Das Oberlandesgericht Innsbruck als Rekursgericht hat durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Berchtold als Vorsitzende sowie die Richterin des Oberlandesgerichts Mag. Dr. Tangl und den Richter des Oberlandesgerichts Mag. Ortner als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH , vertreten durch Dr. David Suntinger, Rechtsanwalt in 9300 St Veit/Glan, gegen die beklagten Parteien 1.) B* GmbH , und 2.) F* , beide vertreten durch Dr. Franz Martin Orou, Rechtsanwalt in 1170 Wien, wegen Unterlassung (Streitinteresse EUR 47.200,--) und Urteilsveröffentlichung (Streitinteresse EUR 5.100,--), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 17.3.2025, G*-116, über den Antrag der Antragstellerin H* GMBH , vertreten durch GEISTWERT Kletzer Messner Mosing Schnider Schultes Rechtsanwälte OG in 1060 Wien, auf Gewährung von Akteneinsicht in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
1. Dem Rekurs wird k e i n e Folge gegeben.
2. Die klagende Partei ist schuldig, der Antragstellerin zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen die mit EUR 1.859,70 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.
3. Der Revisionsrekurs ist jedenfalls u n z u l ä s s i g .
Begründung:
Die Erstbeklagte versendete am 13.10.2021 per Mail einen Newsletter, in welchem unter anderem auf einen TV-Beitrag „ I* J* – K* ein Baum “ von L* verwiesen wurde; der Beitrag war am 8.10.2021 auf L* ausgestrahlt worden.
Die Klägerin begehrt im vorliegenden Verfahren, den Beklagten zu verbieten, mit gesundheitsfördernden Wirkungen des Zirbenholzes zu werben, wenn diese Behauptungen nicht oder nicht hinreichend wissenschaftlich belegt seien. Sie brachte - soweit hier von Interesse - vor, die Studie der M*, auf welche im Beitrag Bezug genommen werde, sei nicht geeignet, medizinische Wirkungen (wissenschaftlich) nachzuweisen.
Die beklagten Parteien wendeten – wiederum soweit im vorliegenden Zwischenstreit von Interesse – ein, dass die vom Kläger beanstandeten Aussagen auf medizinischen bzw pharmakologischen Erkenntnissen beruhten, welche wissenschaftlich belegt und richtig seien. Mit Schriftsatz vom 2.9.2022 (ON 25) verkündeten die Beklagten der H* GmbH (in der Folge: Antragstellerin) den Streit und brachten dazu vor, dass die Antragstellerin den Fernsehsender L* betreibe. Der TV-Beitrag mit den inkriminierten Aussagen stamme von ihr. Sie sei als Medieninhaberin unmittelbar an der inhaltlichen Gestaltung beteiligt und habe daher die inhaltliche und redaktionelle Letztverantwortung für die verbreiteten Inhalte. Sollten die Beklagten im vorliegenden Verfahren unterliegen, sei ihnen die Antragstellerin als Medieninhaberin und Produzentin des TV-Beitrags aufgrund der Verbreitung der Aussagen ersatzpflichtig.
Mit Schriftsatz vom 5.3.2025 (ON 114) beantragte die Antragstellerin , ihr Einsicht in den Akt G* des Landesgerichtes Innsbruck durch Freischaltung der Antragstellervertreterin im ERV zu gewähren.
Sie brachte dazu vor, dass ihr mit Schriftsatz vom 2.9.2022 der Streit verkündet worden sei. Sie sei außerdem Beklagte in einem von der Klägerin vor dem Landesgericht Salzburg angestrengten Verfahren zu **, in welchem sowohl in der Klage als auch im Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung begehrt werde, die unrichtige und irreführende Behauptung zu verbieten, dass J*, Zirbenholz und davon abgeleitete Erzeugnisse Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen hätten bzw gesundheitsfördernd seien (zum Wortlaut der Begehren im Detail siehe ON 110). Im Verfahren vor dem Landesgericht Salzburg habe die Klägerin einen Schriftsatz aus dem vorliegenden Verfahrens vorgelegt, in welchem die beklagten Parteien die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu verschiedenen Eigenschaften von Zirbenholz beantragt hätten. Diese Fragestellung betreffe (auch) die (im Schriftsatz ON 110 näher angeführten) Urteilsbegehren der Klägerin im Verfahren vor dem Landesgericht Salzburg gegen die Antragstellerin. Diese habe aufgrund der Streitverkündung und zur Abwehr der gegen sie erhobenen Ansprüche ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht in den Akt G* des Landesgerichts Innsbruck.
