JudikaturOLG Wien

33R35/24w – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Immaterialgüterrecht
01. August 2024

Kopf

Endurteil Im Namen der Republik

as Oberlandesgericht Wien hat in den verbundenen Markenschutzsachen der Antragstellerin *** International Association , vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH, gegen die Antragstellerinnen 1. *** GmbH und 2. ***, Inc. , beide vertreten durch die Puchberger Partner Patentanwälte OG in Wien, wegen Unwirksamerklärung der Marke IR -42 über die Berufungen der Antragstellerin und der Antragsgegnerinnen gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung des österreichischen Patentamts vom 31.10.2023, Nm 44, 45, 46/2017 8, in nichtöffentlicher Sitzung

Spruch

I. durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Schober und die Richterin Mag. Tscherner den

Beschluss

gefasst:

Die Berufung der Antragstellerin wegen Nichtigkeit wird verworfen.

II. durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Schober und den fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wimmer, MBA MBL LL.M. MLS, zu Recht erkannt:

1. Die Berufung der zweiten Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

2. Der Berufung der ersten Antragsgegnerin wird nicht Folge gegeben.

3. Der Berufung der Antragstellerin wird Folge gegeben.

Die Entscheidung wird dahin geändert, dass die Marke IR -42 mit Wirkung vom 9.10.2012 für unwirksam erklärt wird.

Die Antragsgegnerinnen sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Antragstellerin binnen 14 Tagen die Kosten des Verfahrens erster Instanz von EUR 10.710 (darin EUR 1.150 Barauslagen) zu ersetzen.

4. Die Antragsgegnerinnen sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Antragstellerin binnen 14 Tagen die Kosten des Berufungsverfahrens von EUR 7.596,60 (darin EUR 800 Barauslagen) zu ersetzen.

5. Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

6. Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe

1. Die Antragstellerin hat ihre separat eingebrachten Löschungsanträge gegen drei Wortmarken (jeweils „***“) gerichtet, nämlich gegen IR -42 der ersten Antragsgegnerin und gegen AT -74 und AT -03 der zweiten Antragsgegnerin. Die Nichtigkeitsabteilung (in der Folge: „NA“) hat die Verfahren verbunden.

Im rechtskräftigen Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien vom 7.7.2021 wurden die Löschungsanträge in Bezug auf die Marken AT -74 und AT -03 der zweiten Antragsgegnerin endgültig erledigt.

2. Das Nichtigkeitsverfahren betrifft nun nur mehr die am 30.8.1947 für die erste Antragsgegnerin (in der Folge auch nur „Antragsgegnerin“) eingetragene Wortmarke IR -42 (betroffen im Verfahren Nm 44/2017)

***,

eingetragen für die Waren der Klasse 16 :

In Bezug auf die oben in eckige Klammer gesetzten Waren „périodiques – Periodika/Zeitschriften“ hat die NA schon in ihrer Entscheidung vom 6.8.2020 die Unwirksamerklärung ausgesprochen. Das Berufungsgericht hat diese Entscheidung mit der Berufungsentscheidung vom 7.7.2021, 33 R 11/21m, bestätigt. Diese Waren spielen im vorliegenden Berufungsverfahren keine Rolle mehr.

In Bezug auf die verbleibenden Waren hat das Berufungsgericht die Entscheidung der NA vom 6.8.2020 aufgehoben und der NA eine neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung aufgetragen.

3.1 Die Antragstellerin stützt ihren Antrag auf § 33a MSchG (Nichtbenutzung der Marken in den letzten fünf Jahren). Sie brachte in den am 9.10.2017 eingebrachten Anträgen dazu vor, dass keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die Marke innerhalb der letzten fünf Jahre für die Waren, für die sie registriert sei, in Österreich rechtserhaltend benutzt worden sei. Die Antragsgegnerin müsste die kennzeichenmäßige Benutzung nachweisen.

