JudikaturOLG Innsbruck

3R32/25t – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
05. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck als Rekursgericht hat durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Vetter als Vorsitzende sowie die Richterinnen des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser und Mag. Grössl als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei A* , vertreten durch Wallner Jorthan Rechtsanwalts GmbH in 1080 Wien, wider die beklagte Partei B* AG , vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, wegen (eingeschränkt) EUR 5.040,00 s.A., über den Rekurs der klagenden Partei gegen die im Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 11.3.2025, **-45, enthaltene Kostenentscheidung (Rekursinteresse: EUR 7.083,35), in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird n i c h t Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen zu Handen der Beklagtenvertreterin die mit EUR 498,51 (darin EUR 79,59 an USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls u n z u l ä s s i g .

Text

Begründung:

Gegenstand des Verfahrens waren Schadenersatzansprüche der Klägerin aus dem Kauf eines Fahrzeugs, in welches die Beklagte als Herstellerin gesetzwidrige Abschalteinrichtungen zur Umgehung von Abgasvorschriften verbaute.

Die Klägerin begehrte ursprünglich mit ihrer am 24.11.2023 eingebrachten Klage die Zahlung von EUR 16.434,10 s.A. (Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich eines Benützungsentgelts) Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs, sohin primär die Naturalrestitution durch Rückabwicklung des Vertrags. Mit Schriftsatz vom 24.1.2024 (ON 6) schränkte sie ihr Klagebegehren auf Geldersatz (Wertminderung) von EUR 5.040,00 s.A. mit der Begründung ein, dass sie bei Kenntnis des gesetzwidrigen Zustands für das Fahrzeug nur einen um 30 % verminderten Preis bezahlt hätte.

Das Erstgericht gab dem (eingeschränkten) Klagebegehren im Ausmaß von EUR 1.680,00 s.A. statt und wies das Mehrbegehren von EUR 3.360,00 s.A. ab. Die Höhe des Wertminderungsschadens bestimmte es – in Anwendung der Rechtsprechung, wonach entsprechend den unionsrechtlichen Anforderungen die Ersatzleistung innerhalb einer Bandbreite von 5 % und 15 % des Kaufpreises auszumessen ist – gemäß § 273 ZPO mit 10 % des Kaufpreises.

Mit der angefochtenen Kostenentscheidungverpflichtete das Erstgericht die Klägerin zu einem Kostenersatz in Höhe von EUR 2.310,46 an die Beklagte. In seiner Begründung führte es dazu an, dass im Hinblick auf die Einschränkung des Klagebegehrens zwei Phasen zu bilden seien. In der ersten Phase (bis zur Einschränkung des Leistungsbegehrens auf EUR 5.040,00) sei die Beklagte nur geringfügig (10,22 %) unterlegen, weshalb § 43 Abs 2 ZPO anzuwenden sei. In der zweiten Phase habe die Beklagte mit zwei Drittel obsiegt, sodass die Kosten nach § 43 Abs 1 ZPO gegeneinander aufzurechnen und der Beklagten ein Drittel ihrer Kosten zuzusprechen seien.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der fristgerecht erhobene Rekurs der Klägerin, die unter Geltendmachung des Rechtsmittelgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne eines Kostenzuspruchs an sie in Höhe von EUR 4.772,89 beantragt.

Die Beklagte beantragt in ihrer – ebenfalls fristgerecht – erstatteten Rekursbeantwortung, dem Rechtsmittel den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

I.Die Rekurswerberin argumentiert, der von ihr ursprünglich erhobene Klagsanspruch auf Rückabwicklung habe sich als berechtigt erwiesen, weshalb die Beklagte in diesem Prozessabschnitt vollständig unterlegen sei. Mit der Einschränkung ihres Leistungsbegehrens auf EUR 5.040,00 habe sie gleichzeitig ihr Angebot auf Herausgabe des klagsgegenständlichen Fahrzeugs fallengelassen, sodass sie nach der Klageänderung das Fahrzeug im Wert von zumindest EUR 12.000,00 behalten habe, was im zweiten Prozessabschnitt zu berücksichtigen gewesen wäre. Zu berücksichtigen sei darüber hinaus, dass einem wegen einer mangelhaften Sache Geschädigten die Wahl zustehe, ob er Naturalherstellung oder statt dessen Geldersatz verlange. Schließlich sei der Schadenersatzanspruch der Klägerin gemäß § 273 ZPO bemessen worden und sei zu berücksichtigen, dass das überwiegende Unterliegen für die Klägerin erst infolge der, aufgrund der europarechtlichen Judikatur ergangenen Rechtsprechung erkennbar sein habe können. Die Überklagung dürfe daher noch nicht als erkennbare und offenbare Forderung außerhalb jeder vernünftigen Überlegung qualifiziert werden. Aus diesen Erwägungen stünden ihr für das gesamte Verfahren Kosten auf Basis des ersiegten Betrages in Höhe von EUR 1.680,00 zu.

