JudikaturOLG Linz

4R105/25a – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
03. September 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch den Senatspräsidenten Mag. Gerhard Hasibeder als Vorsitzenden sowie MMag. Andreas Wiesauer und Mag. Stefan Riegler in der Rechtssache der Klägerin A* Limited, **, **, Vereinigtes Königreich, gegen die Beklagte Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1010 Wien, wegen EUR 310.000,00 sA (hier wegen Bewilligung der Verfahrenshilfe), über den Rekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 7. Juli 2025, Cg*-23, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird keine Folge gegeben.

Der Revisionrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Die Klägerin macht Amtshaftungsansprüche von EUR 310.000,00 sA im Wesentlichen mit der Begründung geltend, Organe der Beklagten hätten das in ihrem Eigentum stehende und in Deutschland zum Verkehr zugelassene Fahrzeug ** zu Unrecht beschlagnahmt und in weiterer Folge versteigert. Bei dem Fahrzeug habe es sich um ein aufwendig umgebautes und „getuntes“ (so genanntes) „Showcar“ bzw „Supercar“ gehandelt, das bei Ausstellungen vorgeführt und zu diesem Zweck von der Klägerin vermietet werden sollte. Der Wert des Fahrzeugs habe im Zeitpunkt der unrechtmäßigen Beschlagnahme im Jahr 2018 zumindest noch EUR 220.000,00 betragen. Der Klägerin seien dadurch außerdem Einnahmen aus der Vermietung von EUR 90.000,00 entgangen. Die Beklagte hafte daher nach dem AHG für diese von ihren Organen unvertretbar rechtswidrig und schuldhaft verursachten Schäden.

Die Beklagte bestritt und beantragte Klagsabweisung.

Mit Urteil vom 18. April 2025 (ON 14) wies das Erstgericht die Klage ab.

Während offener Rechtsmittelfrist beantragte die Klägerin die Bewilligung der Verfahrenshilfe in vollem Umfang. Sie verfüge über kein Vermögen und sei daher außer Stande, die Kosten des Rechtsmittelverfahrens ohne Gefährdung ihres notwendigen Unterhalts zu bestreiten. Ihre Geschäftstätigkeit sei derzeit ruhend gestellt (ON 17). B* C*, der „Director“ und einziger wirtschaftlich Beteiligter der Klägerin, verfüge über monatliche Pensionseinkünfte von EUR 1.238,76 und habe ca EUR 750,00 pro Monat für seine Mietwohnung zu zahlen. Ansonsten habe er kein Vermögen und (nicht näher spezifizierte) „Schulden aus einem Konkurs 2005“. Außerdem würden Exekutionsverfahren gegen ihn geführt. Er sei für seinen ** geborenen Sohn D* C* sorgepflichtig (ON 16).

Mit Beschluss vom 4. Juni 2025 trug das Erstgericht der Klägerin auf, ihren Antrag durch weitere Angaben bzw durch Vorlage weiterer Bescheinigungsmittel zu den im Einzelnen angeführten Punkten zu verbessern, worauf verwiesen werden kann (ON 18; § 500a iVm § 526 Abs 3 ZPO).

Die Klägerin teilte daraufhin mit, dass „ihre Firma ruhend gemeldet“ und die „geplanten Geschäfte eingestellt“ seien. Sie sei aber nach wie vor im Handelsregister (des Vereinigten Königreichs) „aktiv und somit rechtsfähig“. Ihr Kapital seien „die Fahrzeuge“. Das Firmenkonto sei aufgelöst worden, um Kosten zu sparen. Es gebe keine offenen Forderungen und keine Schulden und damit auch keinen Grund für ein Insolvenzverfahren. Andererseits sei es ihr vor dem Hintergrund dieser Vermögenssituation aber auch nicht möglich, ein Darlehen für die Verfahrenskosten aufzunehmen. Die Berufung werde erhoben, da die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts, derzufolge die Klägerin durch die Unterlassung einer Exszindierungsklage ihre Rettungspflicht gemäß § 2 Abs 2 AHG verletzt habe, unrichtig sei (ON 19).

Der Eingabe der Klägerin waren ein Auszug aus dem Handelsregister des Vereinigten Königreichs, die Klägerin betreffende (österreichische) Umsatz- und Körperschaftssteuerbescheide, ein Auszug über ein Konto von B* C* sowie eine Übersicht über gegen diesen geführte Exekutionsverfahren angeschlossen (aaO).

