gegenüber:

Die Antragstellerin erhob Widerspruch gegen die Registrierung des Zeichens der Antragsgegnerin wegen Verwechslungsgefahr.

Die Antragsgegnerin bestritt die Zeichenähnlichkeit und wandte auch die Nichtbenutzung der älteren Marke in den letzten fünf Jahren (Zeitraum vom 8.4.2017 bis 7.4.2022) ein.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab die Rechtsabteilung des Patentamts dem Widerspruch teilweise Folge und hob die Registrierung der jüngeren Marke für alle Waren der Klasse 5 auf, wobei es nur in Bezug auf die oben durch Fettdruck erhobenen Waren von einer glaubhaft gemachten ernsthaften kennzeichenmäßigen Benutzung der älteren Marke (§ 29b Abs 3 MSchG) ausging. Im angefochtenen Beschluss finden sich die Feststellungen dazu auf Seite 4.

Rechtlich folgerte sie, dass die (verbliebenen ernsthaft kennzeichenmäßig benutzten) Waren der Klasse 5 teilweise ident, teilweise ähnlich seien. Beim Vergleich der Zeichen seien in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht auch Ähnlichkeiten gegeben. Die gegenständlichen Waren würden üblicherweise in Selbstbedienungsgeschäften wie Drogerien und Supermärkten sowie in Apotheken angeboten. Dabei trete die Marke den Verkehrskreisen sowohl bildlich auf den Waren als auch klanglich entgegen. Die jüngere Marke überschneide sich mit der älteren Marke in 6 der 7 Buchstaben, wobei nur der mittlere (vierte) Buchstabe unterschiedlich sei. Auch wenn die Verkehrskreise im Bereich der Gesundheit regelmäßig eine etwas erhöhte Aufmerksamkeit an den Tag legen, so schließe dies nicht aus, dass sie vor allem den Wortumfang und das Wortende eines Produkts im Gedächtnis behalten und sich daran orientieren. Die markanten Silben „Ret “ und „ ron“ dominieren und sorgen dafür, dass der unterschiedliche mittlere Buchstabe völlig in den Hintergrund trete. Im Hinblick auf die Identität und/oder Ähnlichkeit der Waren der Klasse 5 sei somit insgesamt kein ausreichend weiter Abstand zwischen den Zeichen gegeben.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragsgegnerin wegen unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Widerspruch zur Gänze abzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1.1 Die Antragsgegnerin beanstandet die Würdigung der Benutzungsunterlagen für die ältere Marke als fehlerhaft und behauptet, diese Unterlagen seien für einen Nachweis einer ernsthaften kennzeichenmäßigen Benutzung der älteren Marke im Zeitraum vom 8.4.2017 bis 7.4.2022 nicht ausreichend.

1.2 Obwohl die Rekurswerberin die Rechtsprechung in Bezug auf eine ernsthafte kennzeichenmäßige Benutzung zutreffend anführt, kann nicht nachvollzogen werden, warum die Urkunden Beilage ./1 bis ./16 nicht ausreichen sollten, um die Benutzung des älteren Zeichens für die verbliebenen Waren der Klasse 5 (durch Festtdruck hervorgehoben) auf dem Markt zu belegen.

1.3 Eine Marke wird „ernsthaft benutzt”, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion – die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, für die sie eingetragen wurde – benutzt wird, um für diese Waren und Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern (C 40/01, Ansul, Rn 43; C 416/04 P, Sunrider, Rn 70; C 259/02, La Mer Technology, Rn 27; Om 8/11, WEG;17 Ob 11/08d, BUZZ!;RS0123519; RW0000854). Das Zeichen muss als Herkunftshinweis für das damit beworbene Produkt verstanden werden (OLG Wien, 133 R 95/17v, Haas, mwN).

Handelt es sich bei der älteren Marke um eine Gemeinschaftsmarke, ist – wovon die Rechtsabteilung zutreffend ausgegangen ist – eine ernsthafte Benutzung innerhalb der Gemeinschaft glaubhaft zu machen. Für die Abgrenzung einer ernsthaften, wirtschaftlich sinnvollen Benutzung von einer nur symbolischen Benutzung gelten die allgemeinen Regeln, wonach es insbesondere auf Umfang und Häufigkeit der Benutzung ankommt (EuGH GRUR 2008, 343, Rn 72 f, BAINBRIDGE ). Die Grenzen der Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten haben außer Betracht zu bleiben (C 149/11, OMEL/Onel ).

Die Marke muss vom Markeninhaber selbst oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten benutzt werden.