II. Dazu hat der Senat erwogen:

1.1. Das Argument der Rekurswerberin, der von ihr ursprünglich erhobene Klagsanspruch auf Rückabwicklung habe sich als vollständig berechtigt erwiesen, weshalb die Beklagte im ersten Prozessabschnitt vollständig unterlegen sei, negiert das im Kostenrecht herrschende Erfolgsprinzip. Demnach ist der Prozesserfolg grundsätzlich durch den Vergleich des eingeklagten (hier EUR 16.434,10) mit dem letztlich zugesprochenen (hier EUR 1.680,--) Betrags zu ermitteln.

1.2.Durch die Einschränkung des Klagebegehrens ändert sich nichts an der prozessualen Natur des Kostenanspruchs und am Erfolgsprinzip. Wer mit seinem Klagsantrag Erfolg hat, sei es, weil das Gericht der Klage stattgibt oder sei es, weil der Gegner aufgrund der Klageführung erfüllt oder den Kläger sonst klaglos stellt, der hat obsiegt. Wessen Klage abgewiesen wird oder wer aus sonstigen Gründen trotz fehlender Klaglosstellung durch den Beklagten den Klagsantrag freiwillig zurückzieht (oder einschränkt), der ist unterlegen. Es ist daher im Hinblick auf den für die Kostenentscheidung maßgeblichen Prozesserfolg stets zu fragen, aus welchen Gründen das Klagebegehren eingeschränkt wurde. Gelingt dem Kläger nicht die Bescheinigung, dass die Gründe seiner Klagseinschränkung einem Obsiegen gleichkommen oder wenigstens auf solchen externen Umständen beruhen, so wird er nach dem Grundsatz des § 237 Abs 3 ZPO kostenersatzpflichtig ( Obermair , Kostenhandbuch 4 , Rz 1.149 ff; OLG Linz 15 R 236/16f).

1.3. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin ihr Klagebegehren von EUR 16.434,10 auf EUR 5.040,00 eingeschränkt, ohne einen für sie günstigen, kostenrelevanten Grund zu nennen. Zu vermuten ist, dass die Umstellung des Klagebegehrens von Naturalersatz (Rückabwicklung) auf einen Wertminderungsanspruch deshalb erfolgte, weil das Klagsfahrzeug von ihr verkauft wurde, somit eine Rückabwicklung gar nicht mehr bewerkstelligbar war. Nach den Feststellungen hatte die Klägerin das Fahrzeug zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt zu einem Preis von EUR 12.000,00 verkauft, als sie noch nicht wusste, dass in dem Auto eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut war. Daraus ist aber zu schließen, dass der Verkauf bereits vor der Klagseinbringung erfolgte. Damit ist die Klagseinschränkung aber nicht aus Gründen erfolgt, die einem Obsiegen gleichkämen, sondern ist sie der Sphäre der Klägerin zuzuordnen und kommt einem Misserfolg gleich. Die Klägerin ist daher im Umfang der Klagseinschränkung als zur Gänze unterlegen anzusehen.

2.1.Richtig ist, dass einem wegen einer mangelhaften Sache Geschädigten die Wahl zusteht, ob er aus dem Titel des Schadenersatzes Naturalherstellung oder anstatt dessen Geldersatz verlangt. Die von der Rechtsmittelwerberin in diesem Zusammenhang zitierte Rechtsprechung (4 Ob 7/25w) bezog sich allerdings auf die Frage, ob sich die im Hinblick auf die dort zunächst geltend gemachte Rückabwicklung des Vertrags eingetretene Unterbrechungswirkung der Verjährungfrist auch auf den im weiteren Prozessverlauf ausdrücklich erhobenen Geldersatzanspruch erstreckte. Eine Aussage darüber, wie sich bei einem solchen Umstieg der Wegfall einer zunächst von Klagsseite angebotenen Zug-um-Zug Rückabwicklung kostentechnisch auswirkt, wird in dieser Entscheidung hingegen nicht getroffen. Ebenso wenig lässt sich den Ausführungen der Kostenrüge der Klägerin nachvollziehbar entnehmen, weshalb deswegen, weil die Klägerin ihre eigene Verpflichtung zur Rückstellung Zug-um-Zug fallen gelassen hat, sich an ihrem Prozesserfolg im zweiten Prozessabschnitt etwas ändern sollte.

Soweit sich die Rekurswerberin darauf beruft, dass sie im Hinblick auf die Einschränkung des Leistungsbegehrens auch das Angebot auf Herausgabe des Fahrzeugs fallengelassen habe – sohin das Fahrzeug im Wert von zumindest EUR 12.000,-- behalten durfte – und dies kostenwirksam in der zweiten Prozessphase zu berücksichtigen gewesen wäre, negiert sie wiederum, dass sie ihr Fahrzeug ja bereits vor Klagseinbringung verkauft hatte.

