10Bs151/25v – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richter Mag a . Haas (Vorsitz), Mag. Wieland und Mag a . Tröster in der Maßnahmenvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme nach § 47 StGB über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht vom 3. Juni 2025, GZ **-7, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.
Text
Begründung:
Der am ** geborene lettische Staatsangehörige A* wurde - soweit hier relevant - mit Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 18. September 2024, AZ **, wegen der Verbrechen der Brandstiftung nach §§ 169 Abs 1, 15 StGB (I.) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II.) zur Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in einem forensisch-therapeutischen Zentrum untergebracht.
Nach dem rechtskräftigen Schuldspruch hat A*
I. zu nachstehenden Zeiten an nachstehenden Orten an fremden Sachen ohne Einwilligung des jeweiligen Eigentümers eine Feuersbrunst
1. verursacht, und zwar am 15. April 2024 in **, indem er den in der Tiefgarage des B* abgestellten Einachswohnanhänger der C* unter Verwendung einer nicht mehr festzustellenden Zündquelle in Brand setzte, wodurch dieser vollkommen zerstört wurde und aufgrund der massiven Hitze- und Rauchentwicklung an insgesamt 19 weiteren geparkten Fahrzeugen sowie am Gebäude selbst ein Sachschaden von zumindest EUR 650.000,00 entstand;
2. zu verursachen versucht, indem er jeweils im Eigentum der nachstehenden Unterkünfte stehende Matratzen sowie Bettzeug unter Verwendung einer nicht mehr festzustellenden Zündquelle in Brand setzte, wodurch jeweils ein ausgedehntes Schadensfeuer hätte entstehen können, und zwar
a. von 27. Februar 2024 bis 28. Februar 2024 in ** in der Unterkunft D* GmbH in zwei Angriffen in zwei Schlafsälen, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil das Feuer beim ersten Angriff aufgrund des ausgelösten Feueralarms von einem Mitarbeiter der Unterkunft unter Verwendung eines Feuerlöschers gelöscht werden konnte und beim zweiten Angriff von selbst erlosch;
b. am 23. Dezember 2023 in ** in der Unterkunft E* GesmbH, wobei das Feuer von selbst erlosch;
II. am 13. März 2024 in ** F* am Körper verletzt, indem er ihm einen Fußtritt und einen Faustschlag ins Gesicht und in weiterer Folge mehrere wuchtige Faustschläge gegen den Kopf des am Boden liegenden F* versetzte, wodurch dieser eine Schädelprellung, verbunden mit einer kurzzeitigen Bewusstlosigkeit erlitt.
Der Unterbringung lag zugrunde, dass A* die zu I. angeführten Taten, ohne zurechnungsunfähig zu sein, unter dem maßgeblichen Einfluss einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung, nämlich chronischem Alkoholismus, einer alkohol- und drogenbedingten Wesensänderung, eines Zustands nach Polytoxikomanie sowie einer Epilepsie begangen hat und zu befürchten war, er werde nach seiner Person, nach seinem Zustand und nach der Art der Taten mit hoher Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zukunft unter dem maßgeblichen Einfluss seiner psychischen Störung eine Handlung gegen Leib und Leben mit schweren Folgen, insbesondere (an sich) schwere Körperverletzungen und Brandstiftungen mit Personenschaden, begehen.
Die Maßnahme wird seit 18. September 2024 (und seit 31. Oktober 2024 in der Justizanstalt Graz-Karlau) vollzogen.
In hypothetischer Anrechnung der bisherigen Anhaltedauer (§ 24 Abs 1 zweiter Satz StGB) wäre das errechnete Ende der Strafzeit der 23. Oktober 2028.
Aus Anlass der alljährlichen amtswegigen Prüfung (§ 25 Abs 3 StGB) sprach das Vollzugsgericht als Senat von drei Richterinnen nach Einholung einer Stellungnahme des Leiters der Justizanstalt Graz-Karlau (ON 2.3, 2 f) samt forensischer Stellungnahme des Departments Maßnahmenvollzug der Justizanstalt Graz-Karlau (ON 2.5) sowie auf Basis des in der Hauptverhandlung zum AZ ** des Landesgerichts Korneuburg vom 18. September 2024 aktualisierten Gutachtens des Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie und Neurologie Univ.-Doz. Dr. G* vom 12. Juni 2024 (siehe Beilagenordner) und nach Anhörung des Betroffenen (ON 2.9 und ON 6) mit dem angefochtenen Beschluss die Notwendigkeit der weiteren Unterbringung des Betroffenen in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB aus (ON 7).
Dagegen richtet sich die rechtzeitig unter Verzicht auf deren Ausführung angemeldete (ON 6, 2) Beschwerde des Untergebrachten.
Die Oberstaatsanwaltschaft Graz äußerte sich dazu inhaltlich nicht.
Rechtliche Beurteilung
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Zum bisherigen Verfahrensgang, zu den Stellungnahmen des Leiters der Justizanstalt Graz-Karlau (ON 2.3 samt forensischer Stellungnahme des Departments Maßnahmenvollzug [ON 2.5]), der Staatsanwaltschaft Graz (ON 1.3), des Betroffenen (ON 2.9), zu dem (im Verfahren AZ ** des Landesgerichts Korneuburg erstatteten) psychiatrischen Gutachten des Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. G* und zum Inhalt der Strafregisterauskunft (ON 4) sowie zur maßgeblichen Bestimmung des § 47 Abs 2 StGB wird auf deren jeweils zutreffende Darstellung im angefochtenen Beschluss (BS 2 ff) verwiesen.
