JudikaturOLG Linz

9Bs176/25h – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
28. August 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterin Mag. Kuranda als Vorsitzende sowie die Richter Mag. Graf und Mag. Huemer-Steiner in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 16. Juli 2025, Hv*-101, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Aus Anlass der Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung verwiesen.

Text

Begründung:

A* wurde mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 30. Mai 2023 (ON 36) des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27a Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, teilweise Abs 2 SMG schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung der §§ 28 StGB und 19 JGG nach dem Strafsatz des § 28a Abs 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, auf die die Vorhaft angerechnet wurde.

Nach Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens (ON 41) wurde der Vollzug der Freiheitsstrafe gemäß § 39 Abs 1 SMG für zwei Jahre bis 30. Mai 2025 unter der Voraussetzung aufgeschoben, dass sich A* für die Dauer des Strafaufschubes einer stationären Therapie von sechs Monaten und im Anschluss daran einer ambulanten Therapie in Form einer psychosozialen Beratung und Betreuung samt Psychotherapie unterzieht (ON 42).

Die stationäre Therapie hat A*, wie vom Erstgericht aktengetreu wiedergegeben, mit Unterbrechungen, bei den Therapieeinrichtungen B* und zuletzt C* bis 18. Oktober 2024 regulär absolviert. Die daran anschließende ambulante gesundheitsbezogene Maßnahme hat er in der Folge ab 24. Oktober 2024 bei der Therapieeinrichtung C* begonnen (ON 75) und bis zum 26. Jänner 2025 fortgesetzt, war danach allerdings für die Therapieeinrichtung nicht mehr erreichbar (ON 86).

Am 17. März 2025 beantragte die Staatsanwaltschaft Linz den Widerruf des Strafaufschubs (ON 1.88). Zum beantragten Widerruf äußerte sich der Verurteilte nach seiner Inhaftierung am 02. Mai 2025 (infolge Widerrufs von Strafaufschüben aus anderen Verfahren) mit Schreiben vom 15. Mai 2025 (ON 94), worin er beantragt, den Strafaufschub nicht zu widerrufen, weil er nach wie vor bereit sei, die bereits begonnene ambulante Therapie (auch in Haft) fortzusetzen. Diese habe er vorübergehend nur deshalb abgebrochen, weil er einer Inhaftierung entkommen wollte. Die Staatsanwaltschaft hielt ihren Antrag auf Widerruf des Strafaufschubs aufrecht (ON 1.96).

Mit Beschluss vom 27. Mai 2025 (ON 96) wies das Landesgericht Linz den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf des dem A* gemäß § 39 Abs 1 SMG gewährten Strafaufschubs im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass A* zwischenzeitig nicht wegen einer nach dem SMG bzw. eine im Zusammenhang mit seiner Gewöhnung an Suchtmittel begangenen Tat verurteilt wurde und insgesamt betrachtet nicht von einem dauerhaften Therapieabbruch ausgegangen werden könne. Dieser Beschluss erwuchs in Rechtskraft.

Nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens (ON 99) gewährte das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 16. Juli 2025 (ON 101) eine bedingte Strafnachsicht nach § 40 Abs 1 SMG hinsichtlich des noch nicht verbüßten Teils der über A* mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 30. Mai 2023 verhängten unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten nicht. Ausgehend von dem psychiatrischen Gutachten und dem letzten Bericht des C* vom 23. Februar 2025 (ON 86) gelangte das Erstgericht zu der Auffassung, dass der Verurteilte sich bisher ohne Erfolg der gesundheitsbezogenen Maßnahme unterzogen habe, sodass die Freiheitsstrafe zu vollziehen sei.

Dagegen erhob der Verurteilte fristgerecht Beschwerde, mit dem Ziel, „die bedingte Strafnachsicht zu gewähren, in eventu den Widerruf des Strafaufschubs aufzuheben, sodass der Beschwerdeführer seinen Weisungen nach wie vor nachkommen könne, jedenfalls die Anordnung des Vollzugs des offenen Teils der Freiheitsstrafe aufzuheben“ (ON 102).

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist nicht berechtigt. Sie verkennt nämlich, dass dem Verurteilten der Strafaufschub gerade nicht nach § 39 Abs 4 SMG widerrufen, sondern eine bedingte Strafnachsicht nach Ende des Strafaufschubs gemäß § 40 SMG nicht gewährt wurde. Bei der Entscheidung nach § 40 SMG haben Aspekte der Generalprävention außer Bedacht zu bleiben, eine gesonderte Prognose über das künftige Wohlverhalten des Verurteilten, wie in der Beschwerde releviert, ist nicht anzustellen (vgl Matzka/Zeder/Rüdisser, SMG 3 § 40 Rz 18).

Das Beschwerdevorbringen trifft allerdings insoweit zu, als der Hinweis des Sachverständigen auf eine Delinquenz unter Alkoholeinfluss alleine nicht geeignet ist, den Erfolg einer gesundheitsbezogenen Maßnahme zu verneinen. Aus Anlass dieser Beschwerde war der angefochtene Beschluss gemäß § 89 Abs 2a Z 3 StPO aus folgenden Erwägungen aufzuheben und an das Erstgericht zur neuen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zu verweisen:

Wenn ein Strafaufschub nach § 39 SMG nicht zu widerrufen ist, oder wenn sich ein an Suchtmittel gewöhnter Verurteilter sonst mit Erfolg einer gesundheitsbezogenen Maßnahme unterzogen hat, ist die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von mindestens einem und höchstens drei Jahren bedingt nachzusehen (§ 40 Abs 1 SMG). Was unter Erfolg der gesundheitsbezogenen Maßnahme zu verstehen ist, lässt sich nicht allgemein gültig definieren. Jedenfalls handelt es sich um einen Rechtsbegriff, dessen juristischer Gehalt nicht in allen Fällen mit ärztlichem, psychologischem oder psychotherapeutischem Begriffsverständnis zur Deckung gebracht werden kann. Der Erfolg der gesundheitsbezogenen Maßnahme hängt letztlich davon ab, welches Ziel die jeweilige Maßnahme verfolgt, das für den Einzelfall festgelegt werden kann. Er ist somit anzunehmen, wenn das im konkreten Fall aus Sicht der jeweiligen Wissenschaft mögliche Ziel dieser Behandlung erreicht ist ( Schwaighofer in Höpfel/Ratz WK 2SMG § 40 Rz 13 mwN). Aus dem Gesetz ist nicht ableitbar, dass der Behandlungserfolg so nachhaltig sein muss, dass der Verurteilte in Hinkunft nie mehr illegale Suchtmittel konsumieren werde (vgl Schwaighofer in Höpfel/Ratz WK 2SMG § 40 Rz 14 mwN).Für einen „Teilerfolg“ der Drogenfreiheit genügt es aber nicht, wenn der Verurteilte noch weitere gesundheitsbezogene Maßnahmen bedarf, um einer Drogenabstinenz zumindest näher zu kommen. Die aktuelle Freiheit von Suchtmittelmissbrauch ist dann nicht hinreichend, wenn die dem früheren Suchtmittelkonsum zugrunde liegenden persönlichkeitsstrukturellen Defizite unvermindert fortbestehen, sodass mit Rückfällen gerechnet werden muss (OGH 14 Os 145/07s, 14 Os 144/07v).

Ausgehend vom referierten Akteninhalt muss bei A* angenommen werden, dass er während des Strafaufschubs und seiner Therapien, aber auch nach Abbruch der ambulanten Therapie im Jänner 2025 bis zu seiner Inhaftierung im Mai 2025 keine Suchtmittel mehr zu sich genommen. Diese jedenfalls „aktuelle“ Suchtmittelabstinenz, von der hier im Zweifel auszugehen ist, kann demnach zumindest als Teilerfolg der absolvierten gesundheitsbezogenen Maßnahme gewertet werden, ohne dass sie im Lichte des § 40 Abs 1 SMG einen positiven Therapieabschluss gleich zuhalten wäre. Ziel der gesundheitsbezogenen Maßnahmen bei A* war – wie dies auch vom gerichtlichen Sachverständigen Dr. D*, LL.M. ins Auge gefasst wurde – die Beseitigung oder Minderung der dort gestellten Diagnosen einer psychischen und Verhaltensstörungen durch multiplen Substanzmissbrauch und psychischen Verhaltensstörungen durch Alkoholmissbrauch (Abhängigkeitssyndrom), um eine dauerhaften Drogenabstinenz zu erreichen (ON 41).

In dem nunmehr zur Frage des Vorliegens eines Erfolgs der gesundheitsbezogenen Maßnahmen iSd § 40 Abs 1 SMG eingeholten psychiatrischen Gutachten hielt der Sachverständige Dr. E* fest, dass bei A* eine Abhängigkeit von Cannabis, Kokain und schädlichen Gebrauch von Amphetaminen, zusätzlich ein Verdacht auf Verhaltensstörung unter Alkoholeinwirkung besteht.

Er kam zu dem Ergebnis, dass sich A* bisher ohne Erfolg der gesundheitsbezogenen Maßnahme unterzogen habe und hielt dazu wörtlich fest:

Er hat die stationäre Entwöhnungstherapie zwar regulär beendet. Er hat anschließend zwar eine psychosoziale Betreuung begonnen, demgegenüber aber keine Psychotherapie. Die Betreuung hat er aus Angst vor der Haft vorzeitig beendet. Trotz des Wissens bezüglich der paradoxen Wirkung des Alkohols, kam es 09/25 neuerlich zu einer Verhaltensstörung unter Alkoholeinfluss mit erhöhter Impulsivität. Mittel der Wahl wäre nebst Meiden von Alkohol vor allem eine Psychotherapie und Fortsetzung der psychosozialen Betreuung.“

Ausgehend davon, dass dem Verurteilten die gesundheitsbezogenen Maßnahmen primär mit dem Ziel auferlegt wurden, dass er sich umfassend von Suchtmittel distanziert und zwar unter Einsatz aller ihm nach den Umständen möglichen und zumutbaren, der Art nach bestimmten und nicht offenbar aussichtslosen gesundheitsbezogenen Maßnahmen, reicht die Expertise des Sachverständigen nicht aus, um den Erfolg der gesundheitsbezogenen Maßnahmen verlässlich beurteilen zu können. Aus dem Gutachten des Sachverständigen lässt sich nämlich nicht ableiten, welchen Einfluss der Abbruch der psychosozialen Betreuung und die (vermeintlich) nicht begonnene Psychotherapie auf die Suchterkrankung bezüglich Cannabis, Kokain und Amphetamin hat, weil der Sachverständige ausschließlich auf das Verhalten des Verurteilten nach Missbrauch von Alkohol Bezug genommen hat, ohne ins Kalkül zu ziehen, wie die bisherigen stationären und ambulanten Therapie bezogen auf die Suchtmittelabhängigkeit des Verurteilten Einfluss genommen und ihm dem Ziel einer Drogenabstinenz zumindest näher gebracht haben, dies vor allem auch unter Berücksichtigung einer nunmehr bereits seit Monaten bestehenden Drogenabstinenz.

Das Gutachten des Sachverständigen wird daher im weiteren Verfahren um die Frage zu ergänzen sein, ob der Verurteilte aufgrund der bisherigen Therapien während des Strafaufschubs, auch unter Berücksichtigung des vorzeitigen Abbruchs der ambulanten Therapie (aus Angst vor einer Inhaftierung) einer Drogenabstinenz (bezogen auf Cannabis, Kokain und Amphetamin) so weit näher gekommen ist, dass er keine weiteren gesundheitsbezogenen Maßnahmen mehr benötigt. Weiters möge dabei darauf eingegangen werden, ob bei A* jene Persönlichkeitsdefizite, die seine Suchtmittelabhängigkeit bedingten, noch weiter bestehen, oder soweit abgebaut wurden, dass es keiner weitere Therapien mehr bedarf.

Außerdem möge aufgeklärt werden, wie der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, dass sich der Verurteilte keiner Psychotherapie unterzogen habe. Aus dem Abschlussbericht der stationären Therapieeinrichtung C* (ON 76) ergibt sich nämlich, dass A* in allgemeinmedizinischer und psychiatrischer Behandlung stand und sowohl ein psychologisches gruppentherapeutisches Setting als auch eine psychologische Behandlung im Einzelsetting absolvierte. Die Berichte der ambulanten Therapieeinrichtung C* (ON 82 und 86), bei dem sich der Verurteilte einer gesundheitsbezogenen Maßnahme im Sinne des § 11 SMG unterzog, wurde von einer Psychotherapeutin unterfertigt.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.