11Bs291/24t – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Dampf als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. a Hagen und Mag. a Obwieser als weitere Mitglieder des Senats in der Strafvollzugssache des A*wegen Widerruf einer bedingten Entlassung nach § 53 Abs 2 StGB über die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 3.12.2024, GZ ** 49, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Der Beschwerde wird n i c h t Folge gegeben .
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
Text
Begründung:
Der ** geborene A* wurde mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Vollzugsgericht vom 6.12.2023 nach Verbüßung der Hälfte eines Strafenblocks (§ 46 Abs 1 und Abs 5 StGB) mit den „Auflagen“, 1. Anordnung der Bewährungshilfe, 2. Weiterführung einer ambulanten Suchttherapie und Erbringung des Nachweises alle Vierteljahre, 3. Antritt einer Arbeitsstelle und Nachweis des Antritts dieser Arbeitsstelle binnen eines Vierteljahres und 4. Verzicht auf die Konsumation jeglicher alkoholischer Getränke unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren am 1.2.2024 bedingt entlassen (ON 6).
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss widerrief das Vollzugsgericht gestützt auf § 53 Abs 2 StGB die bedingte Entlassung. In der Begründung legte es aktenkonform den bisherigen Verfahrensgang dar und führte weiter aus:
„Angesichts der mehrfachen Alkoholisierungen des Rechtsbrechers steht fest, dass er die ihm auferlegte Weisung des Verzichts auf alkoholische Getränke nicht eingehalten hat und sohin auch die ambulante Suchttherapie nicht erfolgreich gewesen sein kann. Die ausgesprochene Bombendrohung begründet den Verdacht einer strafbaren Handlung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB. Zudem behängt nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen den Rechtsbrecher seit Februar dieses Jahres zu ** ein Ermittlungsverfahren wegen schwerer Nötigung nach §§ 105, 106 StGB und anderer Delikte, sodass infolge mehrmaliger Nichteinhaltung der Weisungen und des Verhaltens des A* nunmehr der Widerruf auszusprechen war.“
Gegen diesen Beschluss erhob der Verurteilte durch seinen Verteidiger rechtzeitig Beschwerde und brachte zusammengefasst vor, es gäbe keine konkreten Belege für die angebliche Alkoholisierung. Aufgrund der Erkrankung des Verurteilten hätte die für 3.12.2024 anberaumte Verhandlung vertagt werden müssen, um ihm Gelegenheit zu geben, den Vorfall vom Oktober 2024 persönlich aufzuklären. Auch liege bislang keine rechtskräftige Verurteilung vor, sondern sei lediglich ein Ermittlungsverfahren anhängig (ON 55).
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft einer Stellungnahme enthielt, kommt Berechtigung zu.
Gemäß § 53 Abs 2 StGB hat das Gericht die bedingte Strafnachsicht oder eine bedingte Entlassung zu widerrufen und die Strafe oder den Strafrest vollziehen zu lassen, wenn der Rechtsbrecher während des vom Gericht bestimmten Zeitraums eine Weisung trotz förmlicher Mahnung mutwillig nicht befolgt oder sich beharrlich dem Einfluss des Bewährungshelfers entzieht, und der Widerruf nach den Umständen geboten erscheint, um den Rechtsbrecher von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten. Die bloße Nichtbefolgung einer Weisung berechtigt in der Regel noch nicht zu dem Schluss, dass die Resozialisierungsmaßnahme erfolglos geblieben ist. Es müssen konkrete Anhaltspunkte Anlass zur Besorgnis geben, dass der Verurteilte seine soziale Integration nicht anstrebt und sich ohne Einwirkung des Strafvollzugs nicht straffrei verhalten werde (vgl Jerabek/Ropperin WK² StGB § 53 Rz 9). Die Nichtbefolgung der Weisung auch nach förmlicher Mahnung kann nur unter der weiteren Prämisse zum Widerruf führen, dass dies mutwillig geschieht, womit jede Art von Vorsatz einschließlich des dolus eventualis erfasst ist. Die bloß nachlässige (dh fahrlässige) Nichtbefolgung einer Weisung reicht nicht aus ( Jerabek/Ropper aaO Rz 10; RISJustiz RS0092796).
Noch im Monat seiner bedingten Entlassung verstieß der Verurteilte gegen die Weisung, sich jeglicher alkoholischer Getränke zu enthalten (ON 9 f). Bereits am 26.3.2024 kontaktierte eine Ärztin des Landeskrankenhauses **/Psychiatrische Abteilung ** die Bewährungshelferin und teilte mit, dass der Verurteilte seit seiner Entlassung schon das dritte Mal alkoholisiert eingeliefert worden sei (ON 9). Daraufhin wurde A* durch das Vollzugsgericht am 29.3.2024 unter ausdrücklichem Hinweis auf die Weisung, sich der Konsumation jeglicher alkoholischer Getränke zu enthalten, förmlich gemahnt (ON 12), das entsprechende Schriftstück wurde ihm am 26.4.2024 an seiner Wohnadresse persönlich ausgefolgt (ON 17). Am 24.10.2024 berichtete die Bewährungshelferin, dass der Verurteilte nach einer telefonischen Mitteilung von Dr. B* vom Landeskrankenhaus ** erneut stark alkoholisiert von der Polizei eingeliefert und aufgrund suizidalen Verhaltens und einer Bombendrohung in die psychiatrische Abteilung aufgenommen worden sei (ON 21). Die Staatsanwaltschaft beantragte daher den Widerruf der bedingten Entlassung wegen wiederholten Nichteinhaltens der Alkoholabstinenz (ON 1.9). In seiner Stellungnahme bat der Verurteilte, davon abzusehen und ersuchte um eine Anhörung, da er vieles, was ihn psychisch sehr belaste, zu erzählen habe (ON 22). Der Erstrichter beraumte deshalb eine Anhörung für 3.12.2024 an, zu der der Verurteilte jedoch nicht erschien (ON 48) und bereits am 27.11.2024 sein Fernbleiben mit einer nicht nachgewiesenen Erkrankung und einem vermeintlichen Aufenthalt in ** entschuldigte (ON 29). Die Bewährungshelferin teilte in der Anhörung mit, dass sie den Verurteilten ständig darauf hingewiesen habe, dass er sich alkoholischer Getränke zu enthalten habe und ein Widerruf bei Nichteinhaltung der Weisungen passieren könnte, dessen ungeachtet es aber mehrere Einlieferungen in die Krankenanstalt oder Psychiatrie wegen Alkoholisierung gegeben habe (ON 48).
Es trifft zwar zu, dass die Mitteilungen über die wiederholten Verstöße gegen die Weisung auf Verzicht der Konsumation jeglicher alkoholischer Getränke - mit einer Ausnahme (siehe Bestätigung der Suchthilfe ** (ON 10) - „indirekt“ über die Bewährungshelferin erfolgten. Jedoch hat das Oberlandesgericht keine Bedenken an der Richtigkeit der Mitteilungen der Bewährungshelferin betreffend die Kommunikation mit den Ärzten des LKH ** über die wiederholten Einlieferungen des Verurteilten im alkoholisierten Zustand. Weshalb die diesbezüglichen Weisungsbrüche, die auch nach der förmlichen Mahnung nicht endeten, nicht mutwillig iSd § 53 Abs 2 StGB erfolgt sein sollten, vermag die Beschwerde nicht aufzuzeigen. Dass sich der Verurteilte nicht (auch) beharrlich dem Einfluss der Bewährungshelferin entzogen habe, steht dem weiteren Beschwerdevorbringen zuwider dem Widerruf nicht entgegen, weil dieser Widerrufsgrund ohnehin nicht angenommen wurde.
Hinsichtlich der spezialpräventiven Notwendigkeit des Widerrufs zeigt die Beschwerde zwar zunächst im Ergebnis zutreffend auf, dass die Begründung im angefochtenen Beschluss, wonach die genannten Ermittlungsverfahren, die im Übrigen nach wie vor nicht abgeschlossen sind (beide sind wegen des vermeintlichen Aufenthalts des Beschwerdeführers in Thailand abgebrochen und ist er zudem zur Festnahme ausgeschrieben), zeigen würden, dass der Widerruf geboten erscheine, um den Rechtsbrecher von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten, gegen die Unschuldsvermutung (§ 8 StPO; Art 6 Abs 2 MRK) verstößt. Jedoch ist für den Beschwerdeführer dadurch nichts gewonnen, weil seine Strafregisterauskunft bereits vier Eintragungen aufweist (ON 5). Mit einer einzigen Ausnahme (Pkt 3) erfolgten sämtliche Verurteilungen wegen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung (§ 287 Abs 1 StGB). Weil er damit nachdrücklich unter Beweis stellte, dass er unter Alkoholeinfluss zu Delinquenz neigt, ist der Widerruf infolge der wiederholten mutwilligen Weisungsbrüche - auch noch nach förmlicher Mahnung - erforderlich, um ihn von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten.
Die Durchführung einer vom Beschwerdeführer begehrten „Verhandlung“ ist im Verfahren über einen Widerruf der bedingten Entlassung nicht vorgesehen; von seinem Anhörungsrecht (§ 495 Abs 3 StPO) hat A* ohnehin Gebrauch gemacht (vgl erneut ON 22). Im Übrigen ist er zur persönlichen Anhörung ohne entsprechende ärztliche Bestätigung nicht erschienen und zudem seit längerem unbekannten Aufenthalts, vermeintlich in Thailand, weshalb er international zur Festnahme ausgeschrieben ist (vgl die obigen Ausführungen). Eine weitere persönliche Anhörung oder die in der Beschwerde begehrten Kontrollen der Leberwerte des Verurteilten sind daher ohnehin nicht durchführbar.
Der Beschwerde war daher ein Erfolg zu versagen.