6R68/25z – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch die Senatspräsidentin Mag. Edeltraud Kraupa als Vorsitzende sowie Mag. Hermann Holzweber und Mag. Christine Mayrhofer in der Rechtssache der Klägerin A* GmbH, FN **, ** Straße **, **, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in Ried, gegen den Beklagten B* , geboren am **, Angestellter, **, **, vertreten durch die Holter – Wildfellner Partner, Rechtsanwälte GmbH Co KG in Grieskirchen, wegen EUR 15.758,40 sA, über die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 27. März 2025, Cg*-9, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat dem Beklagten binnen 14 Tagen EUR 1.827,12 (darin EUR 304,52 USt) an Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte errichtete im Zuge eines Neubaus sein Einfamilienhaus. Mit den Bauarbeiten wurde im Juni 2022 begonnen und zog der Beklagte mit seiner Familie am 26. März 2023 in den Neubau ein. Am 27. März 2023 erfolgte die Anzeige der Beendigung der Bauausführung bei der Gemeinde. Zu diesem Zeitpunkt war der Rohbau fertig, nicht aber die Fassade und der Garten.
Die Klägerin wurde am 25. Februar 2024 mit der „Errichtung der Außenfassade“ beim Einfamilienhaus beauftragt, wobei der Auftrag die Fassaden- bzw Außenputzarbeiten (Außenputz auf Fassade) umfasste (unstrittig, Beilage./C).
Der Vertragsabschluss zwischen den Streitteilen erfolgte anlässlich einer Besichtigung bzw Begehung des Einfamilienhauses vor Ort. Der Geschäftsführer der Klägerin wies den Beklagten weder mündlich noch schriftlich auf (irgendwelche) Rücktrittsrechte hin. Der Beklagte leistete eine Anzahlung. Die Klägerin begann Anfang März 2024 mit den Arbeiten, legte in der Folge eine Teilrechnung und teilte mit Schreiben vom 3. April 2024 mit, sie werde bis zur vollständigen Bezahlung der Teilrechnung keinerlei Arbeiten fortsetzen. Mit Schreiben vom 2. April 2024 erklärte der Beklagte nach den Bestimmungen des FAGG den Widerruf des Vertrags.
Die Klägerin begehrt die Bezahlung eines Werklohns von EUR 15.758,40 für „Außenputz auf Fassade“ und brachte im Wesentlichen vor, dass es sich beim Einfamilienhaus des Beklagten um einen Rohbau gehandelt habe. Demnach könne von keinen Umbaumaßnahmen entweder im erheblichen oder unerheblichen Ausmaß die Rede sein. Bestritten werde, dass kein neues Gebäude durch den Beklagten errichtet worden sei. Im Einvernehmen mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung habe der Beklagte erklärt, den vereinbarten Pauschalbetrag nach Fertigstellung prompt zu bezahlen.
Der Beklagtebeantragte Klagsabweisung und wandte dagegen ein, im Rahmen der Vertragsgespräche vor Ort auf der Baustelle habe man sich auf einen pauschalen Werklohn für die Errichtung der Außenfassade geeinigt. Es sei ein Werkvertrag außerhalb der Geschäftsräumlichkeiten des Klägers geschlossen worden. Der Beklagte habe zunächst eine Baranzahlung von EUR 7.500,00 und in weiterer Folge eine zweite Anzahlung von EUR 6.000,00 geleistet. Er sei mit den durchgeführten Arbeiten äußerst unzufrieden gewesen. Nachdem die Klägerin völlig unbegründet den Erhalt der Baranzahlung von EUR 7.500,00 bestritten habe, habe er die Zusammenarbeit beendet. Der Beklagte habe rechtmäßig von seinem Rücktrittsrecht nach § 11 FAGG Gebrauch gemacht und den Werkvertrag widerrufen.
Ausgehend vom eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt (§ 500a ZPO) wies das Erstgericht mit dem angefochtenen Urteildas Klagebegehren ab. Die Klägerin sei nach Bezug des Neubaus durch den Beklagten nur mit dem Teilgewerk „Außenputz auf Fassade“ beauftragt gewesen. Dies stelle keine erhebliche Umbaumaßnahme iSd § 1 Abs 2 Z 7 FAGG dar, sodass dem Beklagten als Verbraucher, der trotz Vertragsabschlusses außerhalb der Geschäftsräumlichkeiten der Klägerin nicht über die Bedingungen des Rücktrittsrecht nach dem FAGG informiert worden sei und kein Muster-Wiederrufsformular zur Verfügung gestellt erhalten hatte, ein Rücktrittsrecht zusteht.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, verbunden mit dem Antrag auf gänzliche Klagsstattgabe. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Der Beklagte beantragt in seiner Berufungsbeantwortung, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Klägerin steht in ihrer Rechtsrüge zusammengefasst auf dem Standpunkt, dass auf den gegenständlichen Werkvertrag das Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz nicht anzuwenden sei, weil keine Umbaumaßnahme vorzunehmen gewesen sei. Vielmehr sei der Neubau noch nicht vollendet gewesen und „es sollte die Außenhaut des Einfamilienhauses mit der üblichen Fassade fertiggestellt werden“. Es mache nämlich keinen Unterschied, ob es einen Gesamtauftrag für einen Neubau gebe oder der Neubau gewerkeweise vergeben werde.
