JudikaturOLG Innsbruck

7Bs128/25v – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
14. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Knapp, LL.M., als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Offer und Mag. Preßlaber als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen A* über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 28.4.2025, GZ **-7, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Der Beschwerde wird F o l g e gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

Text

Begründung :

Die Staatsanwaltschaft Innsbruck legt dem am ** geborenen Angeklagten A* ein als Vergehen des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB subsumiertes Verhalten zur Last. Demnach habe er im im Zeitraum vom 30.5.2023 bis 12.7.2024 in ** und ** mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, jemanden durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung verleitet, die diesen oder einen anderen in einem EUR 5.000,00 übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt habe, indem er es unterlassen habe, Mieteinnahmen in Höhe von insgesamt EUR 1.100,00 monatlich entgegen seiner Meldepflicht dem AMS zu melden und dadurch das AMS zur Auszahlung eines Überbezugs an Notstandshilfe in Höhe von EUR 8.994,36 veranlasst, wodurch das AMS im genannten Betrag am Vermögen geschädigt worden sei.

In der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht Innsbruck am 28.4.2025 bot die Erstrichterin nach Vernehmung des Angeklagten und einer Zeugin ein diversionelles Vorgehen nach §§ 199, 203 StPO in Form einer Verfahrenseinstellung für eine Probezeit von zwei Jahren unter gleichzeitigem Absehen von der Bezahlung eines Pauschalkostenbeitrages an. Diesem Angebot stimmte der Angeklagte sowie auch der öffentliche Ankläger zu. Mit dem angefochtenen, in der Hauptverhandlung verkündeten Beschluss stellte das Erstgericht das Strafverfahren gemäß § 203 Abs 1 StPO iVm § 199 StPO unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren vorläufig ein und erklärte „die Pauschalkosten gemäß § 388 Abs 1 und 3 iVm § 381 Abs 5 StPO für uneinbringlich“.

In der schriftlichen Beschlussausfertigung führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass der Sachverhalt hinreichend geklärt sei, sich der unbescholtene Angeklagte schuldig bekannt habe, dessen Schuld im Lichte des Tathintergrundes, wonach er „aufgrund von Auftragsausfällen in Zahlungsschwierigkeiten“ geraten sei (vgl jedoch BV in ON 2.6, 4f sowie ON 6, 3), nicht schwer sei sowie eine vollständige Schadensgutmachung vorliege. Insgesamt erscheine eine Bestrafung des Angeklagten weder aus spezial- noch generalpräventiven Überlegungen geboten.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die von der Staatsanwaltschaft Innsbruck fristgerecht ausgeführte und in den Antrag mündende Beschwerde, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens gegen den Angeklagten aufzutragen. Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes lägen die Voraussetzungen für ein diversionelles Vorgehen nicht vor, da insbesondere der lange Tatzeitraum von über einem Jahr, in dem gegenständlich vorsätzlich zu Unrecht Notstandshilfe bezogen worden sei, für eine schwere Schuld spreche. Davon abgesehen würden auch spezial- und generalpräventive Gründe einer diversionellen Erledigung entgegen stehen (ON 8.2).

Die Oberstaatsanwaltschaft enthielt sich einer Stellungnahme zur Beschwerde.

Eine Gegenäußerung des Angeklagten wurde mit Blick auf die Einseitigkeit der Beschwerde nach § 209 Abs 2 StPO nicht eingeholt ( Schroll/Kert in Fuchs/Ratz WK-StPO § 209 Rz 12).

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist berechtigt.

Ein diversionelles Vorgehen nach dem hier allein in Betracht kommenden 11. Hauptstück der StPO nach § 198 Abs 1 StPO ist nur dann möglich, wenn eine Bestrafung – im Sinn einer gerichtlichen Verurteilung – im Hinblick auf die zu ergreifenden diversionellen Maßnahmen nicht notwendig ist, um den Angeklagten von strafbaren Handlungen abzuhalten (spezialpräventive Hindernisse) oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken (generalpräventive Hindernisse). Derartige allfällige Diversionshindernisse sind anhand einer umfassenden Fallbewertung unter Einbeziehung der Wirkung einer vom Angeklagten erst zu erfüllenden Verpflichtung zu prüfen ( Schroll/KertaaO § 198 Rz 33 mwN). Unter dem Aspekt der Generalprävention schließt die genannte Bestimmung eine Diversion nur aus, wenn den generalpräventiven Bedürfnissen auch unter Berücksichtigung der Diversionsmaßnahme nicht ausreichend Rechnung getragen wird (RIS-Justiz RS0123346).

Mit Blick auf den vorliegenden langen Tatzeitraum und entstandenen Schaden von EUR 8.994,36 wohnt dem gegenständlichen Erschleichen von Sozialleistungen ein hoher sozialer Störwert inne und vermittelt nach Ansicht dieses Beschwerdegerichts selbst die Durchführung der gegenständlichen Hauptverhandlung samt einer intervenierenden Diversion in der Öffentlichkeit kein ausreichendes Signal der Rechtsbewährung. Mit einer Verfahrenseinstellung für eine Probezeit von zwei Jahren wird in casu Aspekten der positiven wie auch negativen Generalpräventiven nicht hinreichend Rechnung getragen.

Da die Voraussetzungen für ein diversionelles Vorgehen kumulativ vorliegen müssen, erübrigt sich ein Eingehen auf die von der Staatsanwaltschaft zudem ins Treffen geführten Erwägungen zum Vorliegen einer schweren Schuld und allfälligen spezialpräventiven Hindernissen.

Damit war in Stattgebung der Beschwerde der angefochtene Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Strafverfahrens gegen den Angeklagten aufzutragen.