9Bs160/25f – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterin Mag. Kuranda als Einzelrichterin in der Strafsache gegen A*wegen des Verdachts des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über dessen (Kosten-)Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 4. Juli 2025, HR*-9, entschieden:
Spruch
Der Beschwerde wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der dem A* zu ersetzende Pauschalbetrag zu den Kosten seiner Verteidigung mit EUR 3.000,00 bestimmt wird.
Text
Begründung:
Gegen den am ** geborenen A* behing zu St* der Staatsanwaltschaft Linz ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Begehung des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB, welches die Anklagebehörde am 14. November 2024 gemäß § 190 Z 2 StPO einstellte (ON 1.12).
Hierauf beantragte A* unter Hinweis auf eine Leistungsaufstellung in der Gesamthöhe von EUR 7.295,58 (darin enthalten 50% Erfolgszuschlag und USt) einen angemessenen Beitrag zu den Kosten seiner Verteidigung (ON 8.2). Nach Einholung einer Äußerung der Staatsanwaltschaft (ON 1.13) setzte das Erstgericht mit dem nun angefochtenen Beschluss (ON 9) den Verteidigerkostenbeitrag mit EUR 1.150,00 fest.
Dagegen wendet sich die Beschwerde des A* (ON 10.2), mit der dieser die angemessene Erhöhung des Beitrags zu den Kosten seiner Verteidigung begehrt.
Das Rechtsmittel ist erfolgreich.
Rechtliche Beurteilung
Wird ein Ermittlungsverfahren gemäß § 190 StPO eingestellt, so hat der Bund dem Beschuldigten auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten. Dieser Beitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen und darf den Betrag von EUR 6.000,00 nicht übersteigen (§ 196a Abs 1 StPO).
Mit dieser seit 1. August 2024 geltenden neu einen Ersatzanspruch für Verteidigungskosten bei Einstellung eines Ermittlungsverfahrens normierenden Bestimmung (BGBl I 2024/96) sollen die Kriterien für die Bemessung des konkreten Pauschalbeitrags generell an die bereits im Rechtsbestand enthaltene Regelung des § 393a Abs 1 StPO angelehnt, jedoch – wie auch dort – spezifischer und umfangreicher gefasst werden; grundsätzlich wird aber weiterhin an der Bemessung des Kostenbeitrags in Form von Pauschalkostenbeiträgen festgehalten (EBRV 1557 BlgNR 27. GP 2ff).
In dem Sinn sind den Gesetzesmaterialien zufolge die Kriterien des Umfangs der Ermittlungen und der Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen anhand des konkreten Ermittlungsverfahrens korrespondierend zum Umfang der Verteidigung zu gewichten. Maßgeblich sind also insbesondere der sich auf die Verteidigung durchschlagende Aufwand bei den Ermittlungsmaßnahmen und (in Anlehnung an die Auslegungspraxis zu § 108a Abs 3 StPO) die Dauer des Ermittlungsverfahrens, die Anzahl an Verfahrensbeteiligten sowie die Gestaltung des dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegenden Sachverhalts, der in seiner Komplexität stark variieren kann. Für ein durchschnittliches Verfahren der Grundstufe (Stufe 1) erachtet es der Gesetzgeber als angezeigt, von den durchschnittlichen Verteidigungskosten für ein sogenanntes Standardverfahren auszugehen und den sich dabei ergebenden Betrag als Ausgangsbasis für die Bemessung des Pauschalkostenbeitrags heranzuziehen. Da die Bandbreite der Verfahren, die in Stufe 1 fallen, wie erwähnt, von ganz einfachen Verteidigungsfällen, wie etwa einer gefährlichen Drohung bis hin zu Wirtschaftsstrafsachen, die auch in dieser Stufe vorkommen können, reichen, kann sich der Betrag je nach Umfang der Ermittlungen und Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen dem im Gesetz vorgesehenen Höchstbetrag annähern bzw sich von diesem weiter entfernen. Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass ein durchschnittliches, in die landesgerichtliche Zuständigkeit ressortierendes Standardverfahren im Regelfall eine Besprechung mit dem Mandanten bzw der Mandantin, eine Vollmachtsbekanntgabe bzw einen Antrag auf Akteneinsicht, ein angemessenes Aktenstudium bzw Vorbereitungstätigkeit und eine Teilnahme an einer Vernehmung in der Dauer von zwei Stunden umfasst und damit unter Heranziehung der Kostenansätze der allgemeinen Honorar-Kriterien (AHK) rund EUR 3.000,00 an Aufwand für die Verteidigung verursachen wird, wobei in dieser Berechnung zwar der Einheitssatz zu berücksichtigen ist, die vom ÖRAK in der AHK verankerten (Erfolgs- und Erschwernis-)Zuschläge jedoch außer Bedacht zu bleiben haben (EBRV 1557 BlgNR 27. GP 5).
Orientiert an den dargelegten Kriterien ist hier grosso modo von einem solchen durchschnittlichen Verteidigungsaufwand in einem Standardverfahren der Stufe 1 auszugehen: In dem allein gegen den Rechtsmittelwerber wegen einer Tat geführten, etwa achtmonatigen (vier Monate nach Einlangen des ersten Berichts der Polizei) und bis zur Einstellung sieben Ordnungsnummern umfassenden Ermittlungsverfahren, dessen Verteidigungsschwerpunkt sich – wie in Verdachtslagen wegen eines Sexualdelikts nicht untypisch – primär auf die Sachverhaltsebene fokussierte, waren der von B* und dem Beschuldigten im verfahrensrelevanten Zeitraum ausgetauschte Chat-Verkehr beizuschaffen (ON 1.2 und ON 5), fünf Zeugen niederschriftlich einzuvernehmen (ON 2.7 bis ON 2.11) und in der Folge das mutmaßliche Opfer außerdem noch kontradiktorisch (ON 7) einvernommen worden; sowohl bei dieser, 3/2 Stunden dauernden Vernehmung als auch bei der (infolge Beanspruchung des Rechts auf Aussageverweigerung nur viertelstündigen) Einvernahme des Beschuldigten vor der Polizei (ON 2.6) schritt die Verteidigerin ein, wobei diese den jugendlichen Beschuldigten – nach den nachvolliezhaberen Ausführungen in der Beschwerde (ON 10.2) - auch zur anschließenden erkennungsdienstlichen Behandlung begleitete. Hinzu kommt noch eine vom Verteidiger verfasste Stellungnahme, die sich detailliert mit dem Verhältnis zwischen dem Beschuldigten und dem mutmaßlichen Tatopfer und dem von dieser gegen A* erhobenen Vorwurf der Vergewaltigung auseinandersetzte (ON 2.13).
Alles in allem ist damit ein Pauschalbeitrag von EUR 3.000,00 angemessen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung steht kein weiteres Rechtsmittel zu (§ 89 Abs 6 StPO).