Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Dampf als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. a Hagen und Mag. a Obwieser als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen A* B*wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB über die Berufungen des Angeklagten wegen der Aussprüche über die Schuld und (impliziert) die Strafe sowie der Staatsanwaltschaft Feldkirch wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das einzelrichterliche Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 2.7.2025, GZ ** 21, nach der am 4.11.2025 in Anwesenheit der Schriftführerin Rp Mag. a Endstrasser, des Sitzungsvertreters der Oberstaatsanwaltschaft EOStA Mag. Kuznik, des Angeklagten und des Verteidigers RAA Mag. Maximilian Auer (Kanzlei RA Dr. Joachim Tschütscher) öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:
Den Berufungen wird n i c h t Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch ein rechtskräftiges Adhäsionserkenntnis enthält, wurde A* B* des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB schuldig erkannt.
Demnach hat er am 03.02.2025 in ** den C* vorsätzlich am Körper verletzt und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine schwere Körperverletzung und Gesundheitsschädigung, nämlich eine an sich schwere sowie mit einer 24 Tage überdauernder Gesundheitsschädigung bzw Berufsunfähigkeit verbundene Verletzung, konkret einen mit einer Berufsunfähigkeit bis zumindest Juni 2025 verbundenen Riss des Kreuzbandes am rechten Knie, herbeigeführt, indem er den auf einem E-Scooter stehenden C* zunächst kräftig schubste, wodurch C* gegen eine Mauer bzw Zaun stürzte, sodann diesem einen Schlag gegen den rechten Gesichtsbereich versetzte sowie den C* im Zuge eines Gerangels mit beiden Armen am Körper umklammerte und dessen Oberkörper drehte, wodurch sich dieser das Knie verdrehte und zu Sturz kam.
Hiefür wurde er nach § 84 Abs 4 StGB unter Anwendung des § 43a Abs 2 StGB zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zehn Monaten sowie einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen à EUR 4,--, im Uneinbringlichkeitsfall 100 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, und gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.
Dagegen richtet sich die unmittelbar nach Urteilsverkündung vom Angeklagten angemeldete „Berufung“ (ON 20, 8), die in der Folge fristgerecht von der Verteidigerin wegen des Ausspruchs über die Schuld ausgeführt wurde und die mit Blick auf § 467 Abs 3 (iVm § 489 Abs 1) StPO auch als Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe anzusehen ist. Das Rechtsmittel zielt auf einen Freispruch, in eventu auf eine Zurückverweisung der Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht ab (ON 25).
Auch die Staatsanwaltschaft meldete sogleich Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe an (ON 20, 8), die schriftlich rechtzeitig ausgeführt (ON 23) auf eine Erhöhung der Strafe, allenfalls unter Entfall des § 43a Abs 2 StGB, anträgt.
In seiner Gegenausführung beantragt der Angeklagte, der Berufung der Staatsanwaltschaft keine Folge zu geben (ON 27). Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf Gegenausführungen (ON 26).
Die Oberstaatsanwaltschaft vertritt in ihrer Stellungnahme den Standpunkt, dass der Berufung des Angeklagten nicht, hingegen dem auf eine Strafschärfung antragenden Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Berechtigung zukomme.
Die Berufungen dringen nicht durch.
Der Schuldberufung des Angeklagten gelingt es nicht, Bedenken des Oberlandesgerichts an der erstrichterlichen Beweiswürdigung und damit der Richtigkeit der entscheidenden Sachverhaltsannahmen zu erwecken. Das Erstgericht hat sich mit sämtlichen in der Hauptverhandlung vorgekommenen Verfahrensergebnissen auseinandergesetzt und konnte sich wohl vom Angeklagten als auch von den Zeugen C*, D* und E* B* einen persönlichen Eindruck verschaffen. Unter Verwertung dieses Eindrucks hat es ausführlich, schlüssig und überzeugend begründet, warum es der leugnenden Verantwortung des Angeklagten und der Aussage des Zeugen E* B*, der den Vorfall im Kern ident wie er Angeklagte schilderte, nicht folgte, sondern den Schilderungen des Zeugen C* Glaubhaftigkeit zuerkannte.
Dem Berufungsvorbringen zuwider ist bei den Aussagen des C* eine Tendenz zur Dramatisierung gerade nicht erkennbar. Vielmehr schildert dieser den für ihn aus dem nichts kommenden Angriff des Angeklagten nüchtern und ohne Ausschmückungen. Dessen Bericht, wonach ihn der Angeklagte nach links gerissen habe, wobei sein ganzer Körper mitgerissen worden sei, sein rechter Fuß aber stehen geblieben sei, wodurch er zu Boden gefallen sei und sich die Verletzungen zugezogen habe, weist keine überbordenden Details auf. Gleiches gilt für die Aussage: „Dann ist er (der Angeklagte) weggefahren und hat mich am Boden liegen gelassen.“, mit der der Berufungswerber im Übrigen keine für den konkreten Fall entscheidende Tatsache anspricht (vgl Ratz , WK-StPO § 464 Rz 8); solche liegen in der Attacke des Angeklagten gegen das Opfer.
Der in der Berufungsschrift gezogene Schluss, dass der Zeuge D* wegen des von ihm angegebenen Beobachtungszeitraumes von 1 bis 1,5 Minuten den wesentlichen Teil der Auseinandersetzung (Streit ohne Körperkontakt) mitbekommen habe müssen, überzeugt nicht. Bei dieser zeitlichen Einschätzung handelt es sich lediglich um eine Vermutung des Zeugen. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang jedoch die Aussage dieses Zeugen, wonach der E-Scooter (des Opfers) am Boden gelegen sei, als er den Streit gesehen habe. Dies lässt darauf schließen, dass der Angriff des Angeklagten zu einem Zeitpunkt erfolgt war, bevor der Zeuge den Vorfall beobachtete. Aber auch dass dieser Zeuge weder den vom Angeklagten selbst zugestandenen Schubser gegen C* noch dessen Sturz wahrgenommen hat, steht der Annahme des Berufungswerbers, dieser Zeuge habe den wesentlichen Teil der Auseinandersetzung verfolgt, entgegen.
Der Berufungsschrift zuwider hat die Erstrichterin die Bewertung der Glaubwürdigkeit des Zeugen E* B* nicht auf die Inanspruchnahme des ihm im Verfahren gegen seinen Bruder zustehenden und im Ermittlungsverfahren in Anspruch genommenen Entschlagungsrechts gestützt (US 10). Die weiters vom Berufungswerber ins Treffen geführte Möglichkeit, wonach dieser Zeuge das Fallen des Opfers gegen eine Mauer bzw einen Zaun nicht gesehen habe, weil er kurz nicht zu den beiden Männern hingesehen habe, ist schon durch die wiederholte Aussage dieses Zeugen, wonach er die Auseinandersetzung zur Gänze beobachtet habe, widerlegt und somit spekulativ.
Dem Berufungsvorbringen, wonach C* nach dem Vorfall auf seinem E-Scooter bis zum Bahnhof ** noch eine Strecke von rund 1,8 km zurückgelegt habe, ist zu entgegnen, dass das Opfer nicht die Route über die B 190 gefahren ist, die (laut Google-Maps) vom Vorfallsort in der ** (ON 2.2, 1) bis zum Bahnhof 1,6 km beträgt, sondern einen direkt dem Bahnsteig entlang führenden Kiesweg benutzt hat (ON 19, 7), wodurch sich die zurückgelegte Strecke um einiges verringert hat. Dieses Vorbringen ist jedenfalls nicht geeignet, Zweifel an der Schilderung des Zeugen C* zu wecken. Im Übrigen handelt es sich bei der Überlegung, es sei möglich, dass das Opfer auf der Fahrt zum Bahnhof ** zu Sturz gekommen sei und sich dadurch die Verletzungen zugezogen habe, um reine Spekulation, weil es nicht unmöglich ist, mit der konstatierten Verletzung (Kreuzbandriss) die Wegstrecke mit einem E-Scooter zu bewältigen, weshalb sie einer Erwiderung nicht zugänglich ist.
Das Oberlandesgericht teilt die in der Beweiswürdigung angestellten eingehenden und umfangreichen Erwägungen des Erstgerichts ausdrücklich. Die Ableitung der inneren Tatseite aus dem äußeren Tatgeschehen ist mit Blick auf die leugnende Verantwortung des Angeklagten nicht zu beanstanden und überzeugt in Anbetracht des konstatierten Tatgeschehens.
Weil die entscheidenden Tatsachen zum objektiven Tatgeschehen und auch jene zur subjektiven Tatseite damit unbedenklich sind, hat es bei diesen zu bleiben.
Soweit der Angeklagte in der Berufungsverhandlung erstmals einen Rechtsfehler mangels Feststellungen behauptet, ist dieses Vorbringen prozessual unbeachtlich (vgl § 467 Abs 2 iVm § 489 Abs 1 StPO; RatzaaO § 287 Rz 2). Im Übrigen liegt ein solcher mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO ohnehin nicht vor, weil das Erstgericht unmissverständlich konstatierte, dass das Opfer die schwere Verletzung (Kreuzbandriss) „durch die Handlungen“ des Angeklagten erlitt (US 4 erster Absatz).
Zu den Strafberufungen:
Bei der Strafbemessung ging das Erstgericht von einer Strafbefugnis von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe aus und wertete das Teilgeständnis des Angeklagten mildernd, erschwerend hingegen die bereits einige Jahre zurückliegende einschlägige Vorstrafenbelastung sowie den Umstand, dass bei C* sowohl eine an sich schwere Verletzung als auch eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung bzw Berufsunfähigkeit eingetreten ist. Im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung (§ 32 StGB) berücksichtigte es, dass der Angeklagte die schwere Verletzungsfolge nicht in seinen Vorsatz aufgenommen habe, weshalb der Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat geringer ausfalle.
Die Staatsanwaltschaft brachte in ihrer Berufung argumentativ vor, dass der vom Erstgericht herangezogene Milderungsgrund des „teilweisen Geständnisses“ nicht vorliege und vier Eintragungen in der Strafregisterauskunft als einschlägig zu werten seien. Da die ausgemessene Strafe weder dem Unrechtsgehalt der Straftat noch der Schuld des Angeklagten gerecht werde, habe die Anwendung des § 43a Abs 2 StGB zu entfallen und sei der Angeklagte zu einer unbedingten bzw allenfalls teilbedingten Freiheitsstrafe zu verurteilen bzw sei die über den Angeklagten verhängte Geld- und/oder Freiheitsstrafe zu erhöhen.
Zu Recht zeigt die Staatsanwaltschaft auf, dass der vom Erstgericht angenommene besondere Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 17 StGB zu entfallen hat. In der Verantwortung des Angeklagten, er könne zwar nicht ausschließen, dass die Verletzung des Opfers durch sein Handeln eingetreten sei, er könne sich diese aber nicht erklären, ist weder ein reumütiges Geständnis - hiefür mangels es am Eingestehen der subjektiven Tatseite - noch ein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung zu sehen (RIS-Justiz RS0091465; Riffelin WK² StGB § 34 Rz 38 mwN).
Die vom Erstgericht herangezogene einschlägige Vorstrafenbelastung ist dahingehend zu präzisieren, dass von vier einschlägigen Verurteilungen auszugehen ist, wobei die letzte am 12.6.2018 durch das Bezirksgericht Dornbirn zu ** erfolgte, sodass der Umstand, dass sämtliche einschlägigen Vorstrafen bereits länger zurückliegen, dem Erschwerungsgrund des § 33 Abs 1 Z 2 StGB einiges an Gewicht nimmt, was vom Erstgericht aber ohnehin bereits berücksichtigt wurde.
Ausgehend von den präzisierten und korrigierten sowie – entgegen der Berufungsausführung der Staatsanwaltschaft – auch angemessen gewichteten Strafzumessungsgründen samt Berücksichtigung allgemeiner Strafbemessungskriterien des § 32 StGB erweist sich die vom Erstgericht bei einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verhängte Strafenkombination, die einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 13 Monaten und 10 Tagen entspricht, als schuld- und tatangemessen, weshalb sich das Oberlandesgericht nicht dazu veranlasst sah, diese anzuheben oder mit Blick auf die implizierte Strafberufung des Angeklagten zu mildern. Bislang wurden über den Angeklagten lediglich Geldstrafen verhängt, weshalb nach Ansicht des Oberlandesgerichts und entgegen jener der Staatsanwaltschaft die erstmalige Androhung des Vollzugs einer Freiheitsstrafe im Rahmen einer Strafenkombination (noch) ausreicht, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Die Generalprävention erfordert ebenfalls nicht den (teilweisen) Vollzug der Freiheitsstrafe.
Die mit dem Mindestsatz bemessene Höhe des einzelnen Tagessatzes war angesichts der vom Erstgericht unbedenklich festgestellten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Angeklagten, den Sorgepflichten für drei Kinder treffen, ebenfalls nicht zu korrigieren.
Die Berufungen mussten daher erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung ist Folge des Ausgangs des Berufungsverfahrens. Sie gründet in der angeführten Gesetzesstelle.
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