JudikaturOLG Innsbruck

11Bs50/25b – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
10. März 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck beschließt durch die gemäß § 33 Abs 2 erster Satz StPO zuständige Einzelrichterin Mag. a Hagen in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Feldkirch gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 18.02.2025, AZ ** (= GZ B*-7 der Staatsanwaltschaft Feldkirch):

Spruch

Der Beschwerde wird F o l g egegeben und der vom Bund an A* gemäß § 196a Abs 1 StPO zu leistende Beitrag zu den Kosten der Verteidigung im Ermittlungsverfahren auf EUR 1.009,80 (darin enthalten EUR 9,80 an Barauslagen) h e r a b g e s e t z t .

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nichtzu (§ 89 Abs 6 StPO).

Begründung:

Text

Die Staatsanwaltschaft Feldkirch stellte am 14.10.2024 das zu B* wegen des Verdachts des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung geführte Ermittlungsverfahren gegen den ** geborenen A* gemäß § 190 Z 2 StPO ein (ON 1.2).

Mit Eingabe vom 13.11.2024 (ON 6) beantragte der anwaltlich vertretene A*, ihm einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zuzuerkennen. Als zu berücksichtigende Leistungen wurden nachstehende Positionen angeführt:

Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht die Höhe des vom Bund zu leistenden Beitrags zu den Kosten der Verteidigung im Ermittlungsverfahren gemäß § 196a StPO mit EUR 2.000,-- zuzüglich Barauslagen von EUR 9,80. Begründend wurde ausgeführt, dass in gegenständlicher Angelegenheit Leistungen des Rechtsvertreters angefallen seien, die nicht besonders umfangreich gewesen und unter einem standardisierten Durchschnittsverfahren gelegen seien; die Beschuldigtenvernehmung habe von 8:38 Uhr bis 10:46 Uhr, sohin lediglich 5 halbe Stunden gedauert.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitig erhobene Beschwerde der Staatsanwaltschaft mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den gemäß § 196a Abs 1 StPO zu leistenden Beitrag zu den Kosten der Verteidigung im Ermittlungsverfahren auf eine angemessene Höhe herabzusetzen. Argumentativ wird vorgebracht, dass der zugesprochene Beitrag mit Blick auf die Einfachheit und den geringen Aufwand deutlich zu hoch sei und sich dementsprechend weit vom im Gesetz vorgesehenen Höchstbetrag zu entfernen habe. Es sei am unteren Ende der Bandbreite anzusetzen, zumal der Pauschalbetrag stets nur ein Beitrag sein und nicht die gesamten Kosten der Verteidigung ersetzen solle (ON 8).

In seiner Gegenäußerung beantragte A*, der Beschwerde keine Folge zu geben und führte aus, dass er bereits wahrheitsgemäß dargelegt habe, dass diese Strafsache nicht besonders umfangreich oder komplex gewesen sei. Der tatsächliche Arbeitsaufwand habe jedoch über zehn Stunden betragen, so dass er der Ansicht sei, dass der vom Landesgericht Feldkirch zugesprochene Betrag angemessen und adäquat sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft einer Stellungnahme enthalten hat, ist berechtigt.

Nach § 196a Abs 1 StPO hat, wenn ein Ermittlungsverfahren gemäß § 108 oder § 190 StPO eingestellt wird, der Bund dem Beschuldigten auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten. Der Beitrag umfasst die nötig gewesenen und vom Beschuldigten bestrittenen baren Auslagen und außer im Fall des § 61 Abs 2 StPO auch einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers, dessen sich der Beschuldigte bedient. Der Beitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzuhalten und darf den Betrag von EUR 6.000,-- nicht übersteigen.

Die Kriterien des Umfangs der Ermittlungen und der Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen sind anhand des konkreten Ermittlungsverfahrens zu gewichten. Ausschlaggebend sind insbesondere der sich auf die Verteidigung durchschlagende Aufwand bei den Ermittlungsmaßnahmen, die Dauer des Ermittlungsverfahrens, die Anzahl der Verfahrensbeteiligten sowie die Gestaltung des dem Ermittlungsverfahren zugrundeliegenden Sachverhalts, der in seiner Komplexität von ganz einfachen Fällen bis hin zu umfangreichen Strafverfahren (etwa organisierter Kriminalität oder Wirtschaftsstrafverfahren) variieren kann und bei dem auch Aspekte, die die Ermittlungsarbeit erheblich aufwendig gestalten (beispielsweise wirtschaftliche Verflechtungen, Auslandsbeteiligungen, schwer nachvollziehbare Geldflüsse, Erfordernis von Sachverständigengutachten oder Rechtshilfeersuchen) zu berücksichtigen sind. Zudem steht die Bemessung des Verteidigerkostenbeitrags immer auch unter dem Blickwinkel der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Verteidigung bzw der einzelnen Verteidigungshandlungen (EBRV 2557 der Blg XXVII. GP, S 3). Die Regelung des § 196a StPO wurde an jene des § 393a StPO angelehnt, für den von der Judikatur der Aktenumfang, die Schwierigkeit bzw Komplexität der Sach- und Rechtslage sowie der Umfang des Verfahrens (Hauptverhandlungen, Rechtsmittel) herangezogen wurden. Der Pauschalkostenbeitrag im Höchstbetrag der Grundstufe 1 in Höhe von EUR 6.000,-- soll grundsätzlich für alle Verteidigungshandlungen zur Verfügung stehen, die nicht außergewöhnlich oder extrem sind. Da die Bandbreite der Verfahren, die in diese Grundstufe fallen, von ganz einfachen Verteidigungsfällen, wie etwa einer gefährlichen Drohung, bis hin zu Wirtschaftsstrafsachen, reichen, kann sich der Beitrag je nach Umfang der Ermittlungen und Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen dem im Gesetz vorgesehenen Höchstbetrag annähern bzw sich von diesem weiter entfernen. Dabei wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass ein durchschnittliches Standardverfahren rund EUR 3.000,-- an Aufwand für die Verteidigung verursachen wird, wobei in dieser Berechnung zwar der Einheitssatz Berücksichtigung findet, Erfolgs- und Erschwerniszuschläge jedoch außer Betracht zu bleiben haben (EBRV 2557 der Blg XXVII. GP, S 5). Eine Verpflichtung, einem Beschuldigten sämtliche Aufwendungen für seine Verteidigung zu ersetzen, sieht das Gesetz nicht vor und ist eine solche Verpflichtung weder den geltenden Verfassungsbestimmungen noch der Judikatur des EGMR zu entnehmen (EBRV 2557 der Blg XXVII. GP, S 2).

Hintergrund des gegenständlichen Strafverfahrens war die Beurteilung des Vorwurfs, ob A* am 06.07.2024 in der Zeit zwischen 03:00 Uhr und 05:00 Uhr die 17-jährige D*, die sich aufgrund ihres vorangegangenen Alkoholkonsums in einem wehrlosen Zustand befand, auf einer Parkbank mehrere Minuten lang mit seinen Fingern vaginal penetriert und ob er D* zwischen dem 06.03.2024 und dem 06.07.2024 in seinem Wohnhaus mit einem Messer gefährlich bedroht hat.

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens, welches aufgrund einer Selbstanzeige des A* am 26.07.2024 begonnen hat, fand im Beisein des Verteidigers am 30.08.2024 die Beschuldigteneinvernahme von 8:38 Uhr bis 10:46 Uhr statt (ON 2.5). Die gegenständlichen Ermittlungen dauerten vom Zeitpunkt der Anzeigenerstattung bis zur Einstellung durch die Staatsanwaltschaft am 14.10.2024 nur knapp über zwei Monate und umfasst der Akteninhalt eine relevante Ordnungsnummer (Abschlussbericht ON 2). Die zu lösenden Tat- und Rechtsfragen waren ausgehend von den vorliegenden Aussagen der Zeugin D* und des A* von überschaubarer Komplexität. Aktenkundig ergibt sich an Verteidigungsaufwand einzig die Teilnahme des Verteidigers an der Beschuldigteneinvernahme.

Insgesamt handelt es sich fallaktuell aufgrund der eher einfachen Sach- und Rechtslage, des geringen Umfangs der gegen den Beschwerdeführer durchgeführten Ermittlungen und dem dadurch nicht sehr großen Ausmaß des notwendigen und zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers um ein unter dem Durchschnitt liegendes Standardverfahren, weshalb der vom Erstgericht bestimmte Pauschalbetrag zu den Kosten der Verteidigung auf EUR 1.009,80 (inkl. bescheinigter Barauslagen) herabzusetzen war.