Die freiheitsentziehende Maßnahme nach § 21 Abs 2 StGB darf nur aufrechterhalten werden, wenn die einen maßgeblichen Einfluss auf die Anlasstat(en) habende schwerwiegende und nachhaltige psychische Störung sowie die hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Betroffene nach seiner Aufführung und Entwicklung in der Anstalt, nach seiner Person, seinem Gesundheitszustand, seinem Vorleben und nach seinen Aussichten auf ein redliches Fortkommen in absehbarer Zukunft unter dem maßgeblichen Einfluss seiner schwerwiegenden und psychischen Störung weiterhin Prognosetaten mit schweren Folgen begehen wird, noch bestehen und es keine Möglichkeit gibt, die unterbringungsrelevante Gefährlichkeit extra muros hintanzuhalten (§ 47 Abs 2 StGB; Haslwanter in WK² StGB § 47 Rz 12 bis 14).
Ausgehend vom aktualisierten Gutachten des Sachverständigen Univ.-Doz. Dr. G* vom 18. September 2024 sowie von der forensischen Stellungnahme des Departments Maßnahmenvollzug der Justizanstalt Graz-Karlau vom 8. Mai 2025 (ON 2.5) ist die erstgerichtliche Annahme der Notwendigkeit der weiteren Unterbringung des Betroffenen nicht zu kritisieren.
Nach dem unverändert aktuellen, schlüssigen Gutachten des Sachverständigen Univ.-Doz. Dr. G* in Verbindung mit der forensischen Stellungnahme des Departments Maßnahmenvollzug besteht bei A* weiterhin die unterbringungsrelevante schwerwiegende und nachhaltige psychische Störung, nämlich chronischer Alkoholismus (ICD 10: F10, derzeit abstinent in beschützender Umgebung), eine alkohol- und drogenbedingte Wesensänderung (ICD 10: F19 bzw F10) sowie ein Zustand nach Polytoxikomanie (ICD 10: F19, derzeit abstinent in beschützender Umgebung).
Nach wie vor ist nach der Aufführung und Entwicklung des Untergebrachten in der Anstalt, nach seiner Person, seinem Gesundheitszustand, seinem Vorleben und nach seinen Aussichten auf ein redliches Fortkommen mit hoher Wahrscheinlichkeit (RIS-Justiz RS0090401) zu befürchten, dass er sonst innerhalb von wenigen Wochen bis wenigen Monaten unter dem maßgeblichen Einfluss dieser Störung neuerlich mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen, und zwar (an sich schwere) Körperverletzungen, aber auch Brandstiftungen mit gravierenden Folgen wie Personenschäden (S 31 des Hauptverhandlungsprotokolls zum AZ ** des Landesgerichts Korneuburg im Beilagenordner) begehen wird.
Maßgebend ist insoweit vor allem, dass der Untergebrachte seit dem Erwachsenenalter Polytoxikomanie und Alkoholismus betreibt, wodurch es zu einem Abbau kognitiver Leistungen, Enthemmung und einer entsprechenden Vergröberung seiner Persönlichkeit und in der Folge zur Missachtung sozialer Regeln und vermehrten Verurteilungen wegen Vermögensdelinquenz und gegen die körperliche Integrität gerichteter Delinquenz gekommen ist (siehe ECRIS-Auszug in ON 10 im Akt AZ ** des Landesgerichts Korneuburg). Trotz dieser problematischen Entwicklung erfolgte bis zur strafrechtlichen Unterbringung keine adäquate Behandlung, insbesondere da der Untergebrachte keine Krankheitseinsicht und auch keine genuine Therapiebereitschaft erkennen ließ.
Auch aktuell ist der Untergebrachte - auch ohne das Hinzutreten der enthemmenden Wirkung von Alkohol bzw sonstiger Substanzen - nicht in der Lage, bei konfrontativen (Alltags-)Situationen oder (auch nur vermeintlichen) Provokationen aggressive Affekte und Impulse zu steuern, sodass es von situativen Gegebenheiten abhängt, ob und auf welche Weise er unter dem maßgeblichen Einfluss der schweren und mittlerweile chronifizierten psychischen Störung Aggressionshandlungen setzt. Seine bisherige Delinquenz erklärt der Untergebrachte mit Substanzmissbrauch, den er aber nach eigener (kognitiv verzerrter) Einschätzung „ durchaus kontrollieren könne “. Eine Problemeinsicht in Gewalttätigkeit ist beim Untergebrachten nicht auszumachen. Vielmehr geht er davon aus, nicht psychisch krank zu sein, bagatellisiert die Brandstiftungen bzw will sich nicht mehr daran erinnern. Der Einsatz von körperlicher Gewalt sei seiner Auffassung nach in Lettland und Russland sogar üblich, weshalb bei einer Gesamtbetrachtung von einer Verringerung der Gefährlichkeit, wie sie aus den bisherigen Gutachten und Stellungnahmen zweifelsfrei hervorgeht, nicht angenommen werden kann.
Da der hinsichtlich des Risikos neuerlicher Gewaltdelinquenz der Risikokategorie „hoch“ zugeordnete Untergebrachte seit Beginn der Unterbringung für Betreuungs- und Therapieangebote nicht erreichbar ist, die konkrete in Vollzug stehende Maßnahme für ihn sogar „ lächerlich“ ist (ON 2.5, 10), ist auch keine Veränderung der für die Unterbringung maßgeblichen Persönlichkeitsstruktur eingetreten (ON 2.5, S 11 f). Aufgrund dieser Umstände kann die im unveränderten Ausmaß bestehende Gefährlichkeit, gegen die sich die vorbeugende Maßnahme richtet, weiterhin durch Maßnahmen im Sinn der §§ 50 bis 52 StGB außerhalb der Unterbringung nicht hintangehalten werden.
Der Ausschluss eines weiteren Rechtszugs ergibt sich aus §§ 163, 17 Abs 1 Z 3 erster Satz StVG iVm § 89 Abs 6 StPO.