1.4 Es gibt kein Mindestmaß einer Benutzung; selbst eine geringfügige, aber wirtschaftlich tatsächlich gerechtfertigte Benutzung kann ausreichen, um die Ernsthaftigkeit zu belegen (C 416/04 P, Vitafruit; Om 14/06, Dreher; Om 4/09, Sallaki; Om 10/10, Nuke mwN).

Auch eine mengenmäßig geringfügige Benutzung kann ernsthaft sein, wenn sie im betreffenden Wirtschaftszweig als gerechtfertigt angesehen wird, um Marktanteile zu behalten oder zu gewinnen (C 259/02, La Mer Technology; C 416/04 P, Sunrider, Rn 72). Die Größe des Vertriebsgebiets ist dabei nur einer der zu berücksichtigenden Faktoren (C 416/04 P, Sunrider, Rn 76). Auch die Eigenschaften des Markts, die einen unmittelbaren Einfluss auf die kaufmännische Strategie des Markeninhabers haben können, können dabei herangezogen werden (C 259/02, La Mer Technology, Rn 3; Om 10/10, Nuke; Om 11/09, BT ). Letztlich ist auch zu unterscheiden, ob die Marke zur Kennzeichnung von Massenartikeln oder von Nischenprodukten verwendet wird (Om 11/09, BT ).

Im Zweifel sind aber keine hohen Anforderungen an den Gebrauch der Marke zu stellen (Om 3/11, Jones; Om 5/10, Coolwater;RS0066797 [das Löschungsverfahren betreffend]).

1.5 Auch wenn eine zeitliche Zuordnung von einzelnen Benutzungsnachweisen nicht überall konkret möglich ist, lässt sich jedenfalls im Zusammenhang mit den vorgelegten Rechnungskonvoluten von 2019 bis 2023 eine ernsthafte geschäftliche Verwendung des älteren Zeichens im maßgeblichen Zeitraum im Hoheitsgebiet der Europäischen Union nachvollziehen . Werbeflyer und Werbebroschüren werden in der Regel dafür erzeugt, um sie im Geschäftsverkehr zur Behaltung und Gewinnung von Marktanteilen zu verwenden. Derartige Werbemittel enthalten in der Regel auch keine Datumsangaben, weil ein Datum für den Werbezweck und der dahinterstehenden kaufmännischen Strategie ohne Informationswert ist; auch nicht für den angesprochenen Verkehrskreis.

In der Zusammenschau der vorgelegten Nachweise hat auch das Rekursgericht keine Zweifel, dass das ältere Zeichen im maßgeblichen Zeitraum ernsthaft und nicht bloß symbolisch in seiner Hauptfunktion als Marke benutzt wurde. Dass die Benutzung nicht über den gesamten Zeitraum nachgewiesen wurde – so wie es die Rekurswerberin vermeint –, vermag nichts an der Ernsthaftigkeit der Benutzung zu ändern; denn unter Berücksichtigung des nicht besonderes strengen Benützungszwangs, den das MschG festlegt, wäre auch ein während der Fünf-Jahres-Frist nur relativ kurzzeitiger Gebrauch ausreichend (vgl Beetz in Kucsko/Schumacher , marken.schutz³ § 33a MSchG Rz 45). Dass der Benutzungsnachweis nicht für einzelne (verbliebene) Waren der Klasse 5 erbracht worden wäre, wurde von der Antragsgegnerin im Rekurs auch nicht releviert.

2.1 Nach Ansicht der Antragsgegnerin hat die Rechtsabteilung die Verwechslungsgefahr zwischen den Zeichen falsch beurteilt. Der Wortbestandteil „Iron“ weise auf den Inhaltsstoff Eisen hin. „Aron“ diene als Abkürzung für den Inhaltsstoff Aronia (Apfelbeere). Die Vorsilbe „Ret“ werde als Abkürzung für die Retina (Netzhaut) des Auges verstanden. Somit seien die Zeichen sinnbildlich voneinander abzugrenzen. Phonetisch gelte das gleiche; die zweiten Wortteile unterscheiden sich deutlich wegen der verschiedenen Selbstlaute. In visueller Hinsicht sei der Wortbestandteil „Iron“ von „aron“ deutlich zu unterscheiden. Zudem sei „Iron“ durch den Großbuchstaben „I“ gekennzeichnet.

2.2 Bekämpft werde auch die Rechtsansicht, dass die so gekennzeichneten Waren der Antragstellerin üblicherweise in Selbstbedienungsgeschäften verkauft würden. Die Antragstellerin verkaufe ihre Produkte nur über Apotheken. Sie vertreibe ihre Nahrungsergänzungsmittel ausschließlich über Ärzte und ihre eigenen Geschäften, wo Fachleute die Beratung durchführen. Zudem seien die Zeichen jeweils unter der Dachmarke zusätzlich gekennzeichnet, womit auch der Verwechslungsgefahr entgegengetreten werde.

