JudikaturOLG Graz

10Bs333/24g – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
30. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richterin Mag a . Haas als Einzelrichterin in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 erster Fall StGB über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 16. November 2024, AZ ** (ON 56 der Akten AZ ** der Staatsanwaltschaft Leoben), den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird dahin Folge gegeben, dass der Beitrag zu den Kosten der Verteidigung des A* mit (insgesamt) EUR 3.500,00 festgesetzt wird.

Text

begründung:

Am 2. August 2024 stellte die Staatsanwaltschaft Leoben das gegen A* wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 erster Fall StGB geführte Ermittlungsverfahren nach § 190 Abs 2 StPO ein und verständigte hiervon den Verteidiger des Genannten (ON 1.40).

Am 12. November 2024 beantragte A* unter Vorlage eines Kostenverzeichnisses über EUR 6.159,14 die Zuerkennung eines Beitrags zu den Kosten seiner Verteidigung im Ermittlungsverfahren von EUR 6.000,00 (ON 55.2).

Mit dem angefochtenen Beschluss erkannte ihm das Erstgericht einen Kostenbeitrag von EUR 2.200,57 (darin Barauslagen von EUR 0,57) zu (ON 56).

Dagegen richtet sich seine Beschwerde, mit der er den Zuspruch von weiteren EUR 3.799,43 (gesamt sohin EUR 6.000,00) begehrt (ON 57.2).

Die Oberstaatsanwaltschaft Graz äußerte sich dazu inhaltlich nicht.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde hat teilweise Erfolg.

Wird (wie hier) ein Ermittlungsverfahren gemäß § 190 StPO eingestellt, so hat der Bund dem Beschuldigten auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten. Der Beitrag umfasst die nötig gewesenen und vom Beschuldigten bestrittenen baren Auslagen und außer im Fall des § 61 Abs 2 StPO auch einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers, dessen sich der Beschuldigte bedient. Der Beitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen. Er darf (in der hier relevanten Grundstufe [„Stufe 1“]) den Betrag von EUR 6.000,00 nicht übersteigen (§ 196a Abs 1 StPO).

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass ein durchschnittliches Standardverfahren im Regelfall eine Besprechung mit dem Mandanten, eine Vollmachtsbekanntgabe bzw. einen Antrag auf Akteneinsicht, ein angemessenen Aktenstudium bzw. Vorbereitungstätigkeit und eine Teilnahme an einer Vernehmung in der Dauer von zwei Stunden umfasst und damit unter Heranziehung der Kostenansätze der Allgemeinen Honorar-Kriterien (AHK) rund EUR 3.000,00 an Aufwand für die Verteidigung verursacht. Bei einem Verfahren, das in die bezirksanwaltliche Zuständigkeit fällt, wird aufgrund der im Regelfall geringeren Komplexität und kürzeren Verfahrensdauer ein Richtwert von EUR 1.500,00 angenommen. Erfolgs- und Erschwerniszuschläge bleiben dabei außer Betracht. Diese Beträge stellen die Ausgangsbasis für die Bemessung des Pauschalkostenbeitrags dar. Der im Einzelfall zuzuerkennende Betrag hat sich sodann je nach Umfang der Ermittlungen und Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen dem im Gesetz vorgesehenen Höchstbetrag anzunähern oder sich von diesem weiter zu entfernen (ErläutRV 2557 BlgNR 27. GP 5; Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 31. Juli 2024, GZ 2024-0.561.623, 6).

Schon aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich freilich, dass (weiterhin) lediglich ein (nach freiem richterlichem Ermessen festzusetzender pauschaler) Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten ist. Eine Verpflichtung, dem Beschuldigten sämtliche Aufwendungen für seine Verteidigung zu ersetzen, sieht das Gesetz nicht vor. Derartiges ergibt sich auch weder aus den geltenden Verfassungsbestimmungen noch aus der Judikatur des EGMR (ErläutRV 2557 BlgNR 27. GP 2).