Die klagende Partei sprach sich in ihrer Äußerung vom 13.3.2025 (ON 114) gegen die Gewährung von Akteneinsicht an die Antragstellerin aus und wendete ein, dass diese sich im Verfahren vor dem Landesgericht Salzburg mit der fehlenden Wiederholungsgefahr rechtfertige und selbst ausgeführt habe, nicht zu bestreiten, dass die gegenständlichen Aussagen zur Wirkung von Zirbenholz nicht hinreichend wissenschaftlich bestätigt und daher unzulässig seien. Aufgrund dieses Prozessstandpunkts fehle ihr ein rechtliches Interesse. Im Übrigen sei das Vorbringen zur Begründung des Antrags auf Akteneinsicht unsubstantiiert. Die Gewährung der Akteneinsicht im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung oder im Interesse der Prozessökonomie sei schon deshalb nicht gegeben, weil das Gutachten im Verfahren beim Landesgericht Salzburg „ keine Bindungswirkung “ hätte. Darüber hinaus überwiege das Geheimhaltungsinteresse der Klägerin.
Die beklagte Partei stimmte dem Antrag auf Akteneinsicht unter Verweis auf ihre Streitverkündung ausdrücklich zu.
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss gab das Erstgericht dem Antrag auf Akteneinsicht eingeschränkt auf das Gutachten des Univ.-Prof. Dr. N* (ON 92) und die mündliche Erörterung (ON 103) statt.
Zusammengefasst führte das Erstgericht nach zutreffender Wiedergabe der Grundsätze zur Gewährung von Akteneinsicht an Dritte aus, dass kein Zweifel bestehe, dass die Antragstellerin ein rechtliches Interesse daran habe, das medizinische Sachverständigengutachten zur Frage der gesundheitsfördernden Wirkung der J* zu kennen, gehe es doch sowohl im vorliegenden Verfahren als auch in jenem vor dem Landesgericht Salzburg um diese Frage. An der Kenntnis der übrigen Aktenbestandteile bestehe jedoch kein rechtliches Interesse bzw falle die Abwägung, ob das Recht des Dritten dasjenige der Verfahrensparteien überwiege, zu Lasten der Antragstellerin aus. Wenngleich eine Abweisung des Mehrbegehrens auf Gewährung der Akteneinsicht in den gesamten Akt im Spruch unterblieben ist, zeigt diese Begründung, dass der Entscheidungswille des Gerichts auf Abweisung der Akteneinsicht in die über das Gutachten hinausgehenden Aktenbestandteile gerichtet war.
Gegen den dem Antrag stattgebenden Teil des Beschlusses richtet sich der fristgerecht erhobene Rekurs der klagenden Partei , verbunden mit dem Antrag auf Zuerkennung aufschiebender Wirkung. Unter Ausführung einer Rechtsrüge beantragt die Klägerin eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Antrags auf Bewilligung der Akteneinsicht. Hilfsweise wird die Aufhebung und Zurückverweisung an die erste Instanz beantragt.
Die Antragstellerin beantragt in ihrer fristgerecht erstatteten Rekursbeantwortung, welche sie mit einem Streitbeitritt verband, dem Rechtsmittel der Gegenseite den Erfolg zu versagen.
Mit Beschluss vom 11.4.2025 (ON 125) erkannte das Erstgericht dem Rekurs der klagenden Partei aufschiebende Wirkung zu.
Der Rekurs ist nicht berechtigt:
Die klagende Partei macht sekundäre Feststellungsmängel geltend, weil das Erstgericht keine Feststellungen zum Rechtsstandpunkt der Antragstellerin im Verfahren vor dem Landesgericht Salzburg getroffen habe, wonach diese die fehlende wissenschaftliche Evidenz für die gesundheitsfördernde Wirkung der J* gar nicht bestreite; ein rechtliches Interesse am Ergebnis des Gutachtens sei daher nicht gegeben, die Antragstellerin habe bloß ein - nicht berechtigtes - Erkundungsinteresse. Auch habe das Erstgericht nicht beachtet, dass die Beklagten der Antragstellerin bereits am 2.9.2022 den Streit verkündet hätten. Hätte das behauptete rechtliche Interesse vorgelegen, wäre die Antragstellerin dem Streit längst, spätestens aber im Zeitpunkt des Antrags auf Akteneinsicht, auf Seiten der Beklagten beigetreten. Darüber hinaus überwiege das Geheimhaltungsinteresse der klagenden Partei.
1.Mit Zustimmung beider Parteien können nach § 219 Abs 2 ZPO auch dritte Personen Einsicht in einen Prozessakt nehmen, soweit dem nicht überwiegende berechtigte Interessen eines anderen oder überwiegende öffentliche Interessen im Sinne des Art 23 Abs 1 DSGVO entgegenstehen.
Ohne Zustimmung aller Parteien steht einem Dritten die Einsicht und Abschriftnahme – soferne nicht überwiegende berechtigte Interessen eines anderen oder überwiegende öffentliche Interessen im Sinne des Art 23 Abs 1 DSGVO entgegen stehen – nur insoweit zu, als er ein rechtliches Interesse glaubhaft macht. Dabei ist eine zweistufige Prüfung vorzunehmen. Zunächst ist zu prüfen, ob das behauptete rechtliche Interesse des Dritten, der Einsicht begehrt, besteht ( Höllwerth/Ziehensack, ZPO TaKom², § 219 Rz 8 und 9, je mwN; vgl RS0079198 [T6]). Liegt dieses vor, ist in einem nächsten Schritt die Abwägung vorzunehmen, ob das Interesse des Antragstellers gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse eines anderen – auch einer nicht als Partei beteiligten Person – bzw gegenüber öffentlichen Interessen überwiegt. Zu den nach § 219 Abs 2 ZPO zu berücksichtigenden Interessen anderer Personen gehören beispielsweise Geschäftsgeheimnisse; in die Interessenabwägung hat auch einzufließen, ob der Einsichtswerber seine Informationen auch auf andere Weise beschaffen kann (2 Ob 9/17p; 1 Ob 97/06f; vgl 10 Ob 89/07x [„ unbedingt nötig “]).
