1Bs133/24d – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richterin Mag a . Schwingenschuh als Vorsitzende sowie die Richter Mag. Wieland und Mag. Redtenbacher in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB über die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 17. Juni 2024, GZ **-18, in nichtöffentlicher Beratung nach Anhörung der Oberstaatsanwaltschaft zu Recht erkannt:
Spruch
Aus Anlass der Berufung wird das Urteil im Umfang des A* betreffenden Schuld-, Straf- und Kostenausspruchs aufgehoben und die Sache in dieser Hinsicht an das Landesgericht für Strafsachen Graz zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Text
gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für die Berufungsentscheidung relevant – die am ** geborene österreichische Staatsangehörige A* des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt und nach dieser Bestimmung zur Geldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 8 Euro, im Uneinbringlichkeitsfall 100 Tage Ersatzfreiheitsstrafe sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Strafverfahrenskostenersatz verurteilt.
Nach dem Schuldspruch hat A* am 24. Oktober 2023 in B* C* durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper, und zwar die Ankündigung, „Willst du Schläge, dann komm her!“ , zur Abstandnahme von ihrem Vorhaben, A* und D* im Zuge eines ampelbedingten Stopps wegen eines vorausgegangenen Vorfalls zur Rede zu stellen, genötigt, „wobei die Äußerung reduziert auf ihren Bedeutungsinhalt dahingehend auszulegen war, dass sie C* eine Körperverletzung durch Schläge und/oder Tritte in Form von Prellungen und Stauchungen zufügen würde“ .
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die in der Hauptverhandlung am 17. Juni 2024 angemeldete Berufung der Angeklagten wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe sowie wegen des Ausspruchs über die Schuld und Strafe (ON 17, 7). Das Rechtsmittel wurde nicht schriftlich ausgeführt.
Aus Anlass der Berufung ist gemäß §§ 290 Abs 1, 471 iVm § 489 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen, dass dem Urteil zum Nachteil der Angeklagten A* der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a iVm § 489 Abs 1 StPO anhaftet.
Nach den für die Subsumtion maßgeblichen Feststellungen zeigte A* C* den Mittelfinger und die Faust (US 3). „In B* kamen D* und ihre Beifahrerin A* an derselben roten Ampel wie C* zu stehen. D*, welche hinter C* stand, ließ wiederholt ihren Motor aufheulen, woraufhin C* aus ihrem PKW stieg, um die beiden Frauen zu konfrontieren. Die Beifahrerin A* öffnete die Beifahrertür und bedrohte C* gefährlich mit [den Worten] `Willst du Schläge, dann komm her!“. Durch diese Aussage hielt die Zweitangeklagte [A*] es zumindest ernstlich für möglich und fand sich billigend damit ab, C* solcherart zur Abstandnahme von ihrem Vorhaben, nämlich dem Zur-Rede-Stellen der beiden Frauen, [zu nötigen]. Der Sinn lag darin, den Eindruck einer ernstgemeinten Ankündigung zumindest einer bevorstehenden Verletzung am Körper zu erwecken, wobei die Zweitangeklagte [A*] den auf die Ankündigung der Zufügung einer Körperverletzung abstellenden Bedeutungsgehalt ihrer Worte bewusst und billigend in Kauf nahm. Dabei hielt sie es ernstlich für möglich und fand sich damit ab, dass sie dadurch den Eindruck erweckte, sie sei willens und in der Lage, die angedrohte Übelsfolge herbeizuführen, dies nicht zuletzt dadurch, dass sie bereits davor mit der Faust in Richtung der C* gestikulierte. Dadurch nötigte sie C* gegen ihren Willen zur Abstandnahme von ihrem Vorhaben, die beiden Frauen zur Rede zu stellen.“ (US 3 f)
Die insoweit in Aussicht gestellte „Verletzung am Körper“ bedürfte auf der Sachverhaltsebene einer dieser Subsumtion zugänglichen Beschreibung der „Schädigung an der Gesundheit“zumindest ihrer Art nach, um als angedrohtes Übel im Sinn des § 74 Abs 1 Z 5 erster Fall StGB in Frage zu kommen. Eine derartige Sachverhaltsklärung durch Feststellungen ist gerade bei Äußerungen wie der konkreten, die „Schläge“ in Aussicht stellen, erforderlich, weil ein derartiger Wortlaut eine Ankündigung einer Gewaltanwendung von Gesundheitsschädigungen im Sinn des § 83 Abs 1 StGB verursachender Intensität keinesfalls zwangsläufig impliziert.
Da in der Gesamtheit der (auch übrigen) Entscheidungsgründe eine (über die bloße Verwendung der verba legalia hinausgehende) Konkretisierung des angekündigten Übels nicht zu entnehmen ist (die Erwähnung im Urteilsspruch [§ 260 Abs 1 Z 1 StPO] vermag die Feststellung entscheidender Tatsachen nur zu verdeutlichen, nicht zu ersetzen [RIS-Justiz RS0114639]), mangelt es dem Schuldspruch an der Feststellung eines die Subsumtion unter § 74 Abs 1 Z 5 erster Fall iVm § 105 Abs 1 StGB zulassenden Bedeutungsinhalts (13 Os 14/11z, 13 Os 102/14w, 12 Os 49/15w, 15 Os 34/18s, 12 Os 14/20f, 12 Os 17/21x; OLG Graz 8 Bs 256/22s, 8 Bs 329/22a, 8 Bs 52/23t). Daraus hat die Kassation des Schuldspruchs, demgemäß auch des Strafausspruchs sowie die Zurückverweisung der Sache in diesem Umfang an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zu resultieren.