3.1In diesem Zusammenhang verkennt die Rekurswerberin, dass im Widerspruchsverfahren die Marken nur nach dem Registerstand, also abstrakt zu prüfen sind (RW0000786, RW0000810). Die gegenüberstehenden Marken sind laut ihrer Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Warenidentität oder ähnlichkeit – die die Antragsgegnerin im Rekurs nicht weiter in Frage stellt – sind ausschließlich die entsprechenden Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen oder in welchen Vertriebskanälen oder unter welchen Dachmarken („Ursapharm“ oder „Biogena“) die Marken tatsächlich verwendet werden.

Ausgehend von der zutreffenden Beurteilung der Rechtsabteilung des Patentamts, dass eine sehr hohe Warenähnlichkeit in der Klasse 5 gegeben ist, müssten sich in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht die Zeichen deutlicher voneinander abgrenzen. Das tun sind aber nicht: Auch nach Ansicht des Rekursgerichts reicht der geringe Unterschied in den Zeichen nicht aus, um im Gesamteindruck Verwechslungen im Verkehr abzuwenden. Es stehen einander ähnliche, teilweise idente Waren gegenüber. Die übereinstimmenden Wortbestandteile der Zeichen, „Ret“ und „ron“, dominieren vor allem in der gesprochenen Sprache. Da dem Wortklang beim Erwerb in der (unstrittig) gemeinsamen Betriebsstätte Apotheke faktisch ein besonderes Gewicht zukommt (vgl 4 Ob 7/12a, Sinupret/Sinuvex ) tritt die beim Lesen und Schreiben möglicherweise eher hervortretende Unterscheidung der Zeichen in den Mittelbuchstaben „a“ und „I“ in den Hintergrund, auch wenn das „I“ groß geschrieben wird.

3.2 Der Antragsgegnerin ist nicht beizupflichten, dass die Wortbestandteile „Iron“ und „aron“ in beiden Zeichen als isolierte Hinweise auf den jeweiligen Inhaltsstoff der so gekennzeichneten Waren verstanden werden. Auch „Ret“ wird – vor allem in dieser Kombination – nicht ohne Weiteres als Abkürzung für die Retina (Netzhaut) des Auges aufgefasst, wie die Antragsgegnerin selbst eingesteht, wenn sie anführt, dass „Ret“ auch ein Hinweis auf den Inhaltsstoff Rettich sein könnte.

Im Gesamteindruck werden daher in diesem Sinn primär keine beschreibenden (Bedeutungs-)Hinweise in den Wortmarken erkannt, sondern die Bezeichnungen werden als eine Art Phantasienamen aufgefasst, die einander zudem ähneln.

3.3Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere auf die Ähnlichkeit der Marken, auf ihre Unterscheidungskraft und auf die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen. So kann ein geringer Grad der Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (vgl RS0121482). Entscheidend ist der Gesamteindruck auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungen (vgl RS0117324). Bei ausschließlich aus Worten bestehenden Zeichen ist für die Ähnlichkeitsprüfung auf Wortklang, bild undsinn Bedacht zu nehmen. Für das Bejahen von Verwechslungsgefahr genügt in der Regel eine Übereinstimmung in einem der drei genannten Kriterien (vgl Rs0079190 [T22]; RS0066753 [T9]).

3.4Diesen Grundsätzen folgend liegt hier beinahe eine Zeichenidentität vor. Die beiden Wortmarken unterscheiden sich nur in einem Buchstaben. Während das „I“ in der jüngeren Wortmarke groß geschrieben ist, enthält das ältere Wortzeichen ein „kleines a“. Zudem liegt – wie bereits erklärt – eine hohe klangliche Zeichenähnlichkeit vor und sind sich die als Phantasiewörter aufgefassten Bezeichnungen sehr ähnlich. Dieser hohe Ähnlichkeitsgrad könnte nur durch einen großen „Warenabstand“ (vgl RS0116294) ausgeglichen werden, was hier aber auch nicht der Fall ist und auch vom Rekurs nicht in Frage gestellt wird (siehe dazu Punkt 3.1).

In diesem Sinn ist der Beurteilung der Rechtsabteilung des Patentamts nicht entgegenzutreten und dem Rekurs war keine Folge zugeben.

4. Angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben war auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 30.000 übersteigt.

Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist, ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig.