JudikaturOLG Linz

4R94/25h – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
23. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch Senatspräsident Mag. Gerhard Hasibeder als Vorsitzenden sowie MMag. Andreas Wiesauer und Mag. Stefan Riegler in der Rechtssache des Klägers A* , geboren am **, Elektriker, **, **, vertreten durch die Lichtenwagner.Stadler Rechtsanwälte in Rohrbach-Berg, gegen die Beklagten 1. B* , geboren am **, Landwirt, **, **, und 2. C*-AG , **-Platz **, **, beide vertreten durch Dr. Christoph Arbeithuber, Rechtsanwalt in Linz, wegen zuletzt EUR 21.184,20 s.A. und Feststellung (Streitwert EUR 5.000,00), über die Berufung des Klägers (Berufungsstreitwert EUR 13.092,10) gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 17. April 2025, Cg*-18, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, den Beklagten binnen 14 Tagen die mit EUR 1.865,32 (darin enthalten EUR 310,89 USt.) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt insgesamt EUR 5.000,00, nicht aber EUR 30.000,00.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 13. August 2023 ereignete sich im Gemeindegebiet von D*-E* auf der B ** etwa auf Höhe Strkm. 150 im Bereich der Kreuzung mit dem Güterweg F* ein Verkehrsunfall, bei welchem der Kläger als Lenker und Halter des Motorrads der Marke Suzuki sowie der Erstbeklagte als Lenker und Halter der bei der zweitbeklagten haftpflichtversicherten Zugmaschine (Traktor) der Marke Steyr 6150CVT samt Rundballenpresse der Marke John Deere C441R beteiligt waren.

Der Kläger begehrt Schadenersatz iHv zuletzt EUR 21.184,20 s.A. sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche künftige Schäden aus dem Verkehrsunfall, wobei die Haftung der Zweitbeklagten mit der zum Unfallszeitpunkt bestehenden Haftpflichtversicherungssumme begrenzt ist. Er wirft dem Erstbeklagten das Alleinverschulden am Zustandekommen des Verkehrsunfalls mit der Begründung vor, dass dieser ohne Beachtung des nachkommenden Verkehrs, ohne linkes Blinkzeichen und ohne erkennbares Einordnen nach links abbiegen habe wollen und dabei gegen sein bereits in Überholposition befindliches Motorrad gestoßen sei. Es habe für ihn keine Hinweise für ein anstehendes Linksabbiegemanöver des Beklagtenfahrzeugs gegeben. Nachdem sich auf der ausreichenden Überholstrecke kein Gegenverkehr befunden habe, habe er den linken Blinker gesetzt und begonnen, das Beklagtenfahrzeug zu überholen. Erst als er sich bereits neben diesem befunden habe, habe er bemerkt, dass der Erstbeklagte unvermittelt und ohne Ankündigung nach links abgebogen sei. Trotz einer Bremsung und dem Versuch des Auslenkens habe er mit seinem Motorrad den linken Hinterreifen des Traktors gestreift und anschließend sei gegen den eingeschlagenen Vorderreifen des Traktors gestoßen, wodurch er zu Sturz gekommen sei. Der Erstbeklagte habe sich vor dem Linksabbiegemanöver nicht über den nachkommenden Verkehr vergewissert, obwohl er dazu verpflichtet gewesen sei, denn sein Fahrzeug sei fast so breit wie der befahrene Fahrstreifen gewesen. Daher sei das Linksabbiegen für den Nachfolgeverkehr nicht erkennbar gewesen. Außerdem habe der Erstbeklagte bereits 18 Sekunden vor dem Abbiegen zu blinken begonnen, wodurch er eine unklare Verkehrssituation geschaffen habe. Der Erstbeklagte hätte bei einem ordnungsgemäßen Blick auf den nachkommenden Verkehr erkannt, dass er sich mit einem erheblichen Geschwindigkeitsüberhang annähern würde und hätte durch das Unterlassen des Einbiegens die Kollision verhindern können. Der Verkehrsunfall sei daher für ihn unabwendbar gewesen.

Die Beklagten bestritten, beantragten Klagsabweisung und wendeten das Alleinverschulden des Klägers am Zustandekommen des Verkehrsunfalls ein. Der Erstbeklagte habe den linken Blinker betätigt, sich sorgfaltsgemäß mit entsprechenden Sicherungsblicken eingeordnet und seine Fahrgeschwindigkeit verlangsamt. Vor dem Abbiegen habe er bei dem Blick in den Spiegel zwei nachfolgende Motorradfahrer gesehen, die nicht überholten, sondern ihre Geschwindigkeit an jene des Traktors angepasst hätten. Auch als er zum Linksabbiegen angesetzt habe, habe er die Motorradfahrer im Blick behalten. Als er gemerkt habe, dass der vorausfahrende Motorradfahrer (der Kläger) vorschriftswidrig zum Überholen angesetzt habe, habe er mit einer Vollbremsung reagiert. Das Motorrad sei sodann gegen den linken Vorderreifen des Traktors gestoßen, der Kläger dadurch gestützt und über die Fahrbahn geschlittert. Das Alleinverschulden treffe den Kläger, da dieser auf einer ungeregelten Kreuzung das Überholmanöver angesetzt habe, dies obwohl der Erstbeklagte links geblinkt und sich zum Linksabbiegen eingeordnet habe. Außerdem sei die Fahrbahn in diesem Bereich nach rechts gekrümmt, wodurch aufgrund der unzureichenden Sicht das Überholen nicht gefahrenlos möglich gewesen sei. Ungeachtet der Unzulässigkeit des Überholmanövers habe es der Kläger auch verabsäumt, rechtzeitig nach links auszuscheren und im größeren Abstand zur Rundballenpresse zu fahren, was eine auffälligere Überholfahrlinie bedeutet hätte. Der Kläger hätte den Unfall verhindern können, indem er vom Überholen Abstand genommen hätte oder auf der rechten Fahrbahnseite vorbeigefahren wäre.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht sowohl das Leistungs- als auch das Feststellungsbegehren ab.

Es stellte den auf den Seiten 3 bis 6 der Urteilsausfertigung angeführten Sachverhalt fest, auf den grundsätzlich verwiesen wird (§ 500a ZPO). Für das Berufungsverfahren sind folgende Feststellungen hervorzuheben:

Sowohl der Kläger als auch der Erstbeklagte befuhren zum Unfallszeitpunkt die B ** von D* kommend in Richtung **, der Erstbeklagte mit dem Traktorgespann vor dem Kläger. Die B ** weist im Unfallstellenbereich jeweils 3,2 m breite Fahrstreifen auf. Auf der Fahrbahn ist an den beiden Fahrbahnrändern jeweils eine Randlinie und in der Fahrbahnmitte eine Leitlinie angebracht. Die Gesamtasphaltbreite der B ** beträgt im Unfallstellenbereich ca. 6,8 m. Die B ** beschreibt von D* kommend von einer ca. 250 m vor der Einmündung des Güterwegs „F*“ befindlichen Eisenbahnüberführung einen sehr langgezogenen sich über die Unfallstelle hinaus über zumindest 200 m fortsetzenden Rechtsbogen auf. Von der Eisenbahnüberführung aus kann man den Straßenverlauf der B ** über insgesamt ca. 400 m einsehen, dies ohne sichtbehindernd vorausfahrenden Verkehr. Der Güterweg Felberau mündet in Fahrtrichtung der Streitteile links in die B ** ein und zwar mit einem Trichter von ca. 12 m Länge. Etwa auf gleicher Höhe (geringfügig in Richtung D* versetzt) mündet von rechts eine Aus- bzw Siedlungszufahrtsstraße in die B ** ein. Der Güterweg Felberau ist durch das Vorschriftszeichen „Vorrang geben“ gegenüber der B ** abgewertet. Ca. 160 bis 180 m vor Trichterbeginn des Güterweges Felberau besteht eine weitere Linksabbiegemöglichkeit. Darüber hinaus befindet sich im objektiven Sichtbereich keine weitere derartige Linksabbiegemöglichkeit mehr. Die Unfallstelle liegt im Freilandgebiet. Es gilt eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h.

Der Erstbeklagte lenkte den ca. 2,5 m breiten Traktor (Steyr CVT6150) zusammen mit der am Traktor angehängten ca. 3 m breiten Rundballenpresse (Marke John Deere C441R) auf der B ** zunächst mit einer Geschwindigkeit von ca. 20 bis 30 km/h. Er wollte nach links in den Güterweg „F*“ einbiegen. Ca. 140m vor dem Trichterbeginn betätigte der Erstbeklagte den linken Blinker beim Traktor. Durch die Verbindung mit der beim Traktor angehängten Rundballenpresse leuchtete dabei neben dem linken Blinker am Traktor auch der linke hintere Blinker der Rundballenpresse auf. Der Erstbeklagte verlangsamte nachfolgend seine Geschwindigkeit und ordnete sich zur Leitlinie hin ein. Durch dieses Einordnen nach links wurde das Traktor-Rundballenpressen-Gespann nur geringfügig nach links versetzt. Die Fahrbahnmitte wurde durch das gesamte Traktorgespann nicht überschritten. Zum rechten Fahrbahnrand verblieb dadurch im Bereich der Rundballenpresse ein Abstand von 20 cm bis 30 cm. Der Erstbeklagte blickte in den Rückspiegel und erkannte hinter ihm nachfolgend zwei Motorradfahrer, darunter auch der Kläger. Er beobachtete diese beiden Motorradfahrer nachfolgend weiterhin und war sich sicher, dass diese hinter seinem Fahrzeuggespann verbleiben und somit das Abbiegen des Traktors nach links abwarten werden. Im weiteren Verlauf blickte der Erstbeklagte nicht nur in den Rückspiegel, sondern auch nach vorne wegen des allfälligen Gegenverkehrs. Bei einem weiteren Blick in den Rückspiegel konnte er hinter seinem Fahrzeuggespann die Motorradfahrer nicht mehr sehen. Nach einem weiteren Blick auf den Gegenverkehr begann der Erstbeklagte nachfolgend, ohne nochmaligen Blick nach rückwärts, mit dem Abbiegen nach links. Während dieses Abbiegens erkannte er im Rückspiegel den bereits in einer Überholposition befindlichen Kläger.

Der Kläger verlangsamte die Geschwindigkeit seines Motorrades zunächst auf eine solche von ca. 40 bis 50 km/h und verblieb (gemeinsam mit seinem Motorradkollegen) zunächst hinter dem Traktorgespann. Dabei hielt er nicht durchgehend eine Fahrlinie zur Fahrbahnmitte ein, sondern verlagerte diese teilweise auch nach rechts und wiederum gegen die Fahrbahnmitte. In einem Abstand von ca. 60 bis 70 m hinter dem Traktorgespann begann der Kläger, mit nur einer leichten Schrägfahrt nach links, eine Beschleunigung seines Motorrades auf eine Geschwindigkeit von ca. 80 bis 100 km/h, durch welche er eine Position etwa auf Höhe der Leitlinie bzw knapp links davon erreichte. Aus dieser Position reagierte der Kläger ca. 1,6 Sekunden vor der späteren Kollision mit dem linken Vorderrad des Traktors mit einer Vollbremsung bis zu einer Kollision mit dem linken drehenden Vorderrad des Traktors etwa 1 m links der Leitlinie. Durch diese Kollision wurde das Motorrad des Klägers nach links versetzt und kollidierte nachfolgend gegen das dort, im Bereich des einmündenden Güterweges Felberau, an einer Brücke befindliche Brückengeländer. Zum Zeitpunkt der Einleitung der Reaktion des Klägers (Vollbremsung) befand sich der Kläger für den vorausfahrenden Erstbeklagten noch nicht in einer deutlich erkennbaren Überholfahrlinie, wie etwa in der Mitte des linken Fahrstreifens. Auffällig zu diesem Zeitpunkt war die deutlich höhere Fahrgeschwindigkeit des Motorrades. Hätte der Erstbeklagte unmittelbar vor Verlenken des Traktors nach links in den Rückspiegel geblickt, hätte er das mit einer ca. 50 km/h höheren Geschwindigkeit fahrende Motorrad des Klägers im Bereich der Leitlinie oder knapp links der Leitlinie erkennen und daraus eine Überholabsicht des Klägers abschätzen können. Zu diesem Zeitpunkt bestand für den Erstbeklagten nur eine minimale Verhinderungsmöglichkeit durch sofortiges Unterlassen des Linksabbiegevorgangs. Nachdem der Erstbeklagte den bereits in Überholposition befindlichen Kläger nachfolgend tatsächlich erkannte, bestand für den Erstbeklagten keine Verhinderungsmöglichkeit mehr.

Der Kläger hätte eine Kollision verhindern können, wenn er den am Traktorgespann links hinten aufleuchtenden Blinker beachtet und ein Überholmanöver bis zur Beendigung des Linksabbiegemanövers des Traktorgespanns unterlassen hätte. Darüber hinaus hätte der Kläger auch eine Kollision verhindern können, wenn er sein Überholmanöver weiter links, und zwar in der Mitte des linken Fahrstreifens vorgenommen hätte, da in diesem Fall eine Kollision mit dem linken Vorderrad des Traktors unterblieben wäre.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht zusammengefasst aus, dass für einen Fahrzeuglenker, der seine Absicht, nach links abzubiegen, rechtzeitig anzeige und sich davon überzeuge, dass niemand zum Überholen angesetzt habe, keine Verpflichtung mehr bestehe, unmittelbar vor dem Abbiegen nochmals den nachfolgenden Verkehr zu beobachten. Er dürfe vielmehr darauf vertrauen, dass ein nachfolgender Kraftfahrer sein Manöver wahrnehme und entsprechend reagiere. Der nach links abbiegende Lenker müsse an Kreuzungen nicht damit rechnen, links überholt zu werden. Dies gelte nicht, wenn besondere Gründe den Linksabbieger eine Gefahr erkennen lassen oder er damit rechnen müsse, dass hinter ihm eine unklare Verkehrslage bestehe. Ein weiterer Kontrollblick sei dann erforderlich, wenn etwa die Einmündung, in die der Lenker abzubiegen beabsichtige, für den nachkommenden Verkehr schwer erkennbar sei oder wenn der Lenker zwar geblinkt habe, jedoch nicht zur Fahrbahnmitte hin eingeordnet gewesen sei oder sich nicht einordnen habe können. Im konkreten Fall hätte der Erstbeklagte zwar durch einen weiteren Kontrollblick den bereits in Überholabsicht befindlichen Kläger erkennen können, seine Verhinderungsmöglichkeit habe jedoch nur darin bestanden, dass er unmittelbar (innerhalb weniger Sekundenbruchteile) den Abbiegevorgang abbrechen hätte können, da der Kläger ohnehin eine sehr nahe an der Fahrbahnmitte orientierte Überholposition gewählt und nur Sekundenbruchteile später eine Vollbremsreaktion gesetzt habe. Der Erstbeklagte habe bereits 140 m vor der Einbiegestelle den linken Blinker betätigt und sich so weit wie möglich in Richtung Fahrbahnmitte eingeordnet. Zudem habe er zweimal in den Rückspiegel geblickt. Beim ersten Blick habe er zwei Motorradfahrer, darunter den Kläger, in größerer Entfernung erkennen können. Beim zweiten Blick habe er von den beiden Motorradfahrern nichts erkennen können, da diese von der Rundballenpresse abgedeckt gewesen seien. Es sei daher kein weiterer Kontrollblick des Erstbeklagten vor dem Einleiten des Linksabbiegemanövers erforderlich gewesen, denn er habe sich – wenn auch nur in einem geringfügigen Ausmaß – mit seinem Fahrzeuggespann zur Fahrbahnmitte eingeordnet und sei die Einmündung, in die er abzubiegen beabsichtigt habe, für den Verkehr nicht schwer erkennbar gewesen. Den Erstbeklagten treffe daher kein Verschulden am Zustandekommen des Verkehrsunfalls, sondern liege das Alleinverschulden des Klägers vor.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag dahin, dem Leistungsbegehren mit EUR 10.592,10 samt 4 % Zinsen seit 26. Februar 2024 stattzugeben und das Haftungsfeststellungsbegehren zu 50 % als zu Recht bestehend auszusprechen.

Die Beklagten erstatteten eine Berufungsbeantwortung mit dem Antrag, der Berufung nicht Folge zu geben.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Berufungswerber führt in seiner Rechtsrüge zusammengefasst aus, dass nach dem festgestellten Sachverhalt kein eindeutiges und rechtsrichtig durchgeführtes Linksabbiegemanöver durch den Erstbeklagten bewiesen werden habe können. Der Lenker des Beklagtenfahrzeugs habe zwar 140 m vor dem Unfall den linken Blinker gesetzt, jedoch durch die überlange Blinkdauer von 17 Sekunden eine unklare Verkehrssituation geschaffen. Außerdem sei das Verlenken des Fahrzeuggespanns hin zur Fahrbahnmitte kein eindeutiges Einordnen, denn aufgrund der Breite des Traktorgespanns sei zum rechten Fahrbahnrand nur ein Abstand von 20 bis 30 cm verblieben. Aufgrund des überlangen Blinkens und des nicht eindeutigen Einordnens, sei ein weiterer Kontrollblick des Abbiegenden nach hinten gefordert gewesen. Durch einen solchen Kontrollblick hätte der Erstbeklagte den Kläger erkannt und durch Unterlassen des Überfahrens der Fahrbahnmitte den Verkehrsunfall verhindern können. Aufgrund der gehäuften Verstöße des Erstbeklagten liege daher ein gleichteiliges Verschulden am Zustandekommen des Verkehrsunfalls vor.

Wie bereits vom Erstgericht zutreffend dargestellt, darf der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrtrichtung gemäß § 11 Abs 1 StVO nur ändern oder den Fahrstreifen wechseln, nachdem er sich davon überzeugt hat, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist, wobei die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung oder der bevorstehende Wechsel des Fahrstreifens gemäß § 11 Abs 2 und 3 StVO mit den hierfür bestimmten, am Fahrzeug angebrachten Vorrichtungen so rechtzeitig anzuzeigen ist, dass sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen können. Weiters hat der Lenker eines Fahrzeuges, der beabsichtigt, nach links einzubiegen, gemäß § 12 Abs 1 StVO das Fahrzeug, nachdem er sich davon überzeugt hat, dass niemand zum Überholen angesetzt hat, auf den der Fahrbahnmitte zunächst gelegenen Fahrstreifen seiner Fahrtrichtung zu lenken. Ein nach links abbiegender Fahrzeuglenker hat also zunächst den nachkommenden Verkehr zu beachten, dann die beabsichtigte Fahrtrichtungsänderung rechtzeitig anzuzeigen und sich auf dem linken Fahrstreifen einzuordnen, worauf er mit dem Einbiegemanöver beginnen kann.

Hat der Lenker eines Fahrzeuges seine Absicht, nach links abzubiegen rechtzeitig angezeigt (§ 11 Abs 2 StVO) und sich davon überzeugt, dass niemand zum Überholen angesetzt hat (§ 12 Abs 1 StVO), dann ist er nicht verpflichtet, unmittelbar vor dem Abbiegen nach links noch einmal den nachfolgenden Verkehr zu beobachten. Er darf vielmehr darauf vertrauen (§ 3 StVO), dass ein nachfolgender Kraftfahrzeugführer dieses Manöver wahrnehmen und sich vorschriftsmäßig verhalten werde. In diesem Falle braucht er auch an Kreuzungen (§ 2 Abs 1 Z 17 StVO) nicht damit zu rechnen, links überholt zu werden (§ 16 Abs 2 lit c StVO). Wer das Linkseinbiegen vorschriftsmäßig angezeigt und sich vor dem Einbiegen überzeugt hat, dass ihn kein anderes Fahrzeug zu überholen beabsichtigt, braucht sich während des Einbiegens nach links nicht neuerlich überzeugen, ob nicht ein Fahrzeug im Begriffe ist, ihn zu überholen (RS0079255; RS0073901).

Vor einem Einbiegen ist auch dann (neuerlich) rückwärts zu blicken, wenn der Einbiegende damit rechnen muss, dass hinter ihm eine unklare Verkehrslage besteht und dass seine Zeichen von den hinter ihm kommenden Fahrzeugen missdeutet oder nicht wahrgenommen werden, wenn demnach besondere Gründe für den Linksabbieger eine Gefahr erkennen lassen und damit besondere Vorsicht erforderlich machen (RS0073793; RS0079255 [T6]).

Ein weiterer Kontrollblick wurde etwa verlangt, wenn die Einmündung, in die abzubiegen beabsichtigt ist, für nachkommende Verkehrsteilnehmer schwer erkennbar ist, wie etwa bei Grundstücks-, Betriebs- oder Hofzufahrten oder bei einer erst aus der Nähe wahrnehmbaren Nebenstraße, sowie wenn der Lenker zwar blinkte, aber nicht zur Fahrbahnmitte hin eingeordnet war, sich nicht einordnen konnte, oder so lange blinkte, dass die genaue Abbiegestelle unklar wurde (RS0079255 [T12 und T21]).

Ob somit die Unterlassung eines weiteren Rückblicks unmittelbar vor dem Linksabbiegen ein Verschulden begründet, hängt letztlich von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab (RS0079255 [T7]).

Unter Zugrundelegung der Feststellungen ist davon auszugehen, dass der Lenker des Beklagtenfahrzeuges sowohl seine Linksabbiegeabsicht rechtzeitig anzeigte, als auch sich durch einen gebotenen zweiten Blick in den Spiegel vor dem Abbiegen davon überzeugte, dass dieses ohne die Gefährdung oder Behinderung von anderen Straßenteilnehmern möglich ist. Im konkreten Fall betätigte der Erstbeklagte ca. 140 m vor dem Trichterbeginn des Güterwegs den linken Blinker, er verlangsamte seine Geschwindigkeit – wenn auch nur um ein geringes Niveau – und ordnete sich zur Leitlinie hin ein. Anschließend blickte er in den Spiegel und nahm die beiden Motorradfahrer wahr. Er beobachtete die beiden sogar nachfolgend weiterhin und war sich sicher, dass diese hinter ihm bleiben würden.

Auch wenn dieses „Einordnen“ aufgrund der Breite des Fahrzeuggespanns von ca. 3 m und der Fahrbahnbreite von ca. 3,2 m, keinen oder nur einen geringen Auffälligkeitswert hatte, war im vorliegenden Fall für den Kläger die Abbiegeabsicht des Beklagtenfahrzeugs in Zusammenhang mit dem Blinken und der Verringerung der Geschwindigkeit erkennbar. Dadurch, dass bei dem zweiten Blick in den linken Spiegel der Kläger und der weitere Motorradfahrer aus Sicht des Erstbeklagten nicht mehr zu sehen waren, war für ihn keine Überholabsicht der beiden Motorradfahrer erkennbar. Zudem ließ die deutliche Verringerung der Geschwindigkeit des Klägers auf 40 bis 50 km/h den Erstbeklagten darauf schließen, dass der Kläger seine Abbiegeabsicht wahrgenommen habe und hinter dem Fahrzeuggespann bleibe, um das Abbiegemanöver abzuwarten. Der Kläger hielt dabei außerdem nicht durchgehend eine Fahrlinie zur Fahrbahnmitte ein, sondern verlagerte diese teilweise nach rechts und wiederum zur Fahrbahnmitte. Der Erstbeklagte leitete sodann, nach einem Blick in Richtung Gegenverkehr, das Abbiegemanöver ein. Dass der Erstbeklagte nach zwei Blicken in den Spiegel vor dem Abbiegemanöver nicht erneut – ein drittes Mal – in den Rückspiegel blickte, sondern den Gegenverkehr beobachtete, kann ihm daher nicht vorgeworfen werden, zumal – wie bereits ausgeführt – bei dem zweiten Blick nach hinten die beiden Motorradfahrer nicht mehr zu sehen waren und natürlich auch ein allfälliger Gegenverkehr beachtet werden musste.

Die vom Kläger in seiner Berufung zitierte Entscheidung 2 Ob 18/91 ist nicht mit dem konkreten Unfall vergleichbar. Auch wenn die Blinkdauer in etwa gleich lange war (hier 4 Sekunden kürzer), liegt der wesentliche Unterschied darin, dass im dortigen Fall eine unklare Verkehrssituation nicht nur durch das lange Blinken, sondern vor allem durch mehrere Linksabbiegemöglichkeiten entstanden ist. Ein derartiger Fall liegt jedoch nicht vor, denn nachdem der Erstbeklagte zu blinken begonnen hat, war keine weitere Linksabbiegemöglichkeit vor dem Trichterbeginn des Güterwegs gegeben.

Der Vollständigkeit halber ist auch auszuführen, dass wenn das Erstgericht das fehlende Mitverschulden des Erstbeklagten trotz des nicht erneut erfolgten Kontrollblicks vor dem Abbiegen auf die Entscheidung 2 Ob 182/21g gründet, dass dort insofern eine andere Unfallsituation vorlag, weil ein eindeutiges Einordnen möglich war, denn es war im Gegensatz zum konkreten Fall ein Seitenabstand von 1 Meter zum rechten Fahrbahnrand gegeben.

Ungeachtet dessen bestand im hier zu beurteilenden Fall – auch trotz des Einordnens mit keinem oder nur einem geringen Auffälligkeitswert – für den Erstbeklagten keine Verpflichtung, unmittelbar vor bzw beim Abbiegen noch einmal den nachfolgenden Verkehr zu beobachten. Vielmehr durfte er im Sinne des im Straßenverkehr geltenden Vertrauensgrundsatzes darauf vertrauen, dass der Kläger sein Abbiegemanöver wahrnimmt und entsprechend darauf reagiert. Auch der Umstand, dass das Einordnen zur Fahrbahnmitte aufgrund der Breite der Fahrbahn nicht wesentlich auffällig war, ändert daran nichts, zumal der Lenker des Beklagtenfahrzeugs seine Absicht nach links abzubiegen durch das rechtzeitige Blinken angezeigt und sich durch die beiden Blicke in den Spiegel überzeugte, dass dies ohne Gefahr für andere Straßenteilnehmer möglich ist, zumal er vor dem Abbiegen auch einen allfälligen Gegenverkehr beobachten musste.

Das Erstgericht hat vor diesem Hintergrund zu Recht kein Verschulden des Erstbeklagten, sondern das Alleinverschulden des Klägers angenommen. Dieser hätte den Unfall verhindern können, indem er vom Überholmanöver Abstand genommen hätte oder eine Fahrlinie nicht so nahe am Traktorgespann, sondern weiter links, gewählt hätte.

Der Berufung kommt daher insgesamt keine Berechtigung zu.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf den §§ 50, 41 ZPO.

Der Bewertungsausspruch orientiert sich an der vom Kläger vorgenommenen Bewertung seines Feststellungsinteresses.

Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, da die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht von der Lösung erheblicher, im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO qualifizierter Rechtsfragen abhängig war.