JudikaturOLG Graz

9Bs192/25s – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
25. August 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Senatspräsidentin Mag. aKohlroser als Vorsitzende sowie die Richter Mag. Obmann, LL.M. und Mag. Scherr, LL.M., BA in der Strafsache gegen A* und einen weiteren Verurteilten wegen der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde des Verurteilten B* gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 26. Juli 2025, GZ **-52, in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht (ON 49) abgewiesen .

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

Text

BEGRÜNDUNG:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 11. Juni 2024, **-33, wurde – unter anderem – der am ** geborene österreichische Staatsangehörige B* der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB (I.) und (richtig:) der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (II.2.) schuldig erkannt und unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB sowie unter Anwendung des § 5 Z 4 JGG nach § 142 Abs 2 StGB zu einer für die Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Gleichzeitig wurde ihm mit Beschluss (ON 34) die Weisung erteilt, binnen eines Monats ab Rechtskraft des Urteils eine Beschäftigung in Form einer Ausbildung oder Erwerbstätigkeit im Ausmaß von zumindest 20 Wochenstunden aufzunehmen bzw. fortzusetzen, die Aufnahme der Beschäftigung unverzüglich und deren weiteren Fortgang für die Dauer der Probezeit vierteljährlich dem Gericht unaufgefordert schriftlich nachzuweisen.

Am 29. Juli 2024 langte die Bestätigung über ein Arbeitspraktikum des Verurteilten B* beim Erstgericht ein (ON 36), weitere Nachweise wurden trotz zweimaliger Urgenzen nicht erbracht.

Mit dem angefochtenen Beschluss widerrief das Erstgericht nach erfolgter schriftlicher förmlicher Mahnung (ON 47), die dem Beschuldigten am 8. April 2025 zugestellt wurde, über Antrag der Staatsanwaltschaft Graz (ON 49) und nach Anhörung des Verurteilten gemäß § 495 Abs 3 StPO (ON 50) die gewährte bedingte Strafnachsicht gemäß § 53 Abs 2 StGB mit der Begründung, der Verurteilte befolge mutwillig die erteilte Weisung trotz förmlicher Mahnung nicht, weshalb der Vollzug der Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten geboten erscheine, um ihn vor weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Verurteilten B* (ON 54), in der er zusammengefasst ausführt, seit 1. August 2025 in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis zu stehen und somit der Weisung des Gerichts nachzukommen. Als Nachweis legte er einen entsprechenden Arbeitsvertrag vor, aus dem hervorgeht, dass er seit 1. August 2025 bei der C* GmbH in ** als Arbeiter beschäftigt ist.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt Berechtigung zu.

Gemäß § 53 Abs 2 StGB hat das Gericht die bedingte Strafnachsicht oder die bedingte Entlassung zu widerrufen und die Strafe oder den Strafrest vollziehen zu lassen, wenn der Rechtsbrecher während des vom Gericht bestimmten Zeitraums eine Weisung trotz förmlicher Mahnung mutwillig nicht befolgt oder sich beharrlich dem Einfluss des Bewährungshelfers entzieht und dies nach den Umständen geboten erscheint, um den Rechtsbrecher von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten.

Die bloße Nichtbefolgung einer Weisung berechtigt idR noch nicht zur Folgerung, dass die Resozialisierungsmaßnahme erfolglos geblieben ist. Der Widerruf setzt diesfalls vielmehr voraus, dass der Vollzug der Strafe oder des Strafrests nach den Umständen geboten erscheint, um den Rechtsbrecher von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten. Konkrete Anhaltspunkte müssen demnach Anlass zur Besorgnis geben, dass der Verurteilte seine soziale Integration nicht anstrebt und sich ohne Einwirkung des Strafvollzugs nicht straffrei verhalten werde ( Jerabek in Höpfel/Ratz , WK 2StGB § 53 Rz 9).

Wenngleich im vorliegenden Fall das vom Erstgericht aktenkonform dargestellte Verhalten des Beschwerdeführers bis zum Widerrufsbeschluss (mutwillige Nichtbefolgung der Arbeitsweisung) durchaus die Bejahung der genannten Voraussetzungen für den Widerruf der bedingten Nachsicht rechtfertigte, so ist mit Blick auf die im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigenden Neuerungen (vgl Tipold in Fuchs/Ratz, WK StPO § 89 Rz 8) jedoch relevant, dass B* nunmehr ein aufrechtes Arbeitsverhältnis nachweisen konnte. Spezialprognostisch ist somit zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer der ihm auferlegten Weisung letztlich nachkam und seit seinen Taten, die er noch als Jugendlicher am 21. Dezember 2023 beging und deretwegen die Anlassverurteilung erfolgte, strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung trat. Dies ergibt sich sowohl aus der vom Beschwerdegericht eingeholten Strafregisterauskunft (§ 495 Abs 3 StPO) als auch aus einer VJ-Registerabfrage. Daraus ist abzuleiten, dass bei B* derzeit keine erhöhte Rückfallsgefahr und keine ungünstige Prognose besteht, wonach er sich nur durch die Wirkung des Strafvollzugs straffrei verhalten werde. Eine spezialpräventive Notwendigkeit des Widerrufs liegt nicht vor, sodass der angefochtene Beschluss mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 53 Abs 2 StPO aufzuheben und der Antrag der Staatsanwaltschaft Graz auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht abzuweisen war.