2.Das rechtliche Interesse muss ein in der Rechtsordnung gegründetes und von ihr gebilligtes Interesse sein, das über das bloß wirtschaftliche Interesse oder über Interessen der Information hinausreicht; ein reines Informationsbedürfnis des Einsicht Begehrenden ist nicht ausreichend (RS0079198). Die Akteneinsicht muss also Bedeutung für die rechtlichen Verhältnisse des Dritten haben, die Kenntnis des betreffenden Akteninhalts muss sich auf die privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse des Dritten günstig auswirken, sei es auch nur dadurch, dass er in die Lage versetzt wird, die Beweislage für sich günstiger zu gestalten (RS0037263 [insbesondere T4]). So anerkennt die Rechtsprechung ein rechtliches Interesse dann, wenn der Dritte aus dem Akt etwas erfahren will, was er nicht weiß, aber zur Wahrung seiner Interessen wissen muss (RS0037263 [T20]).
Ein rechtliches Interesse kann insbesondere durch die Verfolgung oder Abwehr von Ansprüchen begründet sein, wobei es ausreicht, wenn sich die Akteneinsicht positiv auf die Gestaltung der Beweislage hinsichtlich eines privat- oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisses des Dritten auswirkt. So kann es genügen, wenn durch die Akteneinsicht Klarheit darüber verschafft wird, dass keine weiteren Beweismittel mehr vorliegen (vgl Trenker in Kodek/Oberhammer ZPO-ON § 219 Rz 12 mwN).
3. Für die Berechtigung des Klagebegehrens im Prozess vor dem Landesgericht Salzburg ist es ohne Zweifel rechtlich relevant, ob es wissenschaftliche Belege für die gesundheitsfördernden Wirkungen des Zirbenholzes gibt. Darauf, ob - wie die klagende Partei behauptet (vorgelegt wurde lediglich eine Äußerung im Provisorialverfahren, deren Inhalt weitgehend geschwärzt ist [ON 114.1]) - die Antragstellerin im vor dem Landesgericht Salzburg behängenden Verfahren selbst davon ausgeht, dass es keine wissenschaftlichen Belege gebe, kommt es nicht an; steht es der Antragstellerin doch frei, bis zum Schluss der Verhandlung in erster Instanz ihr Vorbringen gegebenenfalls auch zu ändern bzw weiteres Vorbringen zu erstatten. Selbstverständlich kann daher die Rechtsposition der Antragstellerin durch Kenntnis des Sachverständigengutachtens günstig beeinflusst werden.
4. Die Interessenabwägung muss hier zugunsten der Antragstellerin ausfallen; durch Kenntnis des Sachverständigengutachtens werden Geschäftsgeheimnisse der klagenden Partei nicht berührt und auch gar nicht behauptet; sonstige Interessen, die durch die Kenntnis dieser Aktenbestandteile beeinträchtigt würden, macht die klagende Partei ebenfalls nicht konkret geltend.
Dem Rekurs ist daher zusammengefasst der Erfolg zu versagen.
Verfahrensrechtliches:
1.Die klagende Partei ist gemäß §§ 50, 41 ZPO verpflichtet, der Antragstellerin die im Wesentlichen tarifgemäß verzeichneten Kosten ihrer Rekursbeantwortung zu ersetzen; zu korrigieren war das Kostenverzeichnis allerdings hinsichtlich des Streitgenossenzuschlags, da der Antragstellerin im Rekursverfahren nicht mehrere Parteien, sondern nur die klagende Partei gegenüberstand. Da keine Umsatzsteuer verzeichnet wurde, konnte eine solche auch nicht zuerkannt werden.
2.Eine Bewertung des Entscheidungsgegenstandes konnte unterbleiben, da der Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig ist. Der absolute Rechtsmittelausschluss des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO verhindert jede Anfechtung des voll bestätigenden rekursgerichtlichen Beschlusses (RS0112314 [T5]); das gilt auch für Beschlüsse im Zusammenhang mit Anträgen auf Akteneinsicht (vgl 4 Ob 15/21s). Ein Ausnahmefall im Sinne des § 528 Abs 2 Z 2 zweiter Halbsatz ZPO liegt hier nicht vor (9 Ob 35/21v; vgl 4 Ob 44/08m). Die Anfechtbarkeit von Konformatbeschlüssen ist nur für die definitive Versagung des Rechtsschutzes, also für die Verweigerung des Zugangs zu Gericht vorgesehen (9 Ob 35/21v; RS0044536).
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