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag der Klägerin ab. Die Klägerin sei einerseits mangels Vorlage aussagekräftiger Bescheinigungsmittel dem Verbesserungsauftrag nicht nachgekommen, weshalb sich ihre Vermögenssituation nicht verlässlich beurteilen lasse. Gleiches gelte für die Vermögenssituation ihres „Kontrollorgans“ B* C*. Andererseits könne nach der jüngeren Rechtsprechung eine Kapitalgesellschaft nur entweder kreditwürdig oder zahlungsunfähig sein, weshalb nur in begründeten Ausnahmefällen Verfahrenshilfe gewährt werden dürfe. Ein solcher Fall liege hier jedoch nicht vor, weil aufgrund der vorgelegten Unterlagen nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Klägerin die Aufnahme eines Darlehens tatsächlich nicht zuzumuten sei. Hinzu komme, dass B* C* als wirtschaftlich Beteiligter die von ihm behaupteten Verbindlichkeiten nicht ausreichend konkretisiert bzw bescheinigt habe.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Ziel, den Beschluss dahin abzuändern, dass die Verfahrenshilfe bewilligt werde. Hilfsweise beantragt sie, den Beschluss aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs keine Folge zu geben. Die Revisorin beim Oberlandesgericht Linz hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Unter lit a ihres Rekurses macht die Klägerin – auf das Wesentliche zusammengefasst – geltend, die Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach sie dem Verbesserungsauftrag mangels Vorlage konkreter Bescheinigungsmittel nicht entsprochen habe, sei unrichtig. Vielmehr „könne eine die Verfahrenshilfe beantragende Partei ihre Vermögenslosigkeit auf jegliche denkbare und ihr mögliche Art nachweisen“. Die Vermögensverzeichnisse der Klägerin und ihres wirtschaftlich Beteiligten reichten in Verbindung mit den vorgelegten Umsatz- und Körperschaftssteuerbescheiden insoweit aus.

Es mag zutreffen, dass es grundsätzlich der Klägerin obliegt, durch welche Bescheinigungsmittel sie ihre Vermögensverhältnisse nachweist. Die Beurteilung, ob die angebotenen bzw vorgelegten Bescheinigungsmittel ausreichen, um vom Vorliegen einer Gefährdung des notwendigen Unterhalts im Sinn des § 63 Abs 1 ZPO ausgehen zu können, ist jedoch Sache der Gerichte.

Insoweit gelingt es der Klägerin nicht, eine Fehlbeurteilung des Erstgerichts aufzuzeigen. Bereits das Oberlandesgericht Innsbruck hat in dem von der Klägerin selbst vorgelegten Beschluss zu 4 R 90/24b (Beil ./A) zutreffend darauf hingewiesen, dass die österreichischen Umsatzsteuerbescheide der Klägerin nur darüber Auskunft geben, dass sie in Österreich keine Umsätze erwirtschaftet, nicht aber darüber, ob es solche in anderen Ländern gibt oder gegeben hat (was bei einer ausländischen Gesellschaft auch nicht fern liegt). Gleiches gilt notwendigerweise für die durch die ebenfalls bloß durch österreichische Körperschaftssteuerbescheide bescheinigten (fehlenden) Gewinne. Da die weiteren vorgelegten Unterlagen (Kontoauszug, Übersicht über Exekutionsverfahren) nur ihren wirtschaftlich Beteiligten betreffen, reduzieren sich die Bescheinigungsmittel im Ergebnis auf die Angaben der Klägerin im Vermögensverzeichnis bzw in ihrer am 20. Juni 2025 bei Gericht eingelangten Eingabe (ON 19).