2.2. Die Rekurswerberin moniert weiters – insbesondere im Hinblick auf die zweite Prozessphase –, dass die Ausmittlung der Höhe des zu ersetzenden Schadens seitens des Erstgerichts gemäß § 273 ZPO vorgenommen wurde. Eine Überklagung liege nicht vor, sondern stünde der Klägerin Schadenersatz auf Basis des ersiegten Betrags in Höhe von EUR 1.680,00 zu.

2.3. Voraussetzung für die von der Klägerin angestrebte Anwendung des § 43 Abs 2 zweiter Fall ZPO ist, dass der Anspruch nicht übermäßig oder offenkundig zu hoch eingeklagt wird. In der Rechtsprechung wird als Richtschnur für das Vorliegen der Überklagung vielfach das Begehren bis zum Doppelten des insgesamt ersiegten Betrags herangezogen ( Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.160 f).

2.4. Im vorliegenden Fall ist die Klägerin mit einem Drittel ihrer in der zweiten Prozessphase noch offenen Klagsforderung durchgedrungen. Eine Anwendung des § 43 Abs 2 zweiter Fall ZPO in einer solchen Konstellation würde einer Abkehr vom grundsätzlich verankerten Erfolgsprinzip gleichkommen.

2.5. Es erfolgte letztlich ein Zuspruch von Schadenersatz in Anwendung der Rechtsprechung, wonach aufgrund der unionsrechtlichen Vorgaben die Ersatzleistung innerhalb einer Bandbreite von 5 % (aus Gründen der unionsrechtlichen Effektivität als Untergrenze) und 15 % (aus Gründen der unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeit als Obergrenze) des Kaufpreises auszumessen ist.

Soweit sich die Klägerin bei ihrer Argumentation auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 10 Ob 46/23x stützt, die einen Kostenersatz nach § 43 Abs 2 zweiter Fall ZPO in ähnlicher Konstellation vorsah, übersieht sie, dass das Höchstgericht dort damit argumentierte, dass in diesem Verfahren zum Zeitpunkt der Einbringung der Revision Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Bandbreite des in einer solchen Konstellation zuzusprechenden Schadenersatzbetrags noch nicht bestanden habe. Eine Überklagung sei daher für die Klägerin nicht erkennbar gewesen.

2.6. Der vorliegende Fall ist hingegen anders gelagert. Die Klage wurde am 27.11.2023 eingebracht. Die richtungsweisende Entscheidungdes Obersten Gerichtshofs 10 Ob 27/23b, worin das Höchstgericht selbst bei Übergehung eines von der Partei angebotenen Sachverständigenbeweises einen Schadenersatz innerhalb einer Bandbreite von 5 % und 15 % des vom Kläger gezahlten und dem Wert des Fahrzeugs angemessenen Kaufpreises in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH (BGH 26.06.2023, VIa ZR 335/21 Rn 73 ff) vorsah, war bereits seit 6.10.2023 im RIS veröffentlicht. Damit liegen die in 10 Ob 46/23x zu Grunde gelegten Voraussetzungen hier aber gerade nicht vor, weil es zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage bzw der Klagseinschränkung bereits Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu diesem Themenkreis gab und die Klägerin auf diese bereits existente Rechtsprechung reagieren hätte können.

3. Im Ergebnis ist die Klägerin daher in der ersten Prozessphase nur mit rund 10 % durchgedrungen, sodass der Beklagten – wie vom Erstgericht richtig erkannt – in dieser Phase das Kostenprivileg des § 43 Abs 2 erster Fall ZPO zugute kommt. Demgegenüber ist sie in der zweiten Prozessphase mit nur einem Drittel durchgedrungen, sodass sich die Kostenentscheidung des Erstgerichts völlig richtig auf § 43 Abs 1 ZPO stützte.

4. Einwendungen dahingehend, dass die Kosten der Höhe nach nicht richtig bemessen worden wären, wurden im Rekurs nicht erstattet, sodass eine diesbezügliche Prüfung durch das Rekursgericht zu unterbleiben hatte.

5. Die Kostenentscheidung des Erstgerichts ist daher nicht zu beanstanden und war dem Rekurs der Klägerin der Erfolg zu versagen.

6.Die Kostenentscheidung im Rekursverfahren gründet auf den §§ 50, 41 ZPO. Nachdem die Beklagte im Rekursverfahren einen vollen Abwehrerfolg erzielen kann, hat sie Anspruch auf die Kosten ihrer richtig verzeichneten Rekursbeantwortung.

7. Der Revisionsrekurs ist nach § 528 Abs 3 Z 3 ZPO jedenfalls unzulässig.