Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richter Dr. Sutter (Vorsitz), Mag. Wieland und Mag a . Tröster in der Strafvollzugssache des A*wegen bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe nach § 46 StGB (§ 152 Abs 1 Z 1 StVG) und wegen vorläufigen Absehens vom Strafvollzug wegen Einreiseverbots oder Aufenthaltsverbots nach § 133a StVG über die Beschwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 29. Oktober 2025, GZ **-5, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird dahin Folge gegeben, dass der Beschluss in Punkt II. aufgehoben und in diesem Umfang das Verfahren an das Landesgericht für Strafsachen Graz zu neuer Entscheidung nach Verfahrensergänzung verwiesen wird.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.
Begründung:
Der am ** geborene slowenische Staatsangehörige A* verbüßt seit 16. Jänner 2025 in der Justizanstalt Graz-Jakomini die über ihn mit Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 23. April 2024, AZ **, wegen jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG verhängte Freiheitsstrafe von fünf Jahren.
Hinsichtlich der dieser Verurteilung zugrundeliegenden Sachverhalte wird auf die im Ordner „sonstige Beilagen“ ersichtliche Urteilsausfertigung verwiesen.
Das errechnete Strafende fällt auf den 29. Juni 2028. Die Hälfte der Strafe wird am 29. Dezember 2025 verbüßt sein (ON 2.3, 1 und 2).
In seiner Stellungnahme zur bedingten Entlassung beantragte der Strafgefangene auch das vorläufige Absehen vom Strafvollzug nach § 133a StVG (ON 2.4,2)
Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Vollzugsgericht - hinsichtlich Spruchpunkt I. in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft (ON 1.2) und des Leiters der Justizanstalt (ON 2.2, 2) - I. die bedingte Entlassung des Strafgefangenen zum Hälftestichtag aus spezial- und generalpräventiven Gründen ab und wies II. den Antrag des Strafgefangenen auf vorläufiges Absehen vom Strafvollzug wegen Einreiseverbots und Aufenthaltsverbots gemäß § 133a StVG (ON 2.4, 2) zum selben Stichtag wegen der Schwere der Tat ab (ON 5).
Gegen beide Spruchpunkte wendet sich die Beschwerde des Verurteilten (ON 6).
Das Rechtsmittel, zu dem sich die Oberstaatsanwaltschaft inhaltlich nicht äußerte, ist hinsichtlich des Spruchpunkts II. in seinem implizierten Kassationsbegehren erfolgreich.
Zur Beschwerde gegen die Ablehnung der bedingten Entlassung:
Für die Entscheidung über die bedingte Entlassung zum Hälfte-Stichtag sind gemäß § 46 Abs 1 und 2 StGB spezial- und generalpräventive Erwägungen maßgeblich. Entscheidend ist, ob der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird (Spezialprävention; § 46 Abs 1 StGB) und bejahendenfalls, ob es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise noch des weiteren Vollzugs der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken (Generalprävention; § 46 Abs 2 StGB).
Einer bedingte Entlassung zum frühestmöglichen Zeitpunkt stehen fallbezogen bereits generalpräventive Erwägungen entgegen.
Die dem Strafgefangenen zur Last liegenden Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG und § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG sind jeweils mit Freiheitsstrafe von einem bis zu 15 Jahren bedroht. Hierin liegt eine gesetzliche Vorbewertung, die bereits zum Ausdruck bringt, dass es sich jeweils um Delikte mit einem sehr hohen sozialen Störwert handelt. Die vom Beschwerdeführer verübten Verbrechen zeichnen sich überdies durch einen sehr hohen Erfolgsunwert aus, hat er doch als Mitglied einer aus zahlreichen Personen bestehenden und international agierenden kriminellen Vereinigung im Zeitraum von März 2023 bis Juli 2023 insgesamt 626 Grenzmengen Suchtgift, und zwar Kokain, Heroin und Amphetamin in seinem Pkw von Slowenien nach Österreich eingeführt und bis auf eine versuchte Übergabe an einen verdeckten Ermittler nahezu gänzlich anderen Mitgliedern der kriminellen Vereinigung überlassen.
Fallbezogen bedarf es daher des weiteren Vollzugs der Strafe sowohl zur Abschreckung potentieller Täter (negative Generalprävention) als auch zur Bekräftigung des Geltungsanspruchs der Rechtsordnung, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Aufrechterhaltung des Vertrauens der Bevölkerung in die Durchsetzung des Rechts sowie zur Vermeidung einer Bagatellisierung schwerwiegender Suchtmitteldelinquenz (positive Generalprävention; Jerabek/Ropperin WK² StGB § 46 Rz 16, § 43 Rz 18).
Da somit im Gegenstand eine bedingte Entlassung zum Hälfte-Stichtag bereits aus generalpräventiven Gründen ausscheidet, können spezialpräventive Erwägungen fallbezogen dahinstehen.
Zur Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags nach § 133a StVG:
Gemäß § 133a Abs 1 StVG ist vom weiteren Vollzug der Strafe vorläufig abzusehen, wenn ein Verurteilter die Hälfte der Strafzeit, mindestens aber drei Monate verbüßt hat, gegen ihn ein Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot besteht (Z 1), er sich bereit erklärt, seiner Ausreiseverpflichtung in den Herkunftsstaat (§ 2 Abs 1 Z 17 AsylG) unverzüglich nachzukommen und zu erwarten ist, dass er dieser Verpflichtung auch nachkommen wird (Z 2) und der Ausreise keine rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse entgegenstehen (Z 3).
Hat ein Verurteilter die Hälfe, aber noch nicht zwei Drittel der Freiheitsstrafe verbüßt, so ist trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs 1 leg.cit. so lange nicht vorläufig vom weiteren Vollzug der Strafe abzusehen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzugs bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken (§ 133a Abs 2 StVG).
Vor jeder Entscheidung hat das Gericht nach § 17 Abs 1 Z 1 StVG eine Äußerung des Anstaltsleiters, der Staatsanwaltschaft sowie des Verurteilten einzuholen. Stellt einer der Anhörungsberechtigten (wie im vorliegenden Fall der Strafgefangene) einen begründeten Antrag, so ersetzt dieser seine Äußerung zur Sache. Die Anhörung des Anstaltsleiters, der keine Verfahrenspartei ist und dem keine subjektiven Verfahrensrechte zukommen, dient nicht seinem rechtlichen Gehör im engeren Sinn, sondern der Sicherung einer soliden Entscheidungsgrundlage für das Gericht.
Der Anstaltsleiter hat gemäß § 133a Abs 3 StVG Verurteilte, über die ein Einreise- oder Aufenthaltsverbot verhängt worden ist, drei Monate vor dem Hälfte- und Zwei-Drittel-Terminen über die Voraussetzungen eines vorläufigen Absehens zu informieren und die zuständige Fremdenbehörde um Überprüfung des aufrechten Bestehens des Einreise- oder Aufenthaltsverbots und um Stellungnahme, ob einer Ausreise Hindernisse entgegenstehen, zu ersuchen. Erklärt sich ein Strafgefangener bereit, seiner Ausreiseverpflichtung in den Herkunftsstaat unverzüglich nachzukommen, wird die Erklärung (der Antrag) gemeinsam mit dem Einreise- oder Aufenthaltsverbotsbescheid, dem Vollzugsakt samt Urteilsausfertigung und einer aktuellen IVV-Information vom Anstaltsleiter dem Vollzugsgericht vorgelegt. Die Reisedokumente werden, sofern sie noch nicht vorliegen, von der Anstaltsleitung beschafft, die sich hiezu öffentlicher oder gemeinnütziger Einrichtungen bedient ( Pieberin WK² StVG § 133a Rz 22).
Zum einen fehlt die Anhörung bzw Stellungnahme des Anstaltsleiters als entscheidungswesentlicher Teil. Zum anderen erfolgte die Übermittlung des Akts an die Staatsanwaltschaft nur zur Äußerung „ wegen Hälfte-Stichtag-29.12.2025, amtswegig zur Stellungnahme “ (ON 1.1) und betraf - entgegen den Ausführungen im erstinstanzlichen Beschluss (ON 5, 3 oben) - nicht diesen Verfahrensgegenstand; eine valide Stellungnahme der Staatsanwaltschaft liegt damit ebenso wenig vor. Damit fehlen wesentliche Entscheidungsunterlagen, was eine Behebung des betroffenen Beschlussteils notwendig macht.
Im weiteren Verfahren bedarf es daher der Einholung der Stellungnahmen des Anstaltsleiters und der Staatsanwaltschaft zu einem Vorgehen nach § 133a StVG, somit ergänzender Erhebungen durch das Erstgericht, welches nach entsprechender Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage eine neue Entscheidung zu treffen haben wird.
Der Rechtsmittelausschluss gründet auf § 17 Abs 1 Z 3 StVG iVm § 89 Abs 6 StPO.
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