10Bs45/25a – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie den Richter Mag. Graf in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Einzelrichters des Landesgerichts Salzburg (im Ermittlungsverfahren) vom 10. Februar 2025, HR*-19, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:
Spruch
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass der Einspruch des A* wegen Rechtsverletzung abgewiesen wird.
Text
BEGRÜNDUNG:
Mit Verfügung vom 8. Oktober 2024 ist die Staatsanwaltschaft Salzburg gemäß § 204 Abs 3 StPO von der Verfolgung des Beschuldigten A* wegen des Verdachts der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB zur Durchführung eines Tatausgleichs vorläufig zurückgetreten (ON 1.2). Nachdem der Privatbeteiligtenvertreter am 28. Oktober 2024 mitgeteilt hat, dass die beiden Opfer einem Tatausgleich nicht zustimmen würden (ON 6), wurde das Strafverfahren am 29. Oktober 2024 von der Staatsanwaltschaft fortgeführt (ON 1.8).
Gegen die Fortführung des Strafverfahrens erhob der Beschuldigte Einspruch wegen Rechtsverletzung, weil die Opfer die Zustimmung zur Durchführung eines Tatausgleichs aus nicht berücksichtigungswürdigen Gründen verweigert hätten. Die Fortführung des Verfahrens verletze ihn daher in„seinem subjektiven Recht, dass gegen ihn keine weiteren Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt und das Strafverfahren nicht nachträglich fortgesetzt wird, wenn bei einem vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung (gemäß § 204 Abs 3 StPO) die Voraussetzungen des § 205 Abs 3 letzter Satz iVm Abs 2 StPO nicht vorliegen“ .
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht diesem Einspruch wegen Rechtsverletzung stattgegeben und festgestellt, dass A*„aufgrund der am 29.Oktober 2024 erfolgten nachträglichen Fortsetzung des Strafverfahrens in seinem subjektiven Recht, dass ein gegen ihn nach §§ 200 ff StPO vorläufig eingestelltes Strafverfahren nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 205 StPO fortgeführt werden darf, verletzt wurde“ . Der Staatsanwaltschaft wurde (in insoweit teilweiser Stattgabe des Rechtsschutzbegehrens) aufgetragen,„den rechtmäßigen Zustand durch erneute diversionelle Zuweisung der Angelegenheit an den Konfliktregler (§ 204 StPO) sowie die Ermöglichung einer Stellungnahme des Beschuldigten zum Tatausgleich herzustellen“ (ON 19).
Die dagegen von der Staatsanwaltschaft erhobene Beschwerde (ON 20) ist im Ergebnis berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 106 Abs 1 StPO steht Einspruch wegen Rechtsverletzung im Ermittlungsverfahren jeder Person zu, die behauptet, durch die Staatsanwaltschaft in einem subjektiven Recht verletzt zu sein, weil (1.) ihr die Ausübung eines Rechts nach diesem Gesetz verweigert oder (2.) eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt wurde. Der Einspruch ist binnen sechs Wochen ab Kenntnis der behaupteten Verletzung in einem subjektiven Recht bei der Staatsanwaltschaft einzubringen (Abs 3 erster Satz).
Der vorliegende Einspruch stützt sich daher auf keinen der vom Gesetz vorgesehenen Einspruchsgründe. Weder wurde dem Beschuldigten durch die Fortführung des Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft die Ausübung eines Rechts nach der Strafprozessordnung verweigert noch eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen der Strafprozessordnung angeordnet oder durchgeführt.
Ein Einspruch wegen Rechtsverletzung steht insbesondere dann nicht zu, wenn das Gesetz ein eigenes Prozedere zur Effektuierung einer Vorschrift vorsieht (vgl Pilnacek/Stricker,WK StPO § 106 Rz 14). Gemäß § 485 Abs 1 Z 2 iVm § 212 Z 8 StPO hat das Gericht den Strafantrag mit Beschluss zurückzuweisen (bzw gemäß § 212 Z 8 StPO ein gegen eine Anklage erhobener Einspruch Erfolg), wenn die Staatsanwaltschaft ein zunächst diversionell nach §§ 198 ff StPO (oder § 35 SMG) erledigtes Strafverfahren zu Unrecht nachträglich fortsetzt (vgl Bauer,StPO § 485 Rz 4/5). Durch Eröffnung dieser Möglichkeiten durch die mit StPRÄG II 2016, BGBl I Nr. 121/2016, eingeführten Bestimmungen sollte eine „Rechtsschutzlücke“ geschlossen werden (vgl ErlälutRV 1300 BlgNR XXV. GP, 15), ein Einspruch wegen Rechtsverletzung nach § 106 StPO kommt daher – wenngleich nicht mit der von der Staatsanwaltschaft vorgetragenen Begründung - im gegenständlichen Fall nicht in Betracht.
Der Beschwerde war im Ergebnis Folge zu geben und der angefochtene Beschluss dahin abzuändern, dass der Einspruch des Beschuldigten A* wegen Rechtsverletzung vom 11. Dezember 2024 (ON 12) abgewiesen wird.
RECHTSMITTELBELEHRUNG:
Gegen diese Entscheidung steht ein weiteres Rechtsmittel nicht zu.