11Bs292/24i – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Dampf als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. a Hagen und Mag. a Obwieser als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 3 StGB über die Berufungen des Angeklagten wegen Nichtigkeit und der Aussprüche über die Schuld und die Strafe sowie der Staatsanwaltschaft Innsbruck wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das einzelrichterliche Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 10.10.2024, GZ **-17, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
In Stattgebung der Berufung wegen Nichtigkeit wird das angefochtene Urteil a u f g e h o b e n und die Sache an das Landesgericht Innsbruck zu neuer Verhandlung und Entscheidung z u r ü c k v e r w i e s e n .
Der Angeklagte wird mit seiner weiteren Berufung, die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch ein Adhäsionserkenntnis enthält, wurde A* des Vergehens des Diebstahls „teilweise“ durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 3 StGB schuldig erkannt und zu einer unbedingten Freiheitsstrafe sowie zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.
Danach hat er in ** anderen fremde bewegliche Sachen teils durch Einbruch mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar
1. am 23.05.2024 dem B* ein E Bike im Wert von EUR 1.500,--, indem er das mit einem Zahlenschloss versperrte Fahrrad nach Öffnung des Zahlenschlosses mit einem dazu nicht bestimmten Werkzeug, sohin nach Aufbrechen einer Sperrvorrichtung, an sich nahm und damit davon fuhr;
2. am 04.07.2024 Verfügungsberechtigten des Geschäftes dm-Drogeriemarkt zwei Parfums (** und **) im Gesamtwert von EUR 150,00.
Gegen dieses Urteil richtet sich die unmittelbar nach Urteilsverkündung angemeldete (ON 16) und fristgerecht schriftlich durch den Verteidiger ausgeführte Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 4 und Z 9 lit b iVm § 489 Abs 1 StPO und der Aussprüche über die Schuld und die Strafe (ON 18). Auch die Staatsanwaltschaft meldete sogleich Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe zum Nachteil an, welche sie in der Folge nicht schriftlich ausführte.
Die Oberstaatsanwaltschaft vertritt in ihrer schriftlichen Stellungnahme den Standpunkt, dass lediglich der Berufung der Staatsanwaltschaft Folge gegeben werden wolle.
Der Angeklagte äußerte sich zur Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft nicht mehr.
Rechtliche Beurteilung
Bereits der Nichtigkeitsberufung kommt im Sinne einer Verfahrenserneuerung Berechtigung zu.
Die Verfahrensrüge (§ 281 Abs 1 Z 4 iVm § 489 Abs 1 StPO ) wendet sich gegen die Abweisung (ON 16, 3) des in der Hauptverhandlung wiederholten, vorab schriftlich gestellten (ON 14) Antrags auf Einholung eines medizinischen Gutachtens aus dem Fachbereich Psychiatrie, Psychotherapeutische Medizin, zum Beweis dafür, dass der Angeklagte schon seit längerer Zeit und somit auch im Moment der ihm zur Last gelegten Taten zurechnungsunfähig war (ON 16, 2), wobei der Angeklagte gleichzeitig auch eine ärztliche Stellungnahme des Anstaltspsychiaters der Justizanstalt ** vom 17.9.2024 (ON 16.1) vorlegte.
Ein prozessordnungsgemäß gestellter Beweisantrag darf nur abgelehnt werden, wenn er auf die Aufnahme unzulässiger, unverwertbarer oder unmöglicher Beweise abzielt, das Beweisthema offenkundig oder für die Beurteilung des Tatverdachts ohne Bedeutung ist, das beantragte Beweismittel nicht geeignet ist, eine erhebliche Tatsache zu beweisen oder das Gericht das Beweisthema ohnehin als erwiesen annimmt (§ 55 Abs 2 StPO).
Die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie ist dann geboten, wenn im Beweisverfahren konkrete objektivierte Umstände hervorgekommen sind, die bei Anlegung eines realitätsbezogenen Maßstabs Zweifel hervorrufen, dass der Angeklagte zur Tatzeit fähig war, das Unrecht seiner Tat(en) einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln (RIS-Justiz RS0097641).
Laut der Krankengeschichte berichtete der Angeklagte in der Justizanstalt seit 16.7.2024 wiederholt von akustischen Halluzinationen in Form von imperativen Stimmen (ON 14.3). Bereits im Rahmen der Befundaufnahme am 23.7.2019 in der Universitätsklinik für ** (ON 14.5) schilderte er, seit 1 ½ Monaten Stimmen zu hören und ergab die damalige psychiatrische Beurteilung eine akute Belastungsreaktion (ICD-10: F43.0), Cannabisabusus (ICD-10: F12.1) und einen Verdacht auf dissoziale Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.2). Nach der ärztlichen Stellungnahme des Anstaltspsychiaters der Justizanstalt ** vom 17.9.2024 leidet der Angeklagte seit Jahren (seit 2019) an einer paranoiden Schizophrenie (ICD-10: F20.0).
Dies sind aber entgegen der Ansicht des Erstgerichts und der Oberstaatsanwaltschaft Verfahrensergebnisse, die eine psychiatrische Expertise indizieren, ob die Diskretions- und/oder Dispositionsfähigkeit aufgehoben war(en) und damit Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) zu den Tatzeitpunkten vorlag. Die zu Unrecht erfolgte Abweisung des Beweisantrags erfordert die Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 470 Z 3 iVm § 489 Abs 1 StPO).
Mit seiner weiteren Berufung war der Angeklagte auf diese kassatorische Entscheidung zu verweisen, ebenso die Staatsanwaltschaft mit ihrer Strafberufung.