JudikaturOLG Linz

2R93/25x – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
Wirtschaftsrecht
09. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch die Richter Mag. Bernhard Telfser als Vorsitzenden, Dr. Werner Gratzl und Mag. Christine Mayrhofer in der Insolvenzsache der Schuldnerin A* GmbH Co KG (FN **), **straße **, ** **, vertreten durch die WOLF THEISS Rechtsanwälte GmbH Co KG in Wien, (Masseverwalter Dr. C*, Rechtsanwalt in Salzburg), über den Rekurs der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 23. Mai 2025, S*-2, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Antrag der Österreichischen Gesundheitskasse, Engelbert-Weiß-Weg 10, 5020 Salzburg, auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin abgewiesen wird.

Die gemäß § 79 IO erforderlichen Bekanntmachungen, Mitteilungen und Veranlassungen obliegen dem Erstgericht.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 5.000,00, nicht jedoch EUR 30.000,00.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung:

Die Österreichische Gesundheitskasse (kurz: ÖGK) stellte am 12. März 2025 den Antrag, das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin zu eröffnen. Diese befinde sich mit Beiträgen von EUR 11.678,66 s.A. für die Zeit von September 2024 bis Februar 2025 im Rückstand. Sie sei zahlungsunfähig, zumal der erwähnte Betrag trotz mehrmaliger Mahnung und Exekutionsführung aushafte. Aufgrund der Anstellung zweier Dienstnehmer sei eine Erhöhung der offenen Beitragsschuld zu erwarten. Eine Kontaktaufnahme der Schuldnerin sei nicht erfolgt. Auf Schreiben habe sie nicht reagiert. Es seien keine Zahlungen zugesagt worden.

Die Ersterhebungen des Erstgerichts ergaben, dass die Schuldnerin über keinen Liegenschaftsbesitz verfügt und gegen sie bereits seit längerer Zeit fortlaufende Exekutionsverfahren verschiedener Gläubiger (teilweise registermäßig noch offen) anhängig gemacht worden waren. Das Finanzamt Österreich teilte mit, dass am Abgabenkonto kein Rückstand bestehe.

Bei der Einvernahmetagsatzung am 8. April 2025 beantragte der Kommandidist sowie gleichzeitig Vertreter der Schuldnerin die Abweisung des Insolvenzantrags und bestritt die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Dabei bestätigte er die bereits erfolgte überwiegende Tilgung der Forderung der Antragstellerin und kündigte deren gänzliche Tilgung binnen Kürze an. Zu den anhängigen sechs Exekutionsverfahren führte er aus, dass bereits Zahlungen geleistet worden seien. Das Vermögensbekenntnis sei vor rund zwei Jahren abgelegt worden.

Noch am selben Tag teilte die Antragstellerin mit, dass ihre Forderung bis inklusive des Beitrags für März 2025 beglichen worden sei (ON 12 in S*). Es seien aber aktuell weitere zehn Exekutionsverfahren gegen die Antragsgegnerin anhängig, sodass um Abnahme eines Vermögensverzeichnisses ersucht werde. Eine an die Schuldnerin am 7. Mai 2025 zugestellte gerichtliche Aufforderung, ihre Zahlungsfähigkeit urkundlich durch Stellungnahme zu vier konkret angeführten Exekutionen zu bescheinigen, blieb unbeantwortet.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 23. Mai 2025 eröffnete das Erstgericht den Konkurs über das Vermögen der Schuldnerin. Die Schuldnerin habe zwar die offene Forderung bei der Antragstellerin beglichen, es seien aber weiterhin zwei Dienstnehmer angemeldet, sodass Beitragsforderungen auflaufen würden. Die Anfrage zu den vier anhängigen verbliebenen Exekutionen sei ohne Stellungnahme geblieben, sodass davon auszugehen sei, dass die Schuldnerin nicht in der Lage sei, ihre Verbindlichkeiten in angemessener Frist zu bedienen und zahlungsunfähig sei.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Schuldnerin aus den Rechtsmittelgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dies in der Insolvenzdatei zu veröffentlichen.

Die Antragstellerin machte von der Möglichkeit zur Erstattung einer Rekursbeantwortung keinen Gebrauch.

Der Masseverwalter erstattete eine Stellungnahme zum Rekurs, die keinen konkreten Antrag enthält.

Dem Rekurs kommt Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs, der nach seinem Gesamtverständnis auch eine Abänderung im Sinne einer Antragsabweisung erfasst, ist in diesem Punkt (nur) wegen der in § 260 Abs 1 IO normierten Neuerungserlaubnis berechtigt:

Gemäß § 260 Abs 2 IO können in Rekursen neue Tatsachen, soweit sie bereits zur Zeit der Beschlussfassung in erster Instanz entstanden waren, und neue Beweismittel angeführt werden.

Neue Tatsachen, soweit sie bereits zur Zeit der Beschlussfassung in erster Instanz entstanden waren, können angeführt und neue Beweismittel – unabhängig, wann diese erstellt wurden – zum Nachweis bereits zur Zeit der Beschlussfassung entstandener Tatsachen vorgelegt werden ( Erler in Koller/Lovrek/Spitzer, IO, § 260 Rz 33; RS0065013 [T1 und T2]). Durch die teilweise vor aber auch erst nach Beschlussfassung des Erstgerichts verfassten Urkunden (vier Zahlungsbestätigungen über in Summe EUR 130.000,00 an die Gerichtsvollzieherin [ON 5 AS 29 - 32]) ist es der Rekurswerberin gelungen, nachzuweisen, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung weder eine Zahlungsunfähigkeit bestand, noch Überschuldung vorlag. In diesem Zusammenhang ist auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts zu den Insolvenzgründen zu verweisen. Auch war zum Zeitpunkt der Beschlussfassungszeitpunkt erster Instanz auf dem Geschäftskonto ein Guthaben von EUR 26.285,48 vorhanden (1. Bericht des MV [ON 4 III. 2.]).

Aufgrund dieser nachträglich bescheinigten Umstände ist davon auszugehen, dass die Schuldnerin zum maßgeblichen Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung (23. Mai 2025) nicht zahlungsunfähig war. Vielmehr ist von bloßen vorübergehenden Zahlungsstockungen bei schlechter Organisation und Zahlungsmoral auszugehen. Zu einer solchen Einschätzung gelangt auch der Masseverwalter, wenn er in seiner Stellungnahme zum Rekurs festhält, „dass sich unabhängig von Vorfällen oder Tatsachen, welche sich außerhalb seiner Wahrnehmung und somit vor Insolvenzeröffnung zugetragen hätten, für den Zeitraum ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei den derzeit vorliegenden Informationen damit zu rechnen sei, dass eine Beurteilung der Schuldnerin durch das Landesgericht Salzburg nach dem derzeitigen Verfahrensstand dazu führen würde, dass diese als zahlungsfähig eingestuft werden würde“.

Es war daher wie im Spruch zu erkennen.

Die Bewertung des Entscheidungsgegenstands orientiert sich an der Höhe der Insolvenzforderung der Antragstellerin.

Angesichts der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung und ihrer Abhängigkeit von der Beantwortung der Tatfrage nach der Zahlungs(un)fähigkeit der Schuldnerin liegen die Voraussetzungen für eine Zulassung des ordentlichen Revisionsrekurses nicht vor.