Der relevante fünfjährige Zeitraum ist die Zeit vom 9.10.2012 bis zum 9.10.2017.

3.2 Die Antragsgegnerinnen bestritten das Begehren und trugen vor, dass die erste Antragsgegnerin eine Tochtergesellschaft der zweiten Antragsgegnerin sei. Sie benutzten die Marken jeweils mit der wechselseitigen Zustimmung.

In der Gegenschrift vom 6.4.2018 hat die Antragsgegnerin zu den Waren der Gruppe 16 vorgebracht, es würden regelmäßig Bücher zu Wirtschaftsthemen, insbesondere zu Managementtheorien, zur Mitarbeiterführung und zu sozio-ökonomischen Themen veröffentlicht, weltweit vom Verlag S* und im deutschen Sprachraum vom R* Verlag (M* Verlagsgruppe GmbH). Die Verlage seien in diesem Zusammenhang beauftragte Dritte, derer sich die Antragsgegnerin bediene.

Die Antragsgegnerin erstelle und publiziere regelmäßig Berichte, insbesondere „Towards a better future for women and work: Voices of women and men“, veröffentlicht im Jahr 2017 als Druckexemplar und als Internetpublikation. Der Bericht sei auch in Österreich verfügbar gewesen.

„Global Law Order 2015“. Dieser Bericht präsentiere die Ergebnisse weltweiter Umfragen über das subjektive Sicherheitsgefühl und das Vertrauen in die lokalen Sicherheitsbehörden. Der Bericht sei im Jahr 2015 veröffentlicht worden und auch in Österreich verfügbar gewesen.

„2016 Global Great Jobs Report“. Dieser Bericht präsentiere die Ergebnisse weltweiter Umfragen über die Jobzufriedenheit. Der Bericht sei im Jahr 2016 veröffentlicht worden und auch in Österreich verfügbar gewesen.

Auch die Berichte „State of the Global Workplace“ beschäftigten sich ausführlich mit dem weltweiten Arbeitsplatzklima und berichteten über Ergebnisse der Umfrage in Österreich.

Der Bericht „State of Global Well-Being“ zeige Ergebnisse weltweiter Umfragen über die allgemeine Lebenssituation der Befragten.

Aus dem Jahr 2014 stamme der Bericht „The U.S. Global Leadership Project“, für den auch in Österreich Befragungen durchgeführt worden seien, nämlich von Mai bis Juni 2013.

Die Antragsgegnerin habe im Geschäftsbereich „*** Press“ im fraglichen Zeitraum mehrere Fachbücher unter Verwendung der Marke veröffentlicht. Das Buch „StrengthFinders 2.0“ führe die Bestseller-Liste der bei Amazon verkauften Bücher in der Kategorie „Systems Planning“ an.

Im Jahr 2014 sei das Buch „Engagement Index“ veröffentlicht worden. Auch die Bücher „How Full is Your Bucket“ und „Wellbeing: The Five Essential Elements“ seien in Österreich verfügbar gewesen.

Online seien die „C* Online Testkits“ verkauft worden. Zusätzlich seien etwa 8000 sogenannte „Strength Coaching Kits“ in gedruckter und in gebundener Form verkauft worden.

4.1 Im zweiten Rechtsgang hat die Antragsgegnerin in der Stellungnahme vom 15.3.2023 ergänzend vorgebracht, dass im Beobachtungszeitraum ein „Strength Coaching Starter Kit German“ an ein österreichisches Unternehmen, zumindest ein weiteres „Strength Coaching Starter Kit Chinese“ an ein anderes österreichisches Unternehmen, zumindest 12 Ausgaben des Buchs „StrengthFinders 2.0“ als E-Book und zumindest eine Ausgabe dieses Buchs als Hardcover an ein weiteres österreichisches Unternehmen verkauft worden seien.

