9Bs313/24d – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Engljähringer als Vorsitzende, Mag. Hemetsberger und Mag. Kuranda in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 1 StGB über dessen Berufung wegen Nichtigkeit und Strafe gegen das Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts Linz vom 29. Juli 2024, GZ*-15, nach der in Anwesenheit des Ersten Oberstaatsanwalts Mag. Winkler, LL.M. (WU), des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Arthofer durchgeführten Berufungsverhandlung am 15. Jänner 2025 zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der ** geborene A* des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Demnach habe er am 24. April 2024 in ** B* am Körper verletzt, indem er ihm mehrere Faustschläge in die rechte Gesichtshälfte versetzte, ihn an den Haaren packte und ihm ein Büschel Haare ausriss sowie ihm mit dem Fuß in den rechten Hals- und Gesichtsbereich trat, wodurch er eine schwere Körperverletzung des Genannten herbeizuführen versuchte, dieser jedoch lediglich eine leichte Körperverletzung in Form von Nasenbluten, einer Prellung und Schwellung der Nase, eines Hämatoms am rechten Auge sowie von blutenden Kratzern an der Nase und in der rechten Gesichtshälfte erlitt.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Schuldspruch wendet sich die allein auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10a StPO gestützte Berufung des Angeklagten, die ohne Erfolg ist.
Aus Z 10a leg cit ist ein Urteil dann nichtig, wenn die darin enthaltenen Feststellungen bei richtiger Rechtsansicht die Nichtanwendung der Diversion nicht zu tragen vermögen oder wenn Ergebnisse der Hauptverhandlung auf einen Umstand hindeuten, der für die positive Beurteilung der diversionellen Voraussetzungen den Ausschlag gäbe, das Gericht dazu aber keine Feststellungen getroffen hat. Gegenstand der Diversionsrüge ist demnach – nicht anders als im Fall einer Rechtsrüge aus Z 9 oder einer Subsumtionsrüge aus Z 10 des § 281 Abs 1 StPO – ein Vergleich der im Urteil getroffenen Feststellungen mit den Voraussetzungen des § 198 StPO ( Kirchbacher StPO 15 § 281 Rz 95 mwN).
Jenen Kriterien wird der Berufungswerber nicht gerecht, indem er den Sachverhaltsannahmen zusammengefasst die Behauptung gegenüberstellt, seine Schuld wäre als nicht schwer anzusehen und weder spezial- noch generalpräventive Erwägungen stünden einem diversionellen Vorgehen entgegen.
Für den Begriff „schwere Schuld“ ist jener Schuldbegriff maßgebend, der im § 32 Abs 1 StGB als Grundlage für die Bemessung der Strafe vorausgesetzt wird, wobei die Prüfung dieser Frage stets eine ganzheitliche Abwägung aller unrechtsrelevanten und schuldrelevanten Tatumstände des konkreten Falls verlangt. Demnach müssen das Handlungs-, das Erfolgs- und das Gesinnungsunrecht insgesamt eine Unwerthöhe erreichen, die im Weg einer überprüfenden Gesamtwertung als auffallend und ungewöhnlich zu beurteilen ist. Dabei kommt der vom Gesetzgeber in der Strafdrohung zum Ausdruck gebrachten Vorbewertung des deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalts eine Indizwirkung für die Schuldabwägung zu (vgl RIS-Justiz RS0116021 [insb T17]).
In dem Licht kann der 39-jährige Rechtsmittelwerber über seine bisherige Unbescholtenheit hinaus zwar für sich ins Treffen führen, dass die Tat beim Versuch geblieben ist, wobei das Gewicht dieses Milderungsumstandes iSd § 34 Abs 1 Z 13 zweiter Fall StGB mit Blick auf die tatsächlich eingetretenen, wenn auch noch nicht schweren Verletzungen des Opfers reduziert ist, und er außerdem die Schadenersatzansprüche des Verletzten durch Zahlung von 500 Euro vollständig befriedigt hat (vgl US 4). Zudem ist das umfassende, auch glaubwürdig von Reue getragene Geständnis des Angeklagten insofern unter dem Aspekt des § 34 Abs 1 Z 17 zweiter Fall StGB, also eines wesentlichen Beitrags zur Wahrheitsfindung, nicht von gesteigertem Wert, als der gesamte Vorfall lückenlos durch Videoaufzeichnungen dokumentiert war. Angesichts der vollkommen grundlosen, fortgesetzten (US 2 f) Aggressionshandlungen, nicht zuletzt auch noch in Form des Hintretens auf den Kopfbereich des bereits am Boden liegenden Opfers, des tatsächlich verwirklichten Erfolgsunrechts und vor allem der sich in den gesamten Umständen der Tat konkretisierenden, gravierenden täterspezifischen Schuld erreichen Handlungs- und Gesinnungsunwert insgesamt eine Unwerthöhe, die als auffallend und ungewöhnlich zu beurteilen ist, und die auch nicht durch das Nachtatverhalten des Rechtsmittelwerbers ausreichend gemindert werden kann. Seine Schuld ist im konkreten Fall, zumal die Strafobergrenze der hier verwirklichten Deliktskategorie bereits die Zulässigkeitsvoraussetzung nach § 198 Abs 2 Z 1 StPO ausschöpft, vielmehr als schwer zu qualifizieren, sodass sich die vom Schuldspruch umfasste Tat entgegen der Berufungsargumentation nicht mehr für eine diversionelle Erledigung eignet.
Am Schuldspruch ist also nicht mehr zu rütteln.
Hierfür verhängte die Erstrichterin über den Angeklagten nach § 84 Abs 4 StGB eine sechsmonatige Freiheitsstrafe, deren Vollzug sie mit dreijähriger Probezeit bedingt nachsah (§ 43 Abs 1 StGB).
Die (gemäß § 467 Abs 3 StPO implizite) Strafberufung des Angeklagten dringt ebensowenig durch. Denn beim gegebenen Rahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren ist die tat- und schuldadäquat in der Mindesthöhe festgesetzte Freiheitsstrafe angesichts der oben skizzierten Strafzumessungserwägungen, insbesondere zur objektiven Tatschwere, nicht mehr reduzierbar. Daraus (auch) abzuleitende sozialprognostische Bedenken hindern überdies die Anwendung des § 37 Abs 1 StGB sowie die Verkürzung der Probezeitdauer zur ohnedies bedingt nachgesehenen Sanktion.