7Bs51/25w – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck beschließt durch die gemäß § 33 Abs 2 erster Satz StPO zuständige Einzelrichterin Dr. Offer in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Feldkirch gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 17.2.2025, ** (= GZ B*-7 der Staatsanwaltschaft Feldkirch):
Spruch
Der Beschwerde wird F o l g egegeben und der vom Bund an A* gemäß § 196a Abs 1 StPO zu leistende Beitrag zu den Kosten der Verteidigung im Ermittlungsverfahren auf EUR 1.500,-- herabgesetzt.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug n i c h tzu (§ 89 Abs 6 StPO).
BEGRÜNDUNG:
Text
Die Staatsanwaltschaft Feldkirch führte zu AZ B* ein Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten A* wegen des Verdachts des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB, welche sie am 22.8.2024 gemäß § 190 Z 2 StPO einstellte (ON 1.1).
Mit Schriftsatz vom 18.9.2024 beantragte der Beschuldigte durch seinen Verteidiger unter Hinweis auf eine Leistungsaufstellung in der Gesamthöhe von EUR 3.058,68 den Zuspruch eines nicht näher bezifferten Beitrages zu den Kosten seiner Verteidigung nach § 196a StPO (ON 5.1, 1).
Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht den Beitrag zu den Kosten der Verteidigung nach § 196a Abs 1 StPO mit EUR 3.000,-- und führte dazu zusammengefasst begründend aus, dass angesichts der aufgelisteten Leistungen des Verteidigers kein über das von den Gesetzesmaterialien sogenanntes Standardverfahren hinausgehender Aufwand für die Verteidigung vorgelegen und ein Pauschalbeitrag von EUR 3.000,-- angemessen sei (ON 7).
Dagegen richtet sich eine rechtzeitig ausgeführte Beschwerde der Staatsanwaltschaft mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Beitrag zu den Kosten der Verteidigung gemäß § 196a StPO auf ein angemessenes Maß zu reduzieren. Vorgebracht wird, dass vom Erstgericht nahezu die gesamten laut Leistungsverzeichnis angefallenen Kosten zugesprochen worden seien, weshalb von einem Beitrag zu den Kosten nicht mehr die Rede sein könne. Zudem seien in das Leistungsverzeichnis unzulässig auch Kosten für den gegenständlichen Antrag aufgenommen worden (ON 8).
In seiner Äußerung zur Beschwerde der Staatsanwaltschaft beantragt der Beschuldigte zusammengefasst, der Beschwerde keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft einer Stellungnahme enthalten ist, ist berechtigt.
Wird ein Ermittlungsverfahren gemäß § 108 oder § 190 StPO eingestellt, so hat gemäß § 196a Abs 1 StPO der Bund dem Beschuldigten auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten. Der Beitrag umfasst die nötig gewesenen und vom Beschuldigten bestrittenen baren Auslagen und außer im Fall des § 61 Abs 2 StPO auch einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers, dessen sich der Beschuldigte bedient. Der (letztgenannte) Beitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen und darf - abgesehen von den hier nicht vorliegenden Fällen des § 196a Abs 2 StPO - den Betrag von EUR 6.000,-- nicht übersteigen. Die Kriterien des Umfangs der Ermittlungen und der Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen sind anhand des konkreten Ermittlungsverfahrens zu gewichten. Ausschlaggebend sind insbesondere der sich auf die Verteidigung durchschlagende Aufwand bei den Ermittlungsmaßnahmen, die Dauer des Ermittlungsverfahrens, die Anzahl der Verfahrensbeteiligten sowie die Gestaltung des dem Ermittlungsverfahren zugrundeliegenden Sachverhalts, der in seiner Komplexität von ganz einfachen Fällen bis hin zu umfangreichen Strafverfahren (etwa organisierter Kriminalität oder Wirtschaftsstrafverfahren) variieren kann und bei dem auch Aspekte, die die Ermittlungsarbeit erheblich aufwendig gestalten (beispielsweise wirtschaftliche Verflechtungen, Auslandsbeteiligungen, schwer nachvollziehbare Geldflüsse, Erfordernis von Sachverständigengutachten oder Rechtshilfeersuchen) zu berücksichtigen sind.
Zudem steht die Bemessung des Verteidigerkostenbeitrags immer auch unter dem Blickwinkel der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Verteidigung bzw der einzelnen Verteidigungshandlungen (EBRV 2557 der Blg XXVII. GP, S 3 ). Die Regelung des § 196a StPO wurde an jene des § 393a StPO angelehnt, für den von der Judikatur der Aktenumfang, die Schwierigkeit bzw Komplexität der Sach- und Rechtslage sowie der Umfang des Verfahrens (Hauptverhandlungen, Rechtsmittel) herangezogen wurden.
Der Pauschalkostenbeitrag im Höchstbetrag der Grundstufe 1 in Höhe von EUR 6.000,-- soll grundsätzlich für alle Verteidigungshandlungen zur Verfügung stehen, die nicht außergewöhnlich oder extrem sind. Da die Bandbreite der Verfahren, die in diese Grundstufe fallen, von ganz einfachen Verteidigungsfällen, wie etwa einer gefährlichen Drohung, bis hin zu Wirtschaftsstrafsachen, reichen, kann sich der Beitrag je nach Umfang der Ermittlungen und Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen dem im Gesetz vorgesehenen Höchstbetrag annähern bzw sich von diesem weiter entfernen. Dabei wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass ein durchschnittliches Standardverfahren rund EUR 3.000,-- an Aufwand für die Verteidigung verursachen wird, wobei in dieser Berechnung zwar der Einheitssatz Berücksichtigung findet, Erfolgs- und Erschwerniszuschläge jedoch außer Betracht zu bleiben haben (EBRV 2557 der Blg XXVII. GP, S 5).
Eine Verpflichtung, einem Beschuldigten sämtliche Aufwendungen für seine Verteidigung zu ersetzen, sieht das Gesetz nicht vor und ist eine solche Verpflichtung weder den geltenden Verfassungsbestimmungen noch der Judikatur des EGMR zu entnehmen (EBRV 2557 der Blg XXVII. GP, S 2).
Im konkreten Fall dauerte das Ermittlungsverfahren, das durch eine Anzeigeerstattung im Juni 2024 begonnen hatte (ON 2.2, 2), knapp über zwei Monate und umfasste der Akteninhalt bis zur Einstellung drei Ordnungsnummern. Die zu lösenden Tat- und Rechtsfragen - dem Ermittlungsverfahren lag ein Vorfall zum Nachteil des unmündigen Patenkindes des Beschuldigten zugrunde - waren mit Blick auf die Einvernahmen des Beschuldigten und zweier Zeugen sowie die Beurteilung ärztlicher Unterlagen von unterdurchschnittlicher Komplexität. Aktenkundig ist, dass der Verteidiger am 16.8.2024 an der von 14:33 Uhr bis 14:56 Uhr dauernden Beschuldigteneinvernahme teilgenommen (ON 2.5) und mit Schriftsatz vom 22.8.2024 (ON 3) seine Vollmacht bekanntgegeben und Freischaltung der elektronischen Akteneinsicht beantragt hat (ON 3). Nach Einlangen des Abschlussberichts am 21.8.2024 (ON 2) stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren am 22.8.2024 ein (ON 1.1). Die ab 26.8.2024 laut Leistungsaufstellung verzeichneten Leistungen, die nach Einstellung des Strafverfahrens erfolgten, waren damit weder notwendig noch zweckmäßig. Auch Kosten für den nunmehrigen Antrag haben bei der Bemessung des Pauschalbeitrags zu den Kosten des Verteidigers außer Acht zu bleiben (EBRV 2557 BlgNR 27. GP 5; Lendl , WK-StPO § 393a Rz 23).
Ausgehend davon handelt es sich fallaktuell aufgrund der einfachen Sach- und Rechtslage, das geringen Umfangs der gegen den Beschuldigten durchgeführten Ermittlungen und dem dadurch geringen Ausmaß des notwendigen und zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers um ein unter dem Durchschnitt liegendes Standardermittlungsverfahren, weshalb der vom Erstgericht bestimmte Pauschalbeitrag zu den Kosten des Verteidigers auf EUR 1.500, -- herabzusetzen war.