Im Gegenstand wurde das Ermittlungsverfahren nach rund einem Jahr (endgültig) eingestellt. Die Ermittlungsakten umfassten bis zur Einstellung 51 Ordnungsnummern, darunter im Wesentlichen mehrere (teils allerdings nur sehr kurze) polizeiliche Berichte (ON 2, 4, 9, 11, 20, 34 und 51), mehrere Protokolle der Einvernahme eines Mitbeschuldigten, des Verletzten und zweier Zeugen (ON 9.3 iVm 9.5, 11.7, 20.3, 51.4 und 51.5), Schriftsätze (ON 5, 6 und 24) und Krankenunterlagen des Verletzten (ON 16 und 17) sowie das 11-seitige Gutachten des Sachverständigen aus dem Fachgebiet für Sicherheitswesen DI B* (ON 40 samt dazu gehörigem Konvolut an Unterlagen in ON 39.1 bis 39.10).

Bei dem zu prüfenden Vorwurf, der als Polier eingesetzte Beschuldigte habe bei Kabelzugarbeiten einen Hilfsarbeiter durch dessen mangelnde Ausstattung mit Schutzkleidung und eine unzureichende Sicherheitsunterweisung sowie durch den Einsatz eines dafür ungeeigneten Karabiners und nicht rechtzeitigen Stoppens des Kabelzugvorgangs fahrlässig am Körper verletzt, wobei die Tat eine mit einer 24 Tage übersteigenden Gesundheitsschädigung verbundene schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine offene Endgliedfraktur des rechten Daumens, zur Folge hatte, handelte es sich – wie schon das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat (BS 4) – um ein (zwar nicht auf der Rechts-, wohl aber) auf der Sachebene eher komplexes Verfahren, in dem u.a. durch die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet des Sicherheitswesens und unter Abklärung auch technischer Fragen die Unfallursache und die (mögliche) Verantwortlichkeit mehrerer an den zum Unfall führenden Kabelzugarbeiten beteiligten Personen geklärt werden musste.

Die (in diesem Umfang notwendige und zweckmäßige) Tätigkeit des Verteidigers bis zur Einstellung des Ermittlungsverfahrens umfasste – soweit aus den Akten nachvollziehbar – insbesondere die Vollmachtsbekanntgabe (verbunden mit einem Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht; ON 13), die Erstattung mehrerer Stellungnahmen (ON 29, 43 und 45, die sich jeweils mit technischen und rechtlichen Aspekten des zu beurteilenden Sachverhalts auseinandersetzen), die Teilnahme an der Beschuldigteneinvernahme in der Dauer von 33 Minuten (ON 51.3) sowie mehrere Anträge auf (neuerliche) elektronische Akteneinsicht. Im Detail kann insoweit auf die ausführliche Darstellung im erstgerichtlichen Beschluss verwiesen werden (BS 3 f). Für den Antrag auf Leistung eines Beitrags zu den Kosten der Verteidigung nach § 196a StPO selbst (hier: ON 55) können hingegen weiterhin keine Kosten angesprochen werden (vgl. zur Rechtslage vor BGBl I 2024/96 Lendl in WK StPO § 393a Rz 23; zu § 196a StPO jüngst OLG Wien 23 Bs 11/25y [unveröff]).

Zusammengefasst handelte es sich um einen etwas aufwändigeren Verteidigungsfall, in dem der notwendige und zweckmäßige Aufwand des Verteidigers deutlich über jenem eines in die bezirksgerichtliche Zuständigkeit fallenden durchschnittlichen Standardverfahrens lag. Bei einer Gesamtabwägung der vom Gesetzgeber vorgegebenen Bemessungskriterien erachtet das Beschwerdegericht daher einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung von EUR 3.500,00 für angemessen.

Die Neufassung der Auszahlungsanordnung obliegt dem Erstgericht.

R echtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).