Wenn das Erstgericht diese nicht als ausreichend ansieht, ist das nicht zu beanstanden. Ungeachtet dessen, dass die Klägerin im Rekurs gar nicht ausdrücklich, sondern bestenfalls andeutungsweise geltend macht, dass sie über keine weiteren Unterlagen verfügt, ist davon auch nicht auszugehen. Zum einen ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum sie nicht beispielsweise die von ihr behauptete Auflösung ihres Geschäftskontos aus Kostengründen bescheinigen hätte können (zB durch entsprechende Korrespondenz mit der Bank). Zum anderen geht aus dem vorgelegten Auszug aus dem Handelsregisters des Vereinigten Königreichs – trotz offenbar maschinell erfolgter und daher mitunter „holpriger“ Übersetzung in die deutsche Sprache – hervor, dass die Klägerin bis zum 30. September 2025 „Rechnungen bis 31. Dezember 2024“ vorlegen muss (Abschnitt „Konten“, S 6/ON 19). Im Abschnitt „Bestätigungserklärung“ (aaO) ist festgehalten, dass die nächste „Abrechnung“ zum Termin 19. August 2025 bis zum 2. September 2025 fällig ist. Auch wenn sich daraus nicht hinreichend deutlich ergibt, in welcher Form die „Abrechnung“ zu erfolgen hat (etwa durch Bilanz, Jahresabschluss oder einfache Einnahmen-Ausgaben-Rechnung), lässt sich daraus immerhin der Schluss ziehen, dass es auf irgendeine Art und Weise geschäftliche Aufzeichnungen geben muss, die dem britischen Handelsregister regelmäßig zu übermitteln sind (und sei es in Form entsprechender „Leermeldungen“ in der Art, dass im entsprechenden Geschäftsjahr keine Geschäftsfälle stattgefunden haben). Die Klägerin hat für die letzten Geschäftsjahre die erforderlichen Erklärungen offenbar auch vorgenommen (arg „Letzte Konten bis 31. Dezember 2023“ bzw „Letzte Stellungnahme vom 19. August 2024“; S 6/ON 19).

Daher ist davon auszugehen, dass die Klägerin nach dem – entsprechend weit gefassten – Verbesserungsauftrag (siehe insbesondere Pkt 2, ON 18) zumindest diese Eingaben an das Handelsregister vorlegen hätte können. Hinzu kommt noch, dass der Handelsregisterauszug keine Hinweise darauf enthält, dass die Geschäftstätigkeit – wie von der Klägerin behauptet – tatsächlich „ruhend gestellt“ ist und auch nicht nachvollziehbar ist, warum die Klägerin eine allfällige „Ruhendmeldung“ an das Handelsregister nicht vorgelegt hat.

Bei einer wertenden Gesamtschau dieser Umstände ist das Erstgericht daher zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin dem Verbesserungsauftrag nicht vollumfänglich entsprochen hat. Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass außerdem bereits das Oberlandesgericht Innsbruck im oa Beschluss die Klägerin darauf hingewiesen hat, dass sie nach ihrem eigenen Vorbringen weitere in ihrem Eigentum stehende Fahrzeuge, nämlich einen ** sowie eines der Marke **, zurückerhalten habe, worüber sie in ihrem Antrag jedoch „kein Wort verliere“ (S 13 in Beil ./A). Auch im Verfahren vor dem Erstgericht nimmt sie auf diese Fahrzeuge in ihrem Vorbringen ausdrücklich Bezug (S 6/ON 11, zweiter Absatz), ohne – entweder im Vermögensverzeichnis (in dem explizit nach Fahrzeugen gefragt wird) oder in der Verbesserung des Antrags – zu deren Schicksal bzw eines damit womöglich erzielten Veräußerungserlöses Stellung zu beziehen.

Im Übrigen erwähnt sie sogar in der Verbesserung ihres Antrags andere (ihrer Ansicht nach „entwendete“) Fahrzeuge (Pkt 1 in ON 19), die das „Kapital der Firma und die Grundlage für die geplanten Geschäfte seien (Pkt 2 in ON 19). Damit bezieht sie sich offenkundig (auch) auf die oa zurückgegebenen Fahrzeuge.

Damit bleibt die Vermögenssituation der Klägerin trotz Verbesserung zumindest unklar, weshalb das Erstgericht den Antrag schon deshalb folgerichtig abgewiesen hat. Ob Kapitalgesellschaften tatsächlich in der Regel nur entweder zahlungsunfähig oder kreditwürdig sein können oder ob zwischen diesen beiden Stadien ein Spielraum existiert, der die Bewilligung der Verfahrenshilfe ermöglicht (siehe dazu näher OLG Wien 5 R 2/23k mwN), kann dahingestellt bleiben, sodass die darauf abzielenden Ausführungen der Klägerin unter lit b ihres Rekurses keiner Erwiderung bedürfen.

Zusammengefasst musste dem Rekurs der Klägerin daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 528 Abs 2 Z 4 ZPO.