4.2 Die Antragstellerin hat dazu in ihrer Stellungnahme vom 31.5.2023 vorgetragen, die Antragsgegnerin habe nichts dazu vorgebracht, zu welchen Themen die in der Klasse 16 geschützten Waren vertrieben worden seien, dass die allfälligen Verkäufe quantitativ nicht ausreichen würden und dass eine markenmäßige Benutzung für die Ware „Bücher“ erfordere, dass der Markeninhaber diese Bücher verlege und die Marke benütze, um bei den Kunden auf die Herkunft der Bücher (nicht auf deren Inhalt) hinzuweisen.

Elektronische Veröffentlichungen würden nicht unter die Waren der Klasse 16 fallen.

5.1 Die NA formulierte in der nun angefochtenen Entscheidung den folgenden Spruch:

«Die Marke wird hinsichtlich aller noch aufrechten Waren der Klasse 16 mit Ausnahme der Ware „Druckereierzeugnisse nämlich Bücher“ mit Wirksamkeit vom 9.10.2012 für unwirksam erklärt.»

Da nicht angenommen werden kann, dass die NA den Schutzbereich der Marke erweitern wollte, lässt sich dieser Spruch – auch in Erledigung der darauf bezogenen Berufungsvorträge – zweifelsfrei so lesen, dass verkürzend formuliert wurde, von den „Druckerzeugnissen, Schriften und Berichten, [betreffend die Erforschung etc]“ würden alle Waren gelöscht – ausgenommen die Teilmenge „Bücher“; die NA hat demnach nur darauf verzichtet, die Themen nach „betreffend die Erforschung etc“ im Spruch abschreibend wiederzugeben.

Dass aus den „Druckerzeugnissen“ „Druck erei erzeugnisse“ geworden sind, führt das Berufungsgericht darauf zurück, dass der Begriff „imprimés“ in der authentischen französischen Version der Registrierung nun mit einem anderen Wort in die deutsche Sprache übersetzt worden ist; diese nun gewählte Version entspricht auch der im Klassifikationstool TMclass des EUIPO genannten deutschen Version von „imprimé“ (das deutsche Wort „Druckerzeugnis“ kommt dort in der Klasse 16 nicht vor).

Das Berufungsgericht geht daher davon aus, dass die NA die Marke (in der deutschen Übersetzung) wie folgt aufrechterhalten will:

«Druckereierzeugnisse, nämlich Bücher, betreffend die Erforschung der öffentlichen Meinung sowie sozialer, wirtschaftlicher, politischer, statistischer, religiöser, technischer und hygienischer Fragen, ebenso Themen der Kunst, des Gartenbaus, der Landwirtschaft und der Forstwirtschaft, der Viehzucht, der Fischerei und in Bezug auf Marktforschung und Werbung.»

In Bezug auf „Schriften“ und „Berichte“ soll die Marke für unwirksam erklärt werden.

5.2 Die NA ging dabei davon aus, der Antragsgegnerin sei die Benutzung der Marke nur für Bücher, nämlich beim Vertrieb folgender Bücher gelungen:

Insgesamt seien im relevanten Zeitraum rund 700 Stück dieser Bücher in Österreich verkauft worden, davon das Buch „Stärke im Verkauf“ zweimal.

Das Buch „Entwickle deine Stärken“ stammt von T*, vorgelegt wurde die 3. Auflage 2018, Copyright 2014. Als Verlag scheint der R+ Verlag auf. Das Copyright 2007 steht im Impressum für „The *** Organisation Inc.“. Die Marke ist nicht auf dem Titelbild enthalten (Seite 28 der Entscheidung).

Zum Buch „Führungsstärke“ von T* und B+ finden sich Feststellungen zur 3. Auflage aus dem Jahr 2014 und zur 6. Auflage aus 2018. Die 3. Auflage zeigt auf der Titelseite rechts oben die Marke *** mit ® – in schwarzer Schrift – auf dem Titelblatt und enthält im Buchinneren einen Verweis auf das Copyright „2008 by ***, Inc.“. Die 6. Auflage enthält die Marke nicht mehr auf dem Titelblatt und einen Hinweis auf das Copyright „2008 by ***, Inc.“ (Seite 28 der Entscheidung).

Das Buch „Engagement Index: die neuesten Daten und Erkenntnisse aus 13 Jahren ***-Studie“ von M*, in der 1. Auflage aus dem Jahr 2014, enthält die Marke *** mit ® – in weißer Schrift – auf dem Titelblatt links unten und einen Verweis auf die „Redaktion“ und die „Abbildungen“ durch die „*** GmbH“ (Seite 28 der Entscheidung).

Das Buch: „Stärke im Verkauf / ein komplettes Verkaufstraining“ zeigt auf der Titelseite einen „Button“ mit dem Hinweis „mit dem Strenghfinder von *** (mit ®)“. Das Copyright „The *** Organisation Inc.“, 1. Aufl. 2011, ist angegeben. In einer weiteren Auflage dieses Buchs mit Copyright 2009, 6. Aufl. 2018, steht im Impressum „die englische Originalausgabe erschien 2008 bei *** Press Copyright 2008 bei *** Inc.“, hier fehlt der Button mit ***, aber es gibt einen Hinweis auf D*.

5.3 Rechtlich hat die NA erwogen, dass der Antragsgegnerin der Nachweis der Markenbenutzung nur in Bezug auf „Bücher“ gelungen sei.

6. Gegen diese Entscheidung richten sich die Berufungen der Antragstellerin und der beiden Antragsgegnerinnen, die in ihren Berufungsbeantwortungen beantragen, dem Rechtsmittel der jeweiligen Verfahrensgegnerin(nen) nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung der Antragsgegnerin ist nicht berechtigt. Die Berufung der Antragstellerin ist berechtigt.

7. Zur Berufung der Antragsgegnerinnen:

7.1 Der zweiten Antragsgegnerin fehlt die Rechtsmittelbeschwer, denn sie ist nicht die Inhaberin der Marke IR -42, über deren Bestand nun noch entschieden worden ist. Soweit die Berufung auch von ihr erhoben worden ist, ist sie zurückzuweisen (vgl auch Konecny in Fasching/Konecny 3 IV/1 Einleitung Rz 46 f).

7.2 Im Übrigen stützt die (erste) Antragsgegnerin die Berufung auf unrichtige rechtliche Beurteilung und auf Verfahrensmängel. Sie beantragt, die angefochtene Entscheidung derart abzuändern, dass die Marke im Umfang der Waren „Druckerzeugnisse und Schriften“, gegebenenfalls unter Einbeziehung der registrierten Themengebiete, aufrecht erhalten wird. In eventu beantragt sie die Aufhebung der Entscheidung und die Zurückverweisung der Sache zu ergänzenden Beweisaufnahme an die NA.

Daraus ist festzuhalten, dass sich die Antragsgegnerin nicht dagegen wehrt, dass der Schutz für „Berichte“ für unwirksam erklärt worden ist.

7.3 Zur Frage, ob die NA ein Aliud zugesprochen hat (was die Antragsgegnerin in der Berufung vorträgt) hat das Berufungsgericht bereits oben (Punkt 5.1) Stellung genommen. Es ist davon auszugehen, dass die NA die Marke in einem eingeschränkten Ausmaß aufrechterhalten wollte, also ein Minus zugesprochen hat.

7.4 Als mangelhaft rügt die Antragsgegnerin die Entscheidung, als die NA nicht die „erweiterte Minimallösung“ angewendet habe. Danach wäre der Schutzbereich einer Marke nicht nur darauf zu beschränken, für welche konkreten Waren sie benutzt worden sei, sondern dieser Schutz strahle auf die übrigen im Warenverzeichnis enthaltenen Waren aus. Die NA hätte somit den Schutzbereich nicht auf „[Druckerzeugnisse/Druckereierzeugnisse, nämlich] Bücher“ beschränken dürfen.

Damit macht die Antragsgegnerin in Wahrheit eine unrichtige rechtliche Beurteilung geltend, was aber einer inhaltlichen Behandlung nicht entgegensteht.

Da der Schutzbereich für „Berichte“ nicht mehr im Berufungsantrag enthalten ist, ist nur noch zu prüfen, ob – vorerst eine entsprechende Tatsachenlage unterstellend – die Einschränkung von „Druckereierzeugnissen und Schriften“ auf „Bücher“ zulässig wäre. Auch die „erweiterte Minimallösung“ bringt nicht mit sich, dass grundsätzlich der Schutz einer bestimmten Ware oder einer bestimmten Warengruppe auf alle übrigen Waren oder Warengruppen ausstrahlt; vielmehr ist auch in diesem Fall einzelfallbezogen abzuwägen, ob die Waren in einem ausreichend engen Zusammenhang zueinander stehen. Diese mitunter schwierige Abgrenzung wäre im gegebenen Fall nach der Einschätzung des Berufungsgerichts dahin vorzunehmen, dass der Schutz von „Büchern“ auch den Schutz von „Schriften“ umfassen würde, und dass der Schutz von „Druckereierzeugnissen“ auch den Schutz von „Büchern (und Schriften)“ umfassen würde.

Wie bei der Behandlung der Berufung der Antragstellerin aber noch zu zeigen sein wird, kann diese Frage dahinstehen.

7.5 Der Vortrag der Antragsgegnerin, die angefochtene Entscheidung leide an einem Mangel, lässt sich auch als Tatsachenrüge interpretieren, wonach die NA sich nicht darauf hätte beschränken dürfen, nur die Benutzung der Marke für „Bücher“ festzustellen. Auch hier wäre die falsche Bezeichnung des Rechtsmittelgrundes nicht schädlich, allerdings wäre eine entsprechende Tatsachenrüge erfolglos, weil die Antragsgegnerin nichts dazu vorträgt, auf Grund welcher Beweismittel und auf Grund welcher beweiswürdigenden Überlegungen die NA davon abweichenden Tatsachen hätte feststellen müssen. Die Antragsgegnerin trägt dazu vor, die NA hätte die Vorlage weiterer Beweismittel verlangen müssen. Dabei verkennt sie aber, dass es nach den Regeln der Zivilprozessordnung, die auf das Beweisverfahren der NA anzuwenden ist (§ 120 PatG iVm § 35 Abs 5 MSchG), nicht dem Gericht oder der Behörde obliegt, einer Partei die Vorlage von Beweismitteln aufzutragen. Vielmehr ist es Aufgabe der Partei selbst, ihrer Beweispflicht dadurch nachzukommen, dass alle vorhandenen und zweckdienlichen Beweise vorgelegt und aufgenommen werden. (Der Umstand, dass das Gericht oder die Behörde allenfalls die Unklarheit von vorhandenen Beweismitteln zu erörtern hat, darf damit nicht verwechselt werden.)

7.6 Ebenfalls im Ergebnis als Tatsachenrüge zu werten ist der Berufungsvortrag, wonach die NA nicht festgestellt habe, dass im Beobachtungszeitraum insgesamt drei „Testkits“ verkauft worden seien (Seite 9 der Berufungsschrift). Wie bei der Behandlung der Berufung der Antragstellerin zu zeigen sein wird, kann diese Frage aber offenbleiben.

7.7 Eine Frage der rechtlichen Beurteilung ist es, ob der Verkauf von e Books als Benutzung der registrierten Marke angesehen werden kann. Dazu hat das Berufungsgericht im Aufhebungsbeschluss vom 7.7.2021 zwar eine Rechtsmeinung geäußert, die Entscheidung aber nicht wegen der Missachtung dieser Rechtsmeinung aufgehoben, sondern weil die Feststellungen zur rechtserhaltenden Markenbenutzung in der Warenklasse 16 insgesamt nicht ausreichend klar gewesen sind. An der rechtlichen Beurteilung, dass auch digital verbreitete Inhalte unter den Begriff „Druckereierzeugnisse“ fallen können, hält das Berufungsgericht nicht fest (vgl zur Frage der Bindung: Pimmer in Fasching/Konecny 3 § 499 ZPO Rz 20). Soweit sich die Überlegungen des Berufungsgerichts dazu auch auf digitale „Berichte“ bezogen haben, ist anzumerken, dass die Antragsgegnerin den Schutz von „Berichten“ im Berufungsverfahren nicht mehr anstrebt.

Im Ergebnis bleibt die Berufung der Antragsgegnerin erfolglos.

8. Zur Berufung der Antragstellerin:

Die Antragstellerin macht Nichtigkeit, unrichtige rechtliche Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend. Sie beantragt, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, dass dem Invalidierungsantrag zur Gänze stattgegeben wird (in eventu dass die Entscheidung aufgehoben werde).

8.1 Als nichtig rügt die Antragstellerin, dass die NA den Schutzbereich der Marke mit ihrer Entscheidung erweitert habe. Dazu hat das Berufungsgericht bereits Stellung genommen (siehe oben Punkt 5.1). Die vorgetragene Nichtigkeit liegt nicht vor.

8.2 Der Frage der rechtlichen Beurteilung ordnet das Berufungsgericht den Berufungsvortrag zu, wonach die NA unerörtert gelassen habe, zu welchen Themen die Bücher, deren Vertrieb festgestellt worden sei, verfasst worden seien, ob also die inhaltlichen Bereiche, die hinter der Marke stehen, betroffen sind und ob daraus eine ernsthafte markenmäßige Benutzung abgeleitet werden könne. Damit ist die Berufung im Recht.

Die angezogene Rechtsfrage kann das Berufungsgericht auf Grund der Feststellungen der NA beantworten. Von den oben erwähnten Büchern, deren Vertrieb festgestellt wurde, bezieht sich nur das Buch „Stärke im Verkauf“ auf einen Themenbereich, nämlich „Werbung“, für den der Schutz registriert ist. Die übrigen Bereiche sind davon nicht betroffen („Erforschung der öffentlichen Meinung sowie sozialer, wirtschaftlicher, politischer, statistischer, religiöser, technischer und hygienischer Fragen, ebenso Themen der Kunst, des Gartenbaus, der Landwirtschaft und der Forstwirtschaft, der Viehzucht, der Fischerei und in Bezug auf Marktforschung“). Die anderen Bücher („Entwickle deine Stärken“, „Führungsstärke“, und „Engagement Index“) beziehen sich nicht auf diese Themenbereiche.

Die Antragsgegnerin hat in der Berufungsbeantwortung dazu vorgetragen, dass die Bücher „Managementthemen“ betreffen würden, was die NA auch so festgestellt habe. Das Berufungsgericht setzt „Management“ nicht gleich mit „sozialen Fragen“, „wirtschaftlichen Fragen“, „politischen Fragen“. Auch die weiteren Themen („statistische, religiöse, technische und hygienische Fragen“ etc) sind dafür nicht einschlägig.

Somit verbleibt nur das Buch „Stärke im Verkauf“, von dem – wie festgestellt – im Beobachtungszeitraum zwei Exemplare verkauft worden sind. Aus der Beschreibung dieses Buchs und aus dem vorgelegten Exemplar ergibt sich aber, dass mit diesem Buch die Marke nicht kennzeichenmäßig benutzt worden ist. Auf der Titelseite findet sich nur in einem Kreis hervorgehoben die Wendung „mit dem StrengthFinder von *** ® “. Dies ist allenfalls ein Hinweis auf den Inhalt, nicht aber auf die Herkunft des Buchs.

Abgesehen davon, dass dieses Buch die Marke nicht trägt, wäre die Zahl der (zwei) verkauften Bücher nicht genug, um eine ernsthafte markenmäßige Benutzung anzunehmen.

Dieselben quantitativen Überlegungen treffen auf die Testkits zu, die die Antragsgegnerin zum Thema der Berufung gemacht hat. Davon sind drei Stück verkauft worden. Selbst unter der Annahme, dass damit die Marke überhaupt benutzt worden sei, würde die Grenze unterschritten, ab der eine ernsthafte markenmäßige Benutzung angenommen werden könnte.

8.3 Der Antragsgegnerin hat in der Berufungsbeantwortung zu dieser Frage darauf hingewiesen, die in der Markenregistrierung genannten Themen seien als eine Einheit zu betrachten. Selbst wenn man diese Annahme als zutreffend unterstellen würde, würde das nicht bedeuten, dass die Marke nicht zumindest in einem dieser Bereiche ernsthaft kennzeichenmäßig benutzt worden sein müsste. Wenn – wie soeben dargelegt – eine derartige ernsthafte Benutzung für keines der genannten Themen vorliegt, dann hat die Frage keine Bedeutung, ob die Themen insgesamt als eine „Einheit“ anzusehen wären.

8.4 Da das Berufungsgericht infolge der Rechtsrüge der Antragstellerin aufgrund der Tatsachen, die die NA festgestellt hat, nicht von einer ernsthaften Benutzung der Marke durch die Antragsgegnerin ausgeht, ist die Marke für unwirksam zu erklären. Ein Beschluss nach § 473a ZPO war nicht erforderlich, weil die Antragstellerin in ihre Berufung einen entsprechenden Vortrag aufgenommen hat.

8.5 Auf den weiteren Berufungsvortrag der Antragstellerin braucht nicht mehr eingegangen zu werden.

9.1 Erforderlich wird eine neue Kostenentscheidung für das Verfahren erster Instanz inkl dem ersten Berufungsverfahren. In Bezug auf die schon im ersten Rechtsgang erledigten Marken wird – wie das auch die NA getan hat – mit Kostenaufhebung vorgegangen. Der Invalidierungsantrag in Bezug auf die Marke IR -42 war erfolgreich; die darauf bezogenen Kosten der Antragstellerin haben die Antragsgegnerinnen zu ersetzen.

Das betrifft die Kosten des Antrags bezüglich der Marke IR -42 sowie ein Drittel der Kosten ab der Verbindung der Verfahren. Diese Drittelung wirkt auch im Verfahren über die erste Berufung der Antragsgegnerin fort. In diesem Ausmaß sind die Antragsgegnerinnen ersatzpflichtig. Etwas gerundet beträgt die Ersatzpflicht der Antragsgegnerinnen somit EUR 9.560.

Die Antragstellerin bekommt die Barauslagen für die Anträge in Bezug auf die Marke IR -42 zur Gänze, jene für die beiden anderen Marken zur Hälfte ersetzt (ergibt EUR 1400). Zwei Drittel der Pauschalgebühr der Antragsgegnerin für die erste Berufung trägt hingegen die Antragstellerin zur Hälfte, das ist somit ein Drittel (EUR 250); Diese Beträge sind zu saldieren.

Umsatzsteuer könnte die in der Schweiz ansässige Antragstellerin nur geltend machen, wenn sie sie bescheinigt hätte.

9.2 Im zweiten Berufungsverfahren ersetzen die Antragsgegnerinnen der Antragstellerin die Kosten der Berufung und der Berufungsbeantwortung. Der ERV-Zuschlag beträgt jeweils nur EUR 2,60. Die Antragstellerin hat keine Umsatzsteuer verzeichnet.

10. Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands orientiert sich an der Bedeutung des Markenrechts im Wirtschaftsleben.

Da die Entscheidung über die Benutzung einer Marke überwiegend dem Tatsachenbereich angehört und weil keine Rechtsfragen von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten waren, ist die ordentliche Revision nicht zulässig.