Das Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz (FAGG) gilt ua für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge (Auswärtsgeschäfte) zwischen Unternehmern und Verbrauchern iSd § 1 KSchG (§ 1 Abs 1 FAGG). Diese Voraussetzungen sind hier unstrittig erfüllt.
Gemäß § 1 Abs 2 Z 7 FAGG gilt dieses Gesetz nicht für Verträge „über den Bau von neuen Gebäuden, erhebliche Umbaumaßnahmen an bestehenden Gebäuden oder die Vermietung von Wohnraum“.
Der Oberste Gerichtshof hat in der bereits vom Erstgericht zitierten Entscheidung 10 Ob 35/21a zur Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 2 Z 7 FAGG für Bauwerkverträge betont, dass das vom Unionsrecht angestrebte hohe Verbraucherschutzniveau notwendigerweise zu einer engen Auslegung der Ausnahmen vom Anwendungsbereich des FAGG führe. Konkret sprach der OGH aus, dass selbst die Entfernung eines alten Daches samt Herstellung eines neuen Daches nicht als „erhebliche Umbaumaßnahme“ anzusehen sei, sodass der Anwendungsbereich des FAGG eröffnet sei. Spalte der Verbraucher eine erhebliche Umbaumaßnahme in mehrere isoliert voneinander abgeschlossene Verträge mit verschiedenen Unternehmern, so sei jeder dieser Verträge gesondert zu beurteilen. In der Regel würden einzelne Gewerke sohin keine „erhebliche Umbaumaßnahme“ darstellen, weil der mit ihnen verbundene Auftrag nicht die Komplexität und den Umfang eines Eingriffs habe, der der Errichtung eines neuen Gebäudes vergleichbar sei.
Im gegenständlichen Fall meint nun die Klägerin, dass die Ausnahme des § 1 Abs 2 Z 7 FAGG deshalb greife, da die von ihr durchgeführten Fassadenarbeiten der Vollendung des neu errichteten Gebäudes diente und damit von einem Neubau auszugehen ist.
Dieser Auffassung vermag sich das Berufungsgericht nicht anzuschließen.
Gebäude sind grundsätzlich Bauwerke, die Menschen, Tieren oder Sachen durch räumliche Umfriedung Schutz gegen äußere Einflüsse gewähren und dem Eintritt von Menschen zugänglich sind (vgl Sprau in Pallandt 79 § 650i BGB Rn 3). Unter dem Bau eines neuen Gebäudes kann nur seine vollständige Neuerrichtung verstanden werden und damit eine Maßnahme, die ein Grundstück durch Errichtung eines zuvor nicht existenten Gebäudes wesentlich umgestaltet. Letztlich kommt es darauf an, ob sich durch den Bau das Gepräge des Grundstücks ändert (Busche in Henssler, MünchKomm zum BGB 8 § 650i Rn 6). In Deutschland wird dazu auch die Auffassung vertreten, dass von der Ausnahmebestimmung nur Verträge erfasst sind, die den gesamtenBau bzw Umbau durch einen Unternehmer („Bauen aus einer Hand“) beinhalten und nicht nur Teile davon (Busche aaO § 650i Rn 3; Sprau aaO § 650i Rn 4; vgl auch 10 Ob 35/21a Rz 39).
Im gegenständlichen Fall existierte im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zwischen den Streitteilen im Februar 2024 bereits ein (zuvor nicht vorhandenes) Gebäude. Dieses bewohnt der Beklagte mit seiner Familie bereits seit 26. März 2023. Am 27. März 2023 erfolgte die Anzeige der Beendigung der Bauausführung, zu diesem Zeitpunkt war der Rohbau und damit ein vorher nicht existentes Gebäude errichtet. Der vom Beklagten mit der Klägerin geschlossene Vertrag über das Einzelgewerk der Fassadenarbeiten ist im Sinne obig dargestellter Rechtsprechung und Lehre als selbständiger Vertrag gesondert zu beurteilen. Das beauftragte Einzelgewerk „Außenputz auf Fassade“ kann nicht zuletzt durch die gebotene enge Auslegung der Ausnahmen vom Anwendungsbereich des FAGG nicht einer Neubaumaßnahme im Sinne der vollständigen Neuerrichtung eines Gebäudes gleichgehalten werden.
Der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag über die Durchführung der Fassaden- bzw Außenputzarbeiten am vom Beklagten bereits bewohnten Rohbau ist daher weder als Neubau eines Gebäudes noch als erhebliche Umbaumaßnahme an bestehenden Gebäuden im Sinn des § 1 Abs 2 Z 7 FAGG zu qualifizieren. Dass keine erhebliche Umbaumaßnahme vorliegt, hat das Erstgericht schon dargelegt und wird dieser Auffassung von der Klägerin in ihrer Berufung nicht entgegengetreten. Der Beklagte hat damit zulässigerweise seinen Rücktritt gemäß § 11 FAGG innerhalb der ihm offen stehenden Frist des § 12 FAGG erklärt.
Die von der Klägerin begehrte ergänzende Feststellung, dass „die Fassade nach dem Ausfrieren des Rohbaus hergestellt werden sollte, um die Außenerscheinung (Optik) des Einfamilienhauses zu vervollständigen“, würde an dieser rechtlichen Beurteilung nichts ändern.
Insgesamt erweist sich damit die Berufung als nicht berechtigt.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die §§ 50, 41 ZPO.
Die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist zulässig, weil soweit überblickbar Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffs „Bau von neuen Gebäuden“ nach § 1 Abs 2 Z 7